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Austrian im Sanierungsstress

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Austrian-Vorstände: COO Peter Malanik, CEO Jaan Albrecht, CCO Andreas Bierwirth , © Gerhard Vysocan

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WIEN - Bei der Übernahme verkündete der damalige Lufthansachef Wolfgang Mayrhuber seiner neuen Adoptivtochter eine schmerzhafte Phase harter Sanierung, mit Ablaufdatum: spätestens Ende 2011 soll die hochverschuldete, per Mitgift von 500 Millionen Euro an die Deutsche Lufthansa veräußerte Airline positiv sein. Gelingt ihr das nicht, stünde ihr ab 2012 eine massive, vom Standort schon lange befürchtete Schrumpfung ins Haus - ergo ab jetzt.

Am 7. Oktober 2009 stellte Austrians Vorstandsduo Andreas Bierwirth und Peter Malanik dazu ihr Drei Säulen-Konzept für die Zukunft der Airline vor:
 
•    Neue Markt- und Flottenstrategie
•    Kostenseitige Sanierung
•    Synergien aus dem Lufthansa-Konzern
 
Trotz drastischem Sparprogramm in Höhe von 600 Mio Euro, das mehr als 2.000 Mitarbeitern den Job kostete, setzte die AUA auf eine offensive Wachstumsstrategie und eine zweistellige Verbesserung der Produktivität, bei vollem Erhalt der Netzqualität. Dies sollte unter anderem durch eine Neuausrichtung des Verkehrs auf Primärmärkte mit hohem Volumen erreicht werden. Und durch Verzicht auf unrentable Nischen, in West- wie Osteuropa. 

Der generelle Anspruch: Die AUA muss ihr Wachstum aus eigener Kraft schaffen. Kurzfristig sollte der Cash-Flow gedreht und bis Ende 2010 ein positives EBIT eingeflogen werden. Darüber hinaus muss die Airline auch ihre Kapitalkosten selbst verdienen, unter anderem für eine umfassende Flottenerneuerung.

Zwei Jahre und drei Monate später resümiert Jaan Albrecht, Austrians neuer, von der Star Alliance importierter Vorstandchef, zum Jahresanfang 2012 das Erreichte. Trotz industrieweiter Rückschläge durch Naturkatstrophen, Unruhen, neuer Steuern, Verfall der Ticketpreise und inflationärer Spritpreise konnte die Airline ihr Ergebnis zwar deutlich verbessern, von einer schwarzen Null ist sie aber immer noch weit entfernt.

Dennoch, die Sanierung scheint zu greifen, wenn auch langsamer als geplant. Nach einem Verlust von 429 Mio EUR im Jahr der Übernahme und 326 Mio im Jahr danach, wird die AUA per 2011 zwar immer noch rote Zahlen schreiben, mit rund  minus 60 Mio stimmt aber wenigstens die Richtung. (nach minus 67 Mio 2010).

Nicht ganz geschafft hat sie auch den steilen Aufstieg zum 'Mount EBIT' (Zitat Bierwirth): Mit minus 5 Mio blieb sie 2010 noch kurz darunter. Verkraftbar dürfte der Restverlust dennoch sein. Immerhin verminderte sich dadurch die ergebnisabhängige, bis 2011 befristete Abschlagzahlung an den Alteigentümer OIAG:  Statt stattlichen 165 Millionen EUR wurden gerade mal 5 Millionen fällig.

Hält die Dynamik, was sie verspricht? Nicht nur die Airline, auch die Konzernmutter steht nach wie vor zum eingeschlagenen Sanierungskurs, auch mangels tragfähiger Alternativen. Mayrhuber Nachfolger Christoph Franz zeigt im Herbst nicht nur Geduld, sondern sogar Verständnis, u.a. weil die Krisen gerade die AUA in ihren Kernmärkten unverhältnismäßig stark trafen, mitten in ihrer Restrukturierung. 

Industrieweit gilt ‚Austrian‘ als Top-Produkt, und das kann auf Dauer nicht nur Miese machen. So ist auch von 'Gesundschrumpfen' keine Rede mehr. Im Gegenteil: Die AUA soll, wie geplant, zurück auf einen 'gesunden' Wachstumskurs, mit der gesamten Mannschaft, betonte Albrecht kürzlich auf seiner Premiere vor der Presse. Unerwartet sogar mit Hilfe der Mutter. Die Rezeptur: Mehr Effizienz in der Produktion und den Netzstrukturen.

Nach dem Umbau des Regionalsegments, inklusive Abbau aller 50-Sitzer, kommt jetzt die (defizitäre) Mittelstrecke dran, auch sie muss deutlich produktiver werden. Der historisch bedingte Mix aus Airbus und Boeing-Fliegern soll noch dieses Jahr bereinigt, Crews und Technik auf reinen Airbusbetrieb umgestellt werden. Nach dem Austausch (Verkauf) aller Boeing 737 durch geleaste Airbusse (A319/320) wird die Flotte zwar bis zu 4 Maschinen kleiner sein, dafür aber öfters fliegen, ebenso die Crews.

Wachsen soll künftig vor allem die (profitable) Langstrecke, vorausgesetzt die AUA schafft den Turnaround. So ist für 2013/14 um bis zu 50 Prozent mehr Kapazität geplant. Während im eigenen Netz Europa den Interkont-Verkehr stärken soll, bemüht die Airline sich jetzt global um Star-Alliance Partner, die ihr Europanetz nutzen, ein durchaus kreativer Handel, vorausgesetzt er funktioniert auf beiden Seiten.

Kreativität erwartet sich Albrecht auch von den Personalvertretern bei der Aufarbeitung 'untragbarer' Altlasten, sowie von den großen Systempartnern am Standort, wie dem Flughafen Wien, der Austro Control und dem Gesetzgeber. "Wien ist zu teuer", beklagte kürzlich auch LH-Chef Franz. Ob der Standort ausgebaut werden kann, hänge ganz wesentlich auch von seinen Kosten ab. Erfreulich: Der qualitative Quantensprung mit dem neuen, milliardenteuren Skylink-Terminal.

Mit zunehmend düsteren Konjunkturaussichten muss die Airline nicht nur profitabel, sondern auch krisenfit werden, im Gleichschritt mit dem gesamten Konzern. Der verschlankte, auf Effizienz und Flexibilität getrimmte Flugbetrieb und ein ganzes Paket weiterer, tiefgreifender Strukturmaßnahmen soll bis 2014 Verbesserungen um 200 Millionen Euro bringen, und bis Jahresende 2012  ein zumindest ausgeglichenes Ergebnis.

Bleibt zu hoffen, dass dabei nicht nur die Mannschaft, Systempartner und Stakeholder, sondern angesichts absehbarer Turbulenzen auf den Finanzmärkten auch die Kunden mitmachen. Laut IATA könnten im Fall einer neuerlichen Wirtschaftskrise den Passagieren weltweit bis zu 8 Milliarden Dollar zum Reisen fehlen.
© Bob Gedat | Abb.: Ingo Lang | 17.01.2012 08:20


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