Begünstigt werden die Günstigflieger auch von den Rahmenbedingungen. Während geringe Treibstoffkosten bei allen Airlines für niedrigere Preise sorgen, belastet die teure Infrastruktur der Hubairports die Netzwerkflieger ungleich stärker - Umsteigen kostet Zeit und doppelte Gebühren.
Das Geschäft auf der Kurz und Mittelstrecke verlagert sich zunehmend auf den dezentralen Direktverkehr und damit in den Kernmarkt der Günstigflieger.
Dabei geraten vor allem regionale Netzwerkanbieter wie Austrian Airlines unter Druck. Die Lufthansa-Tochter verliert in ihrem traditionellen Transitmarkt Osteuropa zunehmend Geschäft an die preisgünstigeren Direktanbieter.
Ein Leistungsvergleich im Jahresverlauf (kumulativ für das erste Halbjahr 2016, gemessen am Vorjahr) zeigt deutlich die Dynamik dieser Entwicklung. Während die unabhängigen Lowcost-Airlines fast durchweg zweistellig zulegten, blieb das Wachstum der Allianzkonzerne moderat einstellig oder stagnierte, wenn auch auf hohem Niveau. Zuwächse gehen hier primär auf Konto der Günstigtöchter.
Spitzenreiter bei den unabhängigen Lowcost-Airlines blieb die schweizerisch-ungarische Wizz Air. Der Osteuropa-Spezialist legte bei den Passagieren um 20,5 Prozent zu, Ryanair um 16, Norwegian um 13 und Easyjet um 7,1 Prozent.
Auf Augenhöhe mit Wizzair & Co schaffen es bei den Konzernen nur deren Lowcost-Ableger. Die britisch-spanische IAG macht zum Passagierzuwachs ihrer Tochter Vueling zwar keine Angaben, meldete aber zum Juni einen um 18 Prozent gestiegenen Absatz (RPK).
Der Air France-KLM Lowcoster Transavia konnte seinen Absatz um 9,2 Prozent und die Zahl der Passagiere (auf niedrigem Niveau) um 19,1 Prozent steigern. In erster Linie gelang dies mit neuen Basen, wie der am Flughafen München.
Lufthansas Eurowings erreichte inklusive der Wiener Schwester bei den Passagieren einen Jahreszuwachs von 7,5 Prozent, dank neuer Langstrecken stieg ihr Absatz überproportional um 29,3 Prozent.
Konzernairlines in strategischem Dilemma
Bei den drei marktführenden Airline-Konzernen verbuchte nur die IAG ein signifikantes Passagewachstum. Im Jahresverlauf flogen mit der Gruppe 7,9 Prozent mehr Passagiere (20,8 inklusive Neuerwerb Aer Lingus). Dies dankt die Gruppe aber überwiegend ihrer Lowcost-Tochter Vueling. Beim Absatz legten die Mainlines British Airways um 2,4 Prozent zu, die spanische Iberia um 6,6 und der irische Hybridcarrier Aer Lingus um 9,3 Prozent.
Eher schwach verlief das Kerngeschäft bei Europas Nummer zwei, der Air France-KLM Gruppe. Im Jahresvergleich akkumulierten ihre Hubcarrier bei den Passagieren zusammen nur ein kleines Plus von 2,0 Prozent, beim Absatz 1,4 Prozent. Deutlich darunter blieb Air France/HOP. Ihre Leistung stagnierte bei minus 0,8 bzw. minus 0,7 Prozent. Geschäftstragend war mit plus 7,1 bzw. 4,5 Prozent einmal mehr die niederländische KLM. Inklusive der Lowcost-Tochter Transavia kam die Gruppe auf 3,9 respektive 1,9 Prozent.
Am schwächsten schnitt der Marktführer ab. In der Lufthansa-Gruppe blieb bei den Hubairlines sowohl das Aufkommen als auch der Absatz nur knapp stabil: Die Passage schrumpfte um 0,6 Prozent, der Absatz nahm leicht um 0,4 Punkte zu. Bei den Passagieren legte nur Austrian zu, um moderate 2,5 Prozent. Am Gesamtergebnis änderte auch das Günstig-Geschäft nicht viel. Inklusive Eurowings erreichte die Gruppe bei den Passagieren nur ein Miniplus von 0,6 Prozent, beim Absatz 2,2 Prozent (Lufthansa-Zahlen auf Basis Mai).
Für Lufthansa ist diese Entwicklung ziemlich alarmierend. Konzernlenker Carsten Spohr sieht akuten Handlungsbedarf, vor allem bei der neu aufgestellten Europa-Tochter. Immer lauter wird in Frankfurt über eine Konsolidierung der Eurowings mit Partnerairlines nachgedacht.
Ganz oben auf der Liste steht die Lufthansa-Beteiligung Brussels Airlines. Auch Condor und weitere Thomas-Cook Airlines sind im Gespräch. Vorerst aus dem Rennen ist hingegen die skandinavische SAS. Komplizierte Eigentümer- und Gewerkschaftsverhältnisse machen eine Übernahme derzeit nicht attraktiv. Lufthansa sei aber offen für eine Partnerschaft, etwa auf Franchisebasis.
Am Montag erklärte Spohr, eine Option sei auch eine Beteiligung an Eurowings durch einen Konkurrenten. Ziel sei eine Flottengröße von mindestens 250 Flugzeugen. Derzeit fliegen bei Eurowings erst 90 Maschinen. Dies entspricht einem Viertel der Flotte von Ryanair, Europas größter Lowcost-Airline. Entscheidend soll eine tragfähige Skalengröße sein.
Insgesamt fliegen die Legacy-Carrier vereint in ein strategisches Dilemma. Sie müssen zunehmend Verkehr an ihre Lowcost-Töchter ausgliedern und geraten dadurch auch in ihrem Kernmarkt unter Druck - mehr dezentrale Verbindungen schwächen den globalen Hubverkehr.
Verstärkt werden diese Effekte durch den wachsenden Konsolidierungsdruck im Europa-Geschäft. Strategische Partnerschaften werden das Geschäftsmodell der Mainlines gravierend verändern. Die Schwerpunkte sind absehbar: Legacy wird ihr Geld künftig über Joint Ventures vor allem auf der Langstrecke verdienen und nur über Beteiligungen auch im Europageschäft.
© Bob Gedat, aero.at | Abb.: Wizz Air | 08.07.2016 14:34
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