Italien hat nachgerechnet. Von 1974 bis 2014 schoss der Steuerzahler Alitalia die enorme Summe von 7,5 Milliarden Euro zu. Nun überweist die Regierung noch einmal 600 Millionen Euro Brückenkredit. "Eine Verstaatlichung ist ausgeschlossen", legt sich Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni fest.
Privates Kapital ist für Alitalia ebenfalls nicht in Sicht. Der Großaktionär Etihad Airways, der Alitalia seit 2014 bereitwillig finanzierte, geht auf Distanz.
"Wir haben alles getan, um Alitalia zu unterstützen (...), aber es liegt auf der Hand, dass diese Firma eine fundamentale und weitreichende Umstrukturierung braucht." In dem knappen Kommentar, den Noch-Etihad-Chef James Hogan zum drohenden Kollaps der Airline fand, schwingt einige Bitterkeit mit.
Der British-Airways-Konzern IAG wird für Alitalia ebenfalls kaum in die Bresche springen. Allein schon, weil Alitalia so gar nicht ins Beuteschema von Konzernchef Willie Walsh passt. Denn der kauft nur Airlines, mit denen der IAG-Verbund seine Marktmacht über dem Atlantik ausbauen kann.
Air France-KLM versenkte 323 Millionen Euro in Alitalia, hielt zwischenzeitlich 25 Prozent der Aktien. Inzwischen hat der Flugkonzern die Beteiligung auf Null abgeschrieben. Gerade kappte Air France-KLM Codeshare-Flüge und zog auch operativ einen Schlussstrich unter das Kapitel Alitalia.
IAG und Air France-KLM würden einen möglichen Zerfall von Alitalia eher von der Seitenlinie beobachten. Ryanair lauert hingegen auf das Vakuum, das Alitalia hinterließe. Schon heute bringen es die Iren in Italien auf stattliche 23 Prozent Marktanteil, Alitalia kontrolliert nur noch 18 Prozent des Flugmarkts.
Ryanair spekulierte auch in Deutschland auf einen unkontrollierten Kollaps von Air Berlin, doch dann kam Lufthansa der Airline in die Quere. Erlebt Ryanair-Chef Michael O`Leary in Italien ein Déjà-vu? Dafür könnten zwei gerade heiß diskutierte Szenarien sorgen:
1. Qatar Airways
Ziemlich unwahrscheinlich, aber der italienischen Wirtschaftspresse zumindest ein Gedankenexperiment wert: Qatar Airways, die gerade einen 49-Prozent-Einstieg bei der zweitgrößten italienischen Fluggesellschaft Meridiana in trockene Tücher bringt, nutzt die Beteiligung als Vehikel, um 100 Prozent von Alitalia zu übernehmen.
Bei einem Direkteinstieg müsste Qatar Airways als Nicht-EU-Airline nämlich wie Etihad Airways an der Haltelinie von 49 Prozent stoppen. Ob sich die streikfreudige Alitalia-Belegschaft allerdings ausgerechnet mit Qatar-Airways-Chef Akbar Al-Baker (und umgekehrt) anfreunden könnte ist fraglich.
2. Neugründung
Insider stachen eine ganz andere Option an die Zeitung "La Stampa" durch, der größere Chancen zugeschrieben werden: Lufthansa, Etihad Airways und die staatliche Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato erwägen demnach, Alitalia mit einem Schwerpunkt auf Langstrecken neu zu gründen.
Für das Geschäftsmodell "Soloflug" könnte Air Berlin Pate stehen. Diese Variante ist vielleicht tatsächlich die aussichtsreichste Perspektive für Alitalia, auch wenn der Airline in diesem Fall nicht viel eigener Flugbetrieb verbliebe.
Einen Alleingang in Italien schließt Lufthansa jedenfalls aus. Finanzvorstand Ulrik Svensson rang sich - auf bohrende Nachfrage von Analysten - die Klarstellung ab, Lufthansa sei "nicht da, um Alitalia zu kaufen".
Wirkliche Attraktivität scheinen derzeit nur Aktiva von Alitalia auszuüben, die im Falle einer Einstellung der einst stolzen Airline noch zu verteilen wären. Malaysia Airlines meldete bereits Interesse an bis zu acht Airbus A330 an, die Alitalia derzeit von mehreren Leasingfirmen angemietet hat.
© aero.de | Abb.: SkyTeam | 06.05.2017 10:02
Kommentare (0) Zur Startseite
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.