Korruptionsverdacht
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Masteralarm in der Airbus-Zentrale

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Airbus A350, © Airbus

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PARIS  - Die Ansage von Airbus-Chef Tom Enders an seine Mitarbeiter verrät, wie dramatisch die Situation ist. "Keep calm and carry on", schrieb er in einem Rundschreiben an die Beschäftigten des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns - ruhig bleiben und weitermachen. Eine britische Durchhalteparole aus Kriegszeiten.

Europas Flugzeugriese wird von schweren Turbulenzen erschüttert. Behörden ermitteln nach einer Selbstanzeige schon länger wegen Korruptionsverdachts. Enders ungewöhnlicher Brief machte nun die Dimension der Angelegenheit deutlich: Der Deutsche sprach von einer Krise und warnte vor der Möglichkeit "schwerwiegender Konsequenzen, einschließlich erheblicher Strafen für das Unternehmen".

Auch an der Börse war daraufhin am Montag Verunsicherung zu spüren. Die Airbus-Aktie stand am Nachmittag mehr als zwei Prozent im Minus. "Der Markt erwartet unserer Ansicht nach Strafen zwischen 0,5 und 1,0 Milliarde Euro, was plausibel erscheint", meinte ein Börsenhändler - bislang sind solche Zahlen aber reine Spekulation.

Berichte des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und des französischen Internetportals "Mediapart" hatten das Thema zurück ins Rampenlicht katapultiert. Gesprochen wird über zwei Themenblöcke: Zum einen die Umstände des Verkaufs von 15 Eurofighter-Kampfjets nach Österreich. Zum anderen Ermittlungen britischer und französischer Behörden wegen Korruptionsvorwürfen beim Geschäft mit Passagierflugzeugen.

Das britische Serious Fraud Office (SFO) ermittelt in diesem Zusammenhang seit vergangenem Jahr wegen des Verdachts auf Betrug, Bestechung und Korruption. Airbus hatte nach eigenen Angaben selbst "falsche Angaben und Auslassungen" in Anträgen auf Finanzierungshilfen für Airbus-Kunden entdeckt und bei den Behörden angezeigt. Es geht um die Zusammenarbeit mit externen Beratern. Zu Details äußert das Unternehmen sich weiterhin nicht.

Schon deutlich länger laufen die Untersuchungen zum Kampfjet-Geschäft mit Österreich. Airbus erklärt auf seiner Webseite, dass diese Ermittlungen in Wien und München nicht mit denen in Frankreich und Großbritannien zusammenhingen - und auch die Behörden haben bislang nicht von einer Verbindung gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft München prüft im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf seit 2012 Zahlungen an Firmen in Großbritannien. Sie geht nach früheren Angaben dem Verdacht nach, dass aus dem Konzern Geld in schwarze Kassen geflossen sein könnte, um daraus Schmiergeld zu zahlen. Es gebe aber "wenig Anhaltspunkte" für Bestechung, hatte die Behörde im Februar erklärt.

Wann die Ermittlungen abgeschlossen werden, ist noch unklar, die Behörde äußert sich derzeit auf Anfrage nicht dazu. "Airbus hat immer klar gesagt, dass es die Vorwürfe im Herzen dieses Falls als unbegründet ansieht", teilte das Unternehmen am Wochenende mit.

Auf österreichischer Seite hatte das Thema Anfang des Jahres durch heftige Vorwürfe und eine Strafanzeige der Regierung wegen Täuschung und Betrugs neuen Pfeffer bekommen. Es geht unter anderem um die damals vereinbarten Gegengeschäfte - also Geschäfte zugunsten der österreichischen Wirtschaft, die von der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH vermittelt werden sollten.

Airbus weist die Anschuldigungen aus Wien komplett zurück: "Diese Vorwürfe sind konstruiert und juristisch substanzlos", erklärte Airbus-Chefanwalt Peter Kleinschmidt kürzlich.

Als aus Airbus-Sicht deutlich heikleres Thema erscheinen daher die Korruptionsvorwürfe beim Geschäft mit Verkehrsflugzeugen. Enders verteidigte in seinem Brief die Selbstanzeige - "der einzige Weg im Einklang mit unseren Wertvorstellungen", wie er schreibt.

Spekuliert wird, dass diese grundsätzlich auch die Möglichkeit zu einer Einigung mit der SFO eröffnen könnte, einem sogenannten Deferred Prosecution Agreement, bei dem das Verfahren gegen Zahlung einer Strafe beigelegt werden könnte.

Klar ist aber, dass der europäische Riese (mit fast 67 Milliarden Euro Umsatz und 134.000 Mitarbeitern) an der Angelegenheit noch länger zu knabbern haben wird. Das könnte auch am Image kratzen - zu einem Zeitpunkt, wo der amerikanische Erzkonkurrent Boeing bei der Zahl der Flugzeugbestellungen in diesem Jahr bislang deutlich in Führung liegt.

"Mit Leaks und falschen Informationen"


Airbus setzt deshalb schon länger auf demonstratives Auskehren. So berät etwa der langjährige Bundesfinanzminister Theo Waigel das Unternehmen seit einigen Monaten bei der Kontrolle von Rechtsstandards. In Gewerkschaftskreisen ist bereits die Befürchtung zu hören, dass falls tatsächlich höhere Strafzahlungen fällig werden sollten, dies zulasten der Arbeitnehmer gehen könnte.

Das Unternehmen betont, dass der Verwaltungsrat sich noch vergangene Woche voll hinter Enders und Chef-Jurist John Harrison gestellt habe. Enders machte in seinem am vergangenen Freitag verschickten Brief aber auch klar, dass es noch ein langer Weg wird. Und hinter den Kulissen scheint es heftig zu rumoren. Darauf lässt jedenfalls Enders Satz schließen, es sei "mit Leaks, falschen Informationen und auch mit Versuchen Einzelner zur rechnen, im eigenen Interesse das Top-Management zu diskreditieren".
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 09.10.2017 18:09

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Beitrag vom 12.10.2017 - 17:52 Uhr
und da steigt der Phönix aus der Asche...
...es kommt auch genau der Spruch aus dem richtigen Munde:
.
Die Selbstanzeige bezeichnete Enders in dem Brief als richtige Entscheidung: "Dieses Vorgehen war richtig - und der einzige Weg im Einklang mit unseren Werten, Ethikstandards, Compliance-Regeln und gesetzlichen Verpflichtungen."
Airbus werde "aus dieser Krise als besseres, stärkeres und wettbewerbsfähigeres Unternehmen hervorgehen".
>

Damit ist ja dann wohl auch dem letzen klar, wer diese Steilvorlage jetzt zur Optimierung gegen wen ausnutzen wird und wer dann letztendlich die Zeche zahlen wird.
Da können die Belegschaft und Supplier richtig stolz sein, wie elegant man das hier wieder rüber bringt, dass die Shareholder mit einem gestärkten Unternehmen und besseren Renditen rechnen können. - Einfach nur gut, dass man sich als Anleger auf sein Top-Management so gut verlassen kann und jetzt das Stühlerücken und Optimieren in die nächste Runde gehen wird.
.
.
 http://www.aero.de/news-27675/Airbus-schliesst-die-Reihen.html
Beitrag vom 10.10.2017 - 16:45 Uhr
Eigentlich läuft das doch immer nach dem gleichen Muster ab, dass die „Krise“ zur „Optimierung der Mitarbeiterzahlen und der Geschäftsabläufe“ genutzt wird, damit man sich dann später hinstellen und sich wieder super gut darstellen kann: „Durch die Optimierung der Kostenstruktur ist unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessert und die Gewinne werden wieder sprudeln.“ (der Phönix aus der Asche – auf Kosten der Mitarbeiter, Aktionäre, Kunden.) - Die Zeche zahlen immer die anderen.
– Warum sollte sich diese erprobte Methode denn jetzt ändern? Das war und ist bei den Krisen von VW-Dieselgate, der Deutschen Bank, Siemens, Karstadt, etc. etc. nie anders gewesen, dass die Mitarbeiter und auch die Steuerzahler die Zeche zahlen, wenn dann die politischen Helferlein herbeispringen und auch die Strafen verhindern.
So lange hier keine Haftstrafen kommen und sich die verantwortlichen Personen immer herauswinden können, so lange gibt es keine heilende Wirkung, dass Manager ihre Gier überhaupt im Griff haben wollen, bzw. Firmen und Konzerne wirksame interne Strukturen zum Schutz vor solchen Managern aufbauen wollen.
Wäre das wirklich gleichermaßen existenzbedrohend für alle Manager und Führungskräfte wie für die kleinen Mitarbeiter/innen, dann wäre dies das erste Sicherheitssystem, was in einem solchen Konzern funktionieren würde. – So gut wie das Controlling der Mitarbeiter, der Supplier und der Fertigung!
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Und hinter den Kulissen scheint es heftig zu rumoren. Darauf lässt jedenfalls Enders Satz schließen, es sei "MIT LEAKS, FALSCHEN INFORMATIONEN UND AUCH MIT VERSUCHEN EINZELNER ZUR RECHNEN, IM EIGENEN INTERESSE DAS TOP-MANAGEMENT ZU DISKREDITIEREN“

Das klingt aber schon sehr nach einer Vorbereitung der Öffentlichkeit auf die nächsten Themen, wenn man hier so abwertend vor Whistleblowern (die das Top-Management diskreditieren) warnt und sich schon vor Angriffen und Themen schützen möchte, die öffentlich noch gar nicht bekannt sind.
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Dann dürfte das wohl noch nicht alles an Problemen sein, die dieses Management jetzt schon kennt und schon erwartet.
– da können sich die Mitarbeiter, Aktionäre und Risksharepartner sicher auf einige weitere Hiobsbotschaften einstellen:
BAE-Systems fängt beim Eurofighter schon mal an
 http://www.aero.de/news-27649/BAE-Systems-setzt-den-Rotstift-an.html


Dieser Beitrag wurde am 10.10.2017 16:49 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 10.10.2017 - 12:01 Uhr
Daher ist es eigentlich unlogisch das der kleine Mann kein entscheidendes Mitbestimmungsrecht in der Firma hat bezw. dieses einfordert und dem top Manager total undemokratisch unterlegen ist, bis zum Verderb.
Vielleicht sollten die Firmen wieder zu einem Teil auch den Mitarbeitern gehören?

Gerade bei Airbus ist beides der Fall - zumindest im Vergleich mit einigen anderen Unternehmen. Arbeitnehmervertreter sind in allen Aufsichtsräten vertreten (da gibt es mehrere aufgrund der Konzernstruktur), und ein für ein börsennotiertes Unternehmen recht hoher Anteil an Aktien befindet sich in Mitarbeiterbesitz (die aber natürlich als Einzelperson mit einem pro Nase recht kleinen Aktienpaket wenig Mitsprachegewicht besitzen).

Bei Airbus stellt sich also eher die Frage, ob die Mitarbeiter es schaffen, sich länderübergreifend zu organisieren - dann hätten sie schon einen ziemlich kräftigen Einfluss. Wenn sich aber wieder Deutsche gegen Franzosen ausspielen lassen, lässt sich dieser Einfluss natürlich auch durch eine Teile- und Herrsche-Strategie sehr gut begrenzen.


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