Neue Konsolidierungswelle
Älter als 7 Tage

Air Berlin ist erst der Anfang

BERLIN - Noch ist die Übernahme der Air Berlin durch den Lufthansa-Konzern nicht in trockenen Tüchern, da steht mit der Alitalia bereits die nächste europäische Airline vor der Zerschlagung. Am Montag will der staatlich bestellte Verwalter in Rom die Frist für verbindliche Angebote beenden.

Erneut steht Lufthansa dann auf der wohl recht kurzen Liste der Interessenten. Europas Luftverkehr wird derzeit rasend schnell und mit einigen Turbulenzen neu geordnet, wie auch das abrupte Ende der britischen Airline Monarch belegt.

Alitalia Boeing 777-200ER
Alitalia Boeing 777-200ER, © Alessandro Ambrosetti

Der Wirbel lässt Passagiere stranden, macht viele Flugtickets wertlos und könnte das Fliegen für die Kunden künftig teurer machen. Die Dimensionen der Störungen sind erheblich: Rund 200.000 Kunden der Air Berlin besitzen wertlose Tickets für den abgesagten Winterflugplan, die Monarch ließ mit ihrer finanziellen Bruchlandung rund 110.000 Passagiere stranden.

Und aus Pilotenmangel hat der einstige Pünktlichkeits-Primus Ryanair in diesen Monaten rund 20.000 Flüge mit mehr als 700.000 bereits gebuchten Passagieren abgesagt.

Der neue Eurowings-Chef und Lufthansa-Vorstand Thorsten Dirks hat eine Herkules-Aufgabe zu erledigen, denn in der Konstruktion steckt nach Ansicht des Beraters Gerald Wissel eine "Riesen-Komplexität". Der frühere Telekommunikationsmanager Dirks muss mehr als 80 Flugzeuge in die Flotte eingliedern, 3.000 neue Mitarbeiter einstellen und die unterschiedlichsten Fluggesellschaften unter einem Dach kostengünstig organisieren.

Eurowings Airbus A320-214
Eurowings Airbus A320-214, © Michael Lassbacher

Der Kunde soll möglichst nicht merken, ob er nun mit der Teilgesellschaft Germanwings, der deutsch-türkischen SunExpress, der in Wien beheimateten Eurowings Europe oder einer bisherigen Air-Berlin-Maschine unterwegs ist.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist davon überzeugt, dass die Konsolidierung der Branche in Europa weitergeht und will bei den großen Deals dabei sein. Dem "Handelsblatt" sagte er: "Es gibt drei starke Anbieter in China, den USA und vom Persischen Golf. Wir brauchen auch drei starke Europäer."

Von einer Marktdominanz könne bei Lufthansa mit einem Weltmarktanteil von 3 Prozent und 14 Prozent in Europa keine Rede sein. Vom Umsatz und Passagierzahl hat sie die Air France/KLM sowie die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG aber bereits hinter sich gelassen.

Übernahmen und Zusammenschlüsse sind in der Luftfahrtbranche aber schwierig, sobald sie über Grenzen hinweggehen. So dürfen ausländische Investoren maximal 24,9 Prozent an einer US-amerikanischen Airline übernehmen. Innerhalb der EU gilt: Sobald eine Airline nicht mehr mehrheitlich im Eigentum von EU-Investoren ist, verliert sie ihre Flugrechte.

Deshalb hatte Etihad an Air Berlin und Alitalia immer nur große Minderheitsanteile gehalten und weiteres Geld auf anderen Wegen zugeschossen. Im Fall der Monarch dürften zudem die Unsicherheiten rund um den Brexit eine grenzüberschreitende Lösung erschweren.

SAS Airbus A320neo
SAS Airbus A320neo, © Airbus

Übernahmekandidaten gibt es noch genug: Die polnische LOT wie die skandinavische SAS hatten sich in der Vergangenheit immer mal wieder vergeblich angedient. Nur wenige Airlines wie die ungarische Malev sind bislang ganz vom Markt verschwunden.

Die Alitalia könnte eine Gelegenheit sein, wenn sich der Staat auf eine Lösung nach Air-Berlin-Muster einlässt und entschuldete Teileinheiten samt der Flugrechte verkauft. Als Ganzes gilt Alitalia als unsanierbar.

Der von den Billigfliegern Ryanair und Easyjet entfachte Wettbewerb hat die Marktanteile im Europaverkehr kräftig durcheinandergewirbelt. Lange hatten Lufthansa, Air France & Co. die Billigkonkurrenz unterschätzt. Doch während Air Berlin, Monarch und Alitalia vom Verschwinden bedroht sind, tauchen die früheren Staats-Airlines mit immer neuen Marken an Europas Flughäfen auf - und satteln dabei auch schon mal um.

So wechselte die Lufthansa bei ihrer Billigmarke von Germanwings auf Eurowings, weil das das Management dort deutlich niedrige Pilotengehälter durchsetzen konnte.

Level Airbus A330-200
Level Airbus A330-200, © Level

Air France/KLM startete mit ihrer Billigmarke Transavia, auf Regionalstrecken tritt sie seit 2013 unter dem Namen Hop! auf. Ab Dezember geht die neue Konzerntochter Joon an den Start, ab 2018 soll sie wie Eurowings auch Langstreckenflüge anbieten.

Und die IAG hat für das Projekt Billig-Langstrecke die Tochter Level in Barcelona gegründet - obwohl IAG mit Vueling längst eine große Billigmarke am Start hat. Die vielen verschiedenen Logos auf den Heckflossen gaukeln an den Flughäfen dadurch eine größere Anbieter-Vielfalt vor, als es sie eigentlich gibt.

Derweil müssen die staatlich gepäppelten Airlines vom Persischen Golf ihr Geschäft neu sortieren - und lecken ihre Wunden. Lange hatten Emirates, Etihad und Qatar Airways den europäischen Airlines mit günstigen Tickets und viel Luxus Kunden abgejagt. Jetzt haben sie selbst zu kämpfen.

Neue Regeln für Passagiere auf USA-Flügen ließen die Buchungen einbrechen, und die Sanktionen gegen das Emirat Katar brocken Qatar Airlines noch immer lange Umwege ein. Etihad hat als Geldgeberin von Air Berlin und Alitalia Milliarden versenkt - und wichtige Zubringer zu ihrem Drehkreuz Abu Dhabi verloren.

Diese Woche bot Emirates-Chef Tim Clark Etihad per Interview eine Kooperation an. Dabei hatte Etihad erst jüngst mit Lufthansa angebandelt.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Etihad Airways | 14.10.2017 11:25

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Beitrag vom 16.10.2017 - 20:01 Uhr

lieber b757767
endlich mal ein leserbeitrag dem man zu 100% absolut
zustimmen kann!!!


+1


Ebenfalls absolute Zustimmung! In meiner Jugendzeit ging die LTU mit dem Slogan in den Markt "Fliegen ist für alle da" (irgendwann verschwand sie ja von demselbigen ...). Darüber kann man sich in der Tat trefflich streiten, und wer nicht willens & in der Lage ist, Preise zu zahlen, die kostendeckend sind, sollte sich nach meiner bescheidenen Ansicht ein anderes Verkehrsmittel suchen. Eigentlich wäre "gesundschrumpfen" für den Luftverkehr eine sehr gute Sache, auch die Umwelt würde sehr danken. Wenn nur der böse "Umsatz" (resultierend aus menschlicher Gier) nicht wäre ... Ich persönlich würde höhere Preise bei dann weniger Massenabfertigung durchaus akzeptieren (lieber wieder mehr Klasse als Masse).
Beitrag vom 15.10.2017 - 23:37 Uhr

lieber b757767
endlich mal ein leserbeitrag dem man zu 100% absolut
zustimmen kann!!!


+1
Beitrag vom 15.10.2017 - 20:47 Uhr
Liebe Aero, immer schön betonen, dass das Fliegen dann teurer wird. Was sagt das aus ?

1. wären 1 Euro p Ticket schlimm, oder erst ab 2o Euro ?
2. natürlich wird es teurer, weil es ja vorher nicht kostendeckend war. Sonst würden die Airlines ja nicht verschwinden, also was soll das "Gejammer" ?

3. Es gibt kein Anrecht auf billiges fliegen. Wenn nun ein paar Leute zu Hause blieben ( weil es nun nicht mehr für 10 Euro p Flug geht ) , aber die Angestellten der Airlines "sozialverträglich" verdienen, wäre das der Weltuntergang ?

4. Buchen Sie nach der Konsolidierung mal ein "billigstes Ticket " in den USA und Kanada. Sie würden sich wundern, um wie viel das Fliegen in EU durch MOL und Easyjet immer noch billiger ist und bleibt. Sogenannte Billigairlines "drüben" wie Southwest und Westjet sind nämlich garnicht so billig und nur so funktioniert der Markt.

Am Ende muss ( fast ) jede Airline den größten Kostenfaktor Kerosin bezahlen....Und das geht nicht mit 9,99 Euro nach Malle.

Also JA BITTE, die Ticketpreise müssen wieder auf ein Normalmaß RAUF ! Wenn Fliegen weniger kostet als mit dem Zug zu fahren, kann was nicht stimmen. Und trotz der m M nach hohen Preise b der DB fahren Millionen täglich auch Langstrecken mit dem Zug.

lieber b757767
endlich mal ein leserbeitrag dem man zu 100% absolut
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