Doppel-Abgang
Älter als 7 Tage

Airbus zieht die Reißleine

TOULOUSE - Nach wochenlangen Personalspekulationen und Gezerre hinter den Kulissen leitet Airbus einen umfassenden Führungswechsel ein. Der gestaffelte Doppel-Abgang des deutschen Konzernchefs Tom Enders und des französischen Verkehrsflugzeug-Chefs Fabrice Brégier lässt viel Raum für Interpretation.

Medien hatten von einem Machtkampf der beiden Topmanager gesprochen. Hintergrund der derzeitigen Turbulenzen sind Korruptionsermittlungen, die zu hohen Geldstrafen für Airbus führen könnten. "Der Konzern steht vor einer dreifachen Krise, ethisch, strategisch und beim Management", schrieb die Zeitung "Le Monde".

Tom Enders
Tom Enders, © Airbus

Wie sehr es rumorte, lässt sich an einem Satz ablesen, mit dem Enders kürzlich auf wachsenden Druck reagierte: "Die Entscheidung über meine Zukunft als CEO von Airbus wird nicht von der französischen Presse oder der französischen Regierung oder irgendeiner Regierung getroffen", sagte der 58-Jährige.

Während sein Abschied 2019 nun wie ein regulärer Wechsel zum Vertragsende aussehen könnte, erscheint der kurzfristige Ausstieg Brégiers als der heftigere Einschnitt. Er wird laut der Entscheidung des Verwaltungsrats im Februar sein Amt niederlegen. Spätestens, seit der Franzose zur Nummer zwei des Konzerns mit 134.000 Mitarbeitern aufstieg, galt er als Kronprinz und möglicher Nachfolger von Enders.

Noch am Donnerstag hatte er in einem Interview angedeutet, dass er den "Top-Job" nicht ablehnen würde, wenn man ihn denn frage. Doch dann kam alles anders, Brégier wird nun im Februar zurücktreten. "Ich verstehe Fabrices Entscheidung und hätte genauso gehandelt", sagte Enders laut Mitteilung. "In den vergangenen zehn Jahren haben wir beide Vieles gemeinsam erreicht."

Ob sich der bisherige Hubschrauber-Chef Guillaume Faury als Nachfolger Brégiers im Verkehrsflugzeug-Geschäft auch für den Posten an der Konzernspitze warmlaufen soll, ist Spekulation. Offiziell sucht Airbus intern und extern nach Kandidaten für den Chefposten.

Fabrice Brégier und John Leahy
Fabrice Brégier und John Leahy, © Airbus

Die üblicherweise gut informierte Enthüllungszeitung "Le Canard Enchaîné" hatte Anfang November kolportiert, der französische Präsident Emmanuel Macron wolle einen Landsmann an die Spitze bringen. Und das "Handelsblatt" hatte berichtet, Macron wolle wieder mehr Staatseinfluss im Airbus-Verwaltungsrat durchsetzen - etwas, wogegen Enders sich stets gewehrt hatte.

Airbus bleibt ein politisch heikles Thema, Deutschland und Frankreich halten jeweils 11,1 Prozent der Anteile.

Wer wird die neue Nummer 1?


In französischen Medien werden der frühere Chef von Air France-KLM, Alexandre de Juniac, und Thales-Chef Patrice Caine als mögliche Kandidaten für die Enders-Nachfolge gehandelt. De Juniac führt derzeit den internationalen Airline-Verband IATA. Doch eine französische Doppelspitze dürfte in Deutschland für Unmut sorgen. Für die Veränderungen habe man eine Menge Zeit, hatte Airbus-Verwaltungsratschef Denis Ranque jüngst gesagt.

Alexandre de Juniac
Alexandre de Juniac, © IATA

Eine weitere Frage ist nun, wo Airbus im Hinblick auf den Korruptionsverdacht nach den 16 Monaten steht, die Enders noch an der Spitze bleibt. Die Vorwürfe betreffen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit externen Beratern im Verkehrsflugzeug-Geschäft.

Falls es dem Deutschen noch gelänge, Deals mit der britischen Anti-Korruptionsbehörde SFO und der französischen Finanzstaatsanwaltschaft auszuhandeln, um die Untersuchungen gegen Zahlen einer Geldbuße einzustellen, könnte ein Nachfolger neuen Aufbruch verkörpern. Das wäre ein Erfolg für Enders' Strategie, das Thema per Selbstanzeige offensiv anzugehen.

Denn dem Unternehmen an sich geht es grundsätzlich gut, auch wenn der Ärger mit dem Militärtransporter A400M anhält. Im zentralen Verkehrsflugzeugbereich sichert der Auftragsbestand die Produktion für viele Jahre. Allerdings hatte Airbus kürzlich auch gegenüber US-Behörden "Ungenauigkeiten bei Anträgen" im internationalen Rüstungsgeschäft eingeräumt - ein weiterer Unsicherheitsfaktor.

Der Abgang von Enders und Brégier dürfte jedenfalls Teil eines viel weiter reichenden Generationswechsels im Konzern werden. Erst vor drei Jahren hatte Airbus mit Tom Williams und Didier Evrard zwei Manager in höhere Positionen befördert, die schon damals die Marke von 60 Jahren überschritten hatten - und jetzt auf die Rente zusteuern.

Der 65-jährige Williams leitet seither die Verkehrsflugzeug-Produktion. Evrard (64) ist als Programmchef Herr über alle Verkehrsflugzeug-Typen.

Bereits geregelt hat Airbus die Nachfolge von Verkaufschef John Leahy. Der 67-Jährige übergibt seine Aufgabe 2018 an Eric Schulz (54) vom Triebwerksbauer Rolls-Royce. Leahy, der fast ein Vierteljahrhundert lang für den Vertrieb verantwortlich war und seinen Abschied immer weiter hinauszögerte, hat in seiner Karriere Flugzeuge im Wert von mehr als einer Billion US-Dollar verkauft.

Er gilt als Initiator des modernisierten Mittelstreckenjets A320neo - des größten Verkaufsschlagers in der Airbus-Geschichte. Sein eiserner Glaube an den Riesenflieger A380 wurde jedoch schon lange nicht mehr mit Aufträgen belohnt. Ob die A380 noch eine lange Zukunft hat, wird auch von den Überzeugungskünsten des neuen Verkaufschefs Schulz abhängen.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 15.12.2017 15:09

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Beitrag vom 17.12.2017 - 15:01 Uhr

Die Tendenz geht scheinbar in Richtung einer komplett französischen Führung, was für die deutschen Standorte nichts Gutes heißen kann. Da man bereits die A320-Kabine ebenfalls nach Frankreich geholt hat, können nach 2020 (Beschäftigungssicherheit läuft aus) in Finkenwerder und andernorts ganz fix die Lichter ausgehen.
Da die Franzosen clever sind, kann mman davon ausgehen, dass die Nachfolge schneller geregelt ist, als dass wir überhaupt eine Regierung habenm die sich mit anderen Dingen beschäftigen kann, als mit sich selbst.

Sorry, aber das ist wieder nur die halbe Sachlage, welche sie für eine völlig verquerte Schlussfolgerung nehmen.

Hamburg hat die A320 Kabinenausstattung für die in Toulouse montierten A320 abgegegeben, nicht ide gesagte A320 Kabinenausstattung. Damit entfallen die Überführungsflüge.

Als Ausgleich hat Hamburg die vierte A320 Endlinie bekommen, wovon TLS nur eine, jetzt komplette inkl Kabinenausstattung, besitzt. Airbus in HH hat also 150 Arbeitsplätze abgegeben und 600 Arbeitsplätze dazubekommen.

Die Beschäftigungssicherung gilt im Übrigen bis 2022 und nicht 2020.

Bei gut 5500 offenen A320Fam Bestellungen wird Airbus sicher nicht einen einzigen Standort schließen.

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Beitrag vom 16.12.2017 - 18:01 Uhr
Großes Beben in der europäischen Luftfahrtindustrie und noch kein Kommentar?

Zunächst wurde ja intern gemunkelt, dass Breger gegen Enders intrigiert und nun müssen beide ihren Hut nehmen.
Welches Feigenblatt legt man sich wohl nach dem diesmaligen Skandal an? Nach der A380-Insider-Affäre hat man eigentlich schon alle verbraucht, so dass diesmal wirklich Köpfe rollen, bzw. Gefängniszellen prominente Bewohner erwarten sollten.

Die Tendenz geht scheinbar in Richtung einer komplett französischen Führung, was für die deutschen Standorte nichts Gutes heißen kann. Da man bereits die A320-Kabine ebenfalls nach Frankreich geholt hat, können nach 2020 (Beschäftigungssicherheit läuft aus) in Finkenwerder und andernorts ganz fix die Lichter ausgehen.
Da die Franzosen clever sind, kann mman davon ausgehen, dass die Nachfolge schneller geregelt ist, als dass wir überhaupt eine Regierung habenm die sich mit anderen Dingen beschäftigen kann, als mit sich selbst.



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