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Eine chinesische Lösung für Virgin Australia

SYDNEY - Bisweilen arbeiten Airlines nicht nach den Regeln einer modernen High-Tech-Industrie sondern verfallen in mittelalterliche Denkmuster. Sie balgen sich um Pfründe an den großen Drehkreuzen, suchen Vormacht auf internationalen Handelsrouten und paktieren in arrangierten Hochzeiten.

Virgin Australia ist hierfür das beste Beispiel. Unter ihrem Vorstandschef John Borghetti betrieb die junge Airline über Jahre Heiratspolitik mit dem Kalkül einer Habsburger-Prinzessin.

Virgin Australia gab zwar Aktien aus, doch nur 14 Prozent der Papiere zirkulieren im freien Handel. Eigentlich ist Virgin Australia ein Gemeinschaftsunternehmen der Virgin Group, Ethiad Airways, Air New Zealand und Singapore Airlines! Die vier verbindet der gemeinsame Gegner Qantas.

Bis vor einigen Jahren funktionierte ihr Angriff auf den australischen Markt mit Virgin Australia so gut, dass Qantas eine finstere Verschwörung witterte. Virgin Australia nehme bewusst Verluste in Kauf, um Qantas in den Ruin zu treiben, argwöhnte Qantas-Chef Alan Joyce. Die Zeiten haben sich geändert.

Virgin Australia Boeing 777-300ER
Virgin Australia Boeing 777-300ER, © world-of-aviation.de Björn Schmitt Aviation Photography

Auch mit viel Geld konnte Virgin Australia die Vormachtstellung von Qantas im australischen Inlandsverkehr nicht brechen. Für das erste Halbjahr 2015/2016 meldete Qantas im Februar einen Rekordgewinn von 688 Millionen australischen Dollar. Virgin Australia legte einen Verlust von 46 Millionen australischen Dollar vor und wurde von Anlegern prompt abgestraft.

Nun halten es Airlines oft erstaunlich lange in den roten Zahlen aus, aber auch für sie gibt es beim Geldverbrennen Grenzen. Im März kündigte Virgin Australia eine "Überprüfung ihrer Kapitalstrukturen" an, deren erster Schritt darin bestand, die vier großen Anteilseigner um 425 Millionen australische Dollar, umgerechnet sind das gute 290 Millionen Euro, anzupumpen.

Für Air New Zealand war der Bogen damit endgültig überspannt. Neun Tage nach Bekanntgabe des Kredits erklärte ANZ-Chef Christopher Luxon sein Ausscheiden aus dem Kontrollgremium von Virgin Australia und stellte die Beteiligung zum Verkauf.

Luxons unerwarteter Rückzug bringt jetzt das fragile Gleichgewicht der Kräfte bei Virgin Australia ins Wanken. Denn Singapore Airlines und Etihad Airways sind abseits ihrer australischen Zweckehe keine Partner, sondern Konkurrenten. Am Ende des Tages will jeder möglichst viele Passagiere von Virgin Australia in eigene Flieger lenken.

Auf der "Känguru-Route" - dem Verkehr zwischen Europa und Australien - liefern sich die Drehkreuze Singapur und Abu Dhabi erbitterten Wettbewerb. Sollte Singapore Airlines nun den Anteil von Air New Zealand ablösen, hätte Etihad mit Sicherheit etwas dagegen - schließlich soll Virgin nicht öfter nach Singapur fliegen.

Eine mögliche, neue Eignerstruktur wäre 45-45-10. Etihad Airways und Singapore Airlines könnten sich das Unternehmen weitgehend teilen. Markengeber Virgin würde an seinen heutigen zehn Prozent festhalten, müsste im Gesellschafterkreis aber öfter die undankbare Schlichterrolle einnehmen.

China Southern

Vorteilhafter wäre es da, wieder eine vierte Airline an Bord zu holen. Es ist in der Branche kein allzu großes Geheimnis, dass Etihad Airways die enge Allianz ihres Nachbarn Emirates mit Qantas ziemlich missfällt. Ideal wäre folglich ein neuer Partner mit Interesse an Australien und einer gesunden Rivalität zu Emirates.

China Southern Airlines Boeing 787 Dreamliner
China Southern Airlines Boeing 787 Dreamliner, © Ingo Lang

Kriterien, die gut auf China Southern passen. Unter allen chinesischen Airlines verfolgt China Southern die ambitioniertesten internationalen Wachstumspläne. Seitdem China Eastern mit Qantas gemeinsame Sache macht, braucht China Southern einen eigenen Zugang in das bei chinesischen Touristen zunehmend beliebte Australien.

Vielleicht ist Virgin Australia mit ihrer komplizierten Eignerstruktur und den hohen Verlusten nicht gerade der attraktivste Partner dafür. Aber, wie Kardinal Wolsey schon vor 500 Jahren feststellte, geht es bei solchen Hochzeiten weder um Liebe noch ums liebe Geld. Das große Ganze ist alles was zählt.
© Bloomberg News - Gadfly, Übersetzung: aero.de | Abb.: world-of-aviation.de, Björn Schmitt Aviation Photography | 15.04.2016 13:59


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