EuGH stärkt Fluggastrechte
Älter als 7 Tage

Entschädigungen auch bei "wilden" Streiks

Start einer Boeing 737-800 von Tuifly
Start einer Boeing 737-800 von Tuifly, © Tuifly

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LUXEMBURG - Flugpassagiere können nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs EuGH auch bei Behinderungen durch wilde Streiks auf Entschädigungen hoffen. Der Richterspruch könnte für Airlines in Deutschland erhebliche Auswirkungen haben.

Wenn es wegen tarifrechtlich unerlaubter Arbeitsniederlegungen zu Flugausfällen oder gravierenden Verspätungen komme, seien Airlines nicht automatisch von ihrer Entschädigungspflicht befreit, urteilten die Luxemburger Richter am Dienstag. Vielmehr müsse von Fall zu Fall entschieden werden.

Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist der wilde Streik von Tuifly-Mitarbeitern im Herbst 2016, nachdem zuvor Umstrukturierungen im Konzern angekündigt worden waren. Wegen massenhafter Krankmeldungen der Besatzungen musste Tuifly den Betrieb Anfang Oktober vorübergehend fast komplett einstellen.

Mehr als 100 Flüge wurden gestrichen, Tausende Reisende saßen fest. Betroffene klagen seitdem vor deutschen Gerichten auf Ausgleichszahlungen. Ihre Chancen dürften sich nun deutlich verbessert haben.

Die EuGH-Richter begründeten das Urteil nun damit, dass Fluglinien nur unter "außergewöhnlichen Umständen" von der gesetzlich vorgesehenen Erstattungspflicht befreit werden könnten. Dafür seinen zwei Voraussetzungen nötig: Zum einen dürfe das Ereignis, das zu den Behinderungen führte, nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein. Zum anderen dürfe es von der Airline nicht beherrschbar sein.

Mit Blick auf die Ereignisse bei Tuifly 2016 sei dies nicht der Fall, befanden die Richter. Das Unternehmen habe überraschend Umstrukturierungen angekündigt, was zur normalen Firmentätigkeit gehöre. Konflikte mit den Mitarbeitern seien dabei nicht ungewöhnlich. Die Situation im Herbst 2016 sei daher nicht als "außergewöhnlicher Umstand" zu werten.

Außerdem sei der wilde Streik für Tuifly nicht unbeherrschbar gewesen - er endete demnach nach einer Einigung zwischen dem Konzern und dem Betriebsrat einige Tage später.

"Fluglinien versuchen leider immer wieder, sich vor den gesetzlich festgeschriebenen Zahlungen zu drücken", sagte die SPD-Europaabgeordnete Gabriele Preuß. "Mit seinem heutigen Urteil macht der EuGH klar: Bei der Fluggastentschädigung gibt es keine Ausreden."

Tuifly reagierte hingegen enttäuscht. "Wir respektieren die Auffassung des Gerichtes", sagte ein Tuifly-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. "Dennoch bleiben wir bei unserer Auffassung, dass man sich auf solche wilden Streiks nicht ausreichend vorbereiten kann." Mit Blick auf die ausstehenden Verfahren in Deutschland sagte er: "Wir werden in jedem Einzelfall jetzt darlegen, welche Vorbereitungen wir getroffen haben."
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: TUIfly | 17.04.2018 16:38

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Beitrag vom 18.04.2018 - 08:46 Uhr
Und einen Sturm können Airlines auch verhindern, indem sie bspw. paar Flieger hinstellen, die in Gegenrichtung pusten. Ironie aus.
Beitrag vom 18.04.2018 - 00:21 Uhr
Sogar als Gewerkschaftler finde ich dies ein absolut weltfremdes Urteil. Ein Streik, zumal ein wilder Streik, ist nicht etwas vermeidbares worauf man sich mittels guter Planung usw als Airline vorbereiten kann.
Natürlich bin ich als Gewerkschaftler froh, wenn der Arbeitgeber mehr entgegenkommen zeigt. Aber hier fragt sich mittlerweile, welche Probleme noch als "force majeur" gelten, wenn nicht mal ein Streik.


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