Frauen in der Luftfahrt
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Alia Twal: Von der Löwenbändigerin zur Pilotin

AMMAN - Alia Twal ist eine von insgesamt 25 Verkehrspilotinnen in Jordanien. Zugleich ist sie Vorsitzende der arabischen Sektion der 99s - des Pilotinnenverbands, den Amelia Earhart in den 1930ern ins Leben gerufen hat. Für unsere aero.de-Serie "Frauen in der Luftfahrt" erzählt Alia Twal ihre ungewöhnliche Geschichte.

aero.de: Frau Twal, Sie sind Pilotin in Jordanien. Wie sind Sie denn darauf gekommen?

Alia Twal: Ich hatte schon als Kind immer wilde Berufswünsche. Zuerst wollte ich als Löwenbändigerin in einem russischen Zirkus anheuern. Dann wollte ich Astronautin werden. Ich wollte nie Ärztin oder Ingenieurin sein – nicht, dass daran etwas falsch wäre – aber ich hatte immer extreme Träume.

Alia Twal
Alia Twal, © Privat
 
Allerdings wusste ich bis ich 16 Jahre alt war nicht, dass Frauen in Jordanien Pilotin werden konnten. Damals lernte ich Hotelmanagement, weil meine Familie ein Hotel betreibt. Als ich die Kurse für das kommende Schuljahr durchsah entdeckte ich einen über Luft- und Raumfahrt. Den habe ich natürlich sofort belegt. 

Da stand dann dieser Kapitän vor mir, hat von einer Karriere in der Luftfahrt erzählt und uns ermutigt, immer das zu tun, was wir wirklich wollten. Da war für mich klar, dass ich Pilotin werden würde. Das habe ich dann auch gleich meinen Eltern erzählt. 

aero.de: Wie haben sie reagiert?

Twal: Sie haben gesagt, dass das nicht passieren wird. 

aero.de: Aber Sie sind hartnäckig geblieben.

Twal: Ich habe darauf bestanden und mein Großvater hat mich dabei unterstützt. Er hat mir gesagt: "Wenn du die Schule abschließt, schicke ich dich zum Studieren, egal wohin." Ich war nie besonders gut in der Schule und habe nie viel gelernt. Aber ab dem Moment habe ich mich reingehängt und als Zweitbeste meines Jahrgangs in Jordanien abgeschlossen. 

Ich hätte Stipendien in Belgien, Jordanien und anderen Ländern bekommen, habe sie aber alle abgelehnt. Ich habe meiner Familie gesagt, dass ich nichts anderes werden würde als Pilotin. Ich denke, da haben sie eingesehen, dass ich es ernst meine. 

aero.de: Die erste Herausforderung bestand darin, Ihre Familie zu überzeugen. Wie lief die Pilotenausbildung für Sie als Frau in Jordanien?

Twal: Ich denke, dass ich in meiner Generation großes Glück hatte. Denn die Pilotinnen vor mir haben einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Klar war es eine Herausforderung, dass die Gesellschaft eine Frau als Pilotin akzeptiert. Die Leute dachten, dass ich nie einen Partner finden würde, weil ich immer fliegen müsste und so einen anstrengenden Job habe.

Ich denke, dass der Nahe Osten sich im Wandel befindet. Denn die Frauen vor uns haben einen sehr guten Standard gesetzt, ein gutes Image von Pilotinnen etabliert. Deswegen würde ich sagen, dass es heutzutage nicht mehr sehr schwer ist, Pilotin zu werden. 

Aber ich bin sehr stolz darauf, Pilotin zu sein. Die Herausforderung bestand für mich darin, einen guten Job zu kriegen und ihn so gut wie meine Kolleginnen und Kollegen zu machen. Ich hatte das gleiche Training wie meine männlichen Kollegen, es gibt für mich als Frau keine Sonderbehandlung oder besondere Flüge. Das ist fair. 

aero.de: 2012 waren Sie die achte Pilotin bei Royal Jordanian Airlines, die fünfte aktive. Wie sieht es heute aus – haben Sie viele Pilotenkolleginnen?

Twal: Ja, von 300 Piloten bei Royal Jordanian Airlines sind neun Frauen. 

aero.de: Das ist nicht besonders viel.

Twal: Nein, das ist nicht allzu viel. Wissen Sie, von den Frauen, die in Jordanien eine Pilotenausbildung gemacht haben, haben manche geheiratet oder sie haben sich für einen anderen Job entschieden. Insgesamt gibt es deswegen in Jordanien nicht mehr als 25 Pilotinnen.

aero.de: Was denken Sie – wie könnten Frauen in Jordanien und anderen arabischen Ländern dazu ermutigt werden, Pilotin zu werden?

Twal: Indem wir der jüngeren Generation die Möglichkeit aufzeigen, ihr zeigen, dass es nicht unmöglich ist, dass wir alle Herausforderungen gemeistert haben und dass jede vor anderen Herausforderungen stand. Die Generation vor mir war die erste Frauengeneration in der Luftfahrt, sie hatten mehr Schwierigkeiten. Für mich und meine Familie war die Herausforderung eher finanzieller Art.

Alia Twal
Alia Twal, © Privat
 
Ich kann die jüngere Generation ermutigen, wenn sie sieht, dass wir trotz der Herausforderungen erfolgreich in unserem Job und im Nahen Osten sind. 

aero.de: Was tun Sie in Ihrer Funktion als Leiterin der arabischen Sektion der 99s, um Frauen ins Cockpit zu helfen?

Twal: Die 99s haben eine Vereinbarung mit der Airways Aviation Academy, die es in Spanien, dem Vereinigten Königrein, Australien und Montenegro gibt. Wir gewähren unseren Mitgliedern einen Sonderrabatt. Wir stellen ihnen für ihre Ausbildungszeit und darüber hinaus Mentorinnen zur Seite. Wir unterstützen sie und versuchen, ihnen bei der Überwindung der Schwierigkeiten zu helfen.

Außerdem haben wir innerhalb der 99s ein Stipendienprogramm, sowohl insgesamt als auch eines von der arabischen Sektion. Zuletzt haben vier unserer Mitglieder einen Job bei Airlines bekommen, die wir zuvor mit Simulator-Stunden, Unterrichtsbüchern und weiterer Hilfe unterstützt haben. Wir helfen ihnen, bis sie auf eigenen Beinen stehen. 

aero.de: Denken Sie, dass der weltweite Mangel an Piloten Frauen helfen wird, sich einen Platz im Cockpit zu erobern?

Twal: Ja, das denke ich. Warum? Weil es auch Frauen ermutigen könnte, die bisher Angst hatten, nach der Ausbildung keinen Job zu finden. Ich denke, dass der weltweite Pilotenmangel Frauen anziehen wird, die für die Luftfahrt brennen und dass er ihnen in der Zukunft mehr Chancen eröffnen wird.

aero.de: Welche Botschaft haben Sie in diesem Zusammenhang an arabische Airlines?

Twal: Ich denke, dass Frauen von Natur aus sehr organisiert sind, sie geben viel, widmen sich einer Sache und tun die Dinge von Herzen. Es lohnt sich, Frauen mehr Macht in Management-Positionen und in Trainerpositionen zu geben, in sie zu investieren. Denn es kommt immer viel zurück.

aero.de: Was sagen Sie anderen Frauen, die in Jordanien oder anderen arabischen Ländern Pilotin werden wollen?


Twal: Wenn du Pilotin werden willst, werde Pilotin. Und sei eine gute.

aero.de: Frau Twal, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Weltweit sind im Jahr 2018 nach Zahlen der ICAO nur etwa sieben Prozent der Beschäftigten in der Luftfahrt Frauen. Der Boom dieser Branche birgt das Potenzial, dieses Ungleichgewicht auszutarieren. In unserer aero.de-Serie "Frauen in der Luftfahrt" stellen wir Ihnen einflussreiche und außergewöhnliche Frauen der aktuellen Luftfahrt vor, liefern Hintergründe zu dem Thema und zeigen aktuelle Entwicklungen auf.
© aero.de | Abb.: privat | 26.12.2018 20:21

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Beitrag vom 26.12.2018 - 23:59 Uhr
Die Gründerin des Pilotinnen-Verbands der 99er hieß "Amelia Mary Earhart" und nicht Amelia Erhard - zudem gründete Sie den Club der der "ninty-nines" bereits 1929 - also NICHT in den 30er Jahren - Oh Mann .... guter Journalismus sieht anders aus !

Dieser Beitrag wurde am 27.12.2018 00:01 Uhr bearbeitet.


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