Kinda Sarrage
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"Frauen brauchen Aussicht, dass Alltag als Pilotin machbar ist"

DUBAI - Kinda Sarrage repräsentiert die International Aviation Women's Association (IAWA) im Nahen Osten. Für unsere aero.de-Serie "Frauen in der Luftfahrt" erzählt die gebürtige US-Amerikanerin mit syrischen und libanesichen Wurzeln, wie die Luftfahrtindustrie der Region bei diesem Thema dasteht.

Neben ihrem Engagement für die IAWA arbeitet Kinda Sarrage als Regional Sales Managerin für den Nahen Osten, Afrika und Südostasien bei dem Luftfahrt-Trainigsunternehmen CAE.

aero.de: Frau Sarrage, Sie haben eine Region und eine Branche für Ihre Karriere gewählt, die beide überwiegend von Männern repräsentiert werden. Vermutlich sind Sie in Ihrem beruflichen Alltag mit einigen Herausforderungen konfrontiert?

Kinda Sarrage: Sicher, es ist lustig. Wissen Sie, wenn ich als Senior Managerin zu einem Termin mit Führungskräften einer Airline gehe, denken die im ersten Moment: Sie müssen Stewardess oder die persönliche Assistentin von jemandem in Ihrem Unternehmen sein.

Kinda Sarrage
Kinda Sarrage, © Privat
 
Sie können sich zuerst nicht vorstellen, dass eine Frau bei einer Besprechung etwas über technische Feinheiten in Bezug auf die Luftfahrt wissen könnte. Wenn das Gespräch dann beginnt staunen sie selbst über ihre erste Reaktion – und Ihre Meinung, in welchen Bereichen eine Frau in der Luftfahrt wohl arbeiten sollte. 

aero.de: Also müssen Sie sie erst von Ihrer Professionalität überzeugen?

Sarrage: ...und von meinem Wissen. 

aero.de: Sind das die einzigen Herausforderungen?

Sarrage: Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Diese Frage stellt sich oft für Frauen, die im Nahen Osten in der Luftfahrt arbeiten. Ich tue das seit zwölf Jahren. Und bis auf die erste Reaktion der Leute, von der ich Ihnen erzählt habe - dass Frauen Stewardessen sein müssen oder bis auf Kommentare wie die des CEOs von Qatar Airways, dass Frauen niemals seinen Job meistern könnten - haben mir die Männer hier nie das Gefühl gegeben, dass sie mich nicht respektieren oder nicht für kompetent halten.

In Besprechungen bekommen wir den Respekt, die Plattform und die Möglichkeit, unsere Meinung zu äußern, die wir brauchen. Ich denke, es ist ein Vorurteil, dass Männer in der Luftfahrtindustrie Frauen nicht die Plattform geben, auf der sie sich beweisen können. 

aero.de: Dennoch ist die große Mehrheit der Mitarbeiter in der Luftfahrtindustrie männlich. Wie sieht es in arabischen Ländern aus – in welchen Bereichen der Branche arbeiten Frauen, außer in den Flugzeugkabinen?

Sarrage: Stereotyperweise sind einige Kabinenbesatzung. Aber tatsächlich gibt es einige Frauen in der Luftfahrt, die als Managerinnen, Ingenieure und Personalverantwortliche, Profis für Öffentlichkeitsarbeit, Pilotinnen oder CEOs arbeiten. Ich denke, dass diese Frauen nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. 

Wir stellen sie nicht in den Vordergrund, um zu sagen: "Schau, Frauen können diese Jobs machen und sie tun es." Ich denke, dass die jüngere Generation deswegen nicht weiß, dass sie Ingenieurin, Fluglotsin oder Pilotin werden kann. Dass sie in die gehobene Management-Ebene einer Airline aufsteigen kann. Aber sie kann es und sie tut es und es gibt hier schon Frauen.

aero.de: Sie haben gesagt, dass es in Ihrer Region einige Frauen in der Luftfahrt gibt – finden Sie, dass es genug sind?

Sarrage: Nein. Das finde ich nicht, auf keinen Fall. Aber ich denke, dass es manche gibt. Es ist nicht so, dass wir in Ländern oder einer Region leben, in denen Frauen der Zugang zur Luftfahrtindustrie versperrt ist.

Es gibt nicht genug Pilotinnen oder Ingenieurinnen, aber es gibt manche und ich denke, dass sie jüngeren Frauen den Weg ebnen, die in diese Branche einsteigen möchten. Und ich denke, dass wir Ihnen dafür nicht genügend öffentliche Aufmerksamkeit geben.

aero.de: Den Akteurinnen der Luftfahrt mehr Öffentlichkeit geben – wie können Frauen darüber hinaus gefördert werden?

Sarrage: Ich denke, dass Organisationen wie die International Aviation Women’s Association (IAWA) die perfekte Plattform dafür darstellen, sich mit anderen Frauen zu vernetzen, ihnen Mentorinnen zur Seite zu stellen, sie zu unterstützen, ihnen Orientierung oder einfach nur das Gefühl zu geben, Teil eines Netzwerks zu sein, in dem wir uns gegenseitig fördern.

aero.de: Das wäre eine Förderung von Frau zu Frau. Was könnten Airlines oder andere Akteure der Luftfahrt tun, um Frauen zu fördern?

Sarrage: Ich bin gegen Quoten, denn ich finde, dass der qualifizierteste Bewerber den Job kriegen sollte. Ich denke aber, es wäre sinnvoll, jüngere Frauen direkt nach dem Schulabschluss in Mentoren- und Trainingsprogrammen und in Menotrenprogrammen in der Luftfahrtindustrie im Nahen Osten unterzubringen, um sie zu fördern. 

aero.de: Haben Sie ein positives Beispiel für die Präsenz von Frauen in Branche in Ihrer Region?

Sarrage: Explizit für den Nahen Osten kann ich Ihnen leider kein Beispiel für ein Stipendienprogramm nennen. Daran müssen wir arbeiten.

aero.de: Haben sie ein negatives Beispiel?

Sarrage: Ich habe kein spezielles Beispiel, aber die Tatsache, dass ich auch kein positives habe, könnte eines sein. 

aero.de: Denken Sie, dass der internationale Pilotenmangel dazu führen wird, dass es mehr Pilotinnen geben wird?

Sarrage: Ja, das denke ich hundertprozentig. Vor allem hier im Nahen Osten. Ich denke, dass es auch mehr greifbare Jobs bei den Airlines gibt als in der Vergangenheit. 

Ich gehe davon aus, dass einige Frauen sich gegen eine Karriere in der Luftfahrt entschieden haben, weil sie nicht gleichzeitig Ehefrauen, Mütter und Pilotinnen sein konnten. Jetzt ist das einfacher. Zum Beispiel gibt es einige Kurz- und Mittelstrecken. Du kannst also als Mutter fliegen und am Abend zurückkommen. 

aero.de: Was erwarten Sie von Airlines, um Frauen insgesamt und besonders im Cockpit zu fördern?

Sarrage: Dass sie einfach mehr Frauen einstellen. Frauen brauchen kein besonderes Training. Was sie brauchen ist ein Weg, um Pilotin zu werden und die Aussicht, dass der Alltag auch als Pilotin machbar ist. Wir müssen das Tabu überwinden, dass Frauen nicht Ehefrauen, Mütter und Pilotinnen sein können.

aero.de: Was tut die IAWA im Nahen Osten, um Frauen in der Luftfahrt zu fördern?

Sarrage: Wir sind erst seit kurzem hier im Nahen Osten aktiv, seit drei Jahren intensiv. Wir arbeiten jetzt daran, unsere Breitenwirkung und unser Netzwerk zu vergrößern. Das ist das schöne an der IAWA: bei uns vernetzen sich Frauen aus verschiedenen Bereichen der Luftfahrt, nicht nur Pilotinnen.

Es gibt so viele andere Frauen, die in der Luftfahrtindustrie arbeiten – sei es als Anwältinnen, Managerinnen, Personalverantwortliche, Ingenieurinnen oder Fachkräfte für Öffentlichkeitsarbeit. 

Momentan legen wir als IAWA hier in der Region den Fokus auf die Ausweitung unseres Netzwerks.

aero.de: Frau Sarrage, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Weltweit waren im Jahr 2018 nach Zahlen der ICAO nur etwa sieben Prozent der Beschäftigten in der Luftfahrt Frauen. Der Boom unserer Branche birgt das Potenzial, dieses Ungleichgewicht auszutarieren. In der aero.de-Serie "Frauen in der Luftfahrt" stellen wir Ihnen einflussreiche und außergewöhnliche Frauen der aktuellen Luftfahrt vor, liefern Hintergründe zu dem Thema und zeigen aktuelle Entwicklungen auf.
© aero.de | Abb.: Privat, Dubai Airport, aero.de (Montage) | 06.01.2019 09:47


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