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"Die Sicherheitsmarge ist weniger groß als wir es uns wünschen"

Dock E, Flughafen Zürich
Dock E, Flughafen Zürich, © Flughafen Zürich

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ZÜRICH – Das Zürcher Obergericht hat einen Fluglotsen wegen eines Fehlers im Dienst zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, doch es schlägt hohe Wellen bei der Schweizer Flugsicherung und bei Piloten. Raimund Fridrich, Sprecher von Skyguide, erklärt im aero.de-Interview die Hintergründe.

aero.de: Herr Fridrich, einen Tag nach dem Urteil gegen Ihren Kollegen haben sich einige Fluglotsen am Zürcher Flughafen krank gemeldet, Skyguide hat die Durchlaufquote der Flugzeuge um zehn Prozent gesenkt. Ist das als Protest zu verstehen?

Raimund Fridrich: Nein. Wir haben eine psychologische Betreuung angeboten und durchgeführt. Das heißt Critical Incident Stress Management und dient der schnellen Eingliederung von Fluglotsen nach Stresssituationen. 

Das Urteil stieß auf größtes Unverständnis und verunsicherte unsere Kolleginnen und Kollegen. Die Reduktion der Rate um zehn Prozent ist eine standardmäßige Sicherheitsmaßnahme, mit der Druck von den Fluglotsen genommen wird. Das selbe Verfahren wird angewandt bei Einführung von neuen Systemen oder bei außerordentlichen Witterungslagen.

aero.de: Der Flughafen Zürich arbeitet am Limit, die dortigen Fluglotsen auch?

Fridrich: Der Betrieb am Flughafen Zürich ist sicher. Die Sicherheitsmarge ist allerdings weniger gross als wir uns das wünschen. Das hängt mit der Komplexität des Betriebsreglements zusammen, das aufgrund von politischen Vorgaben (deutsche Überflugsverbote, Verbot von Starts über die Stadt Zürich) anspruchsvoller als nötig ist.

aero.de: Welche Verbesserungsmaßnahmen fordert die Schweizer Flugsicherung?

Fridrich: Eine Vereinfachung des Betriebskonzepts und weniger politische Einschränkungen.

aero.de: Wen sieht sie in der Verantwortung?

Fridrich: Die politischen Behörden im Kanton Zürich und die zuständigen Behörden in Deutschland.

aero.de: Leidet die Schweizer Flugsicherung ebenso an Personalmangel wie die deutsche und die anderer europäischer Länder?

Fridrich: Skyguide verzeichnete dieses Jahres ein unerwartet hohes Verkehrswachstum. Dank neuer technischer Systeme (Virtual Centre) und einem außerordentlichen Einsatz unserer Flugverkehrsleiter konnten wir zahlreiche Flüge, die wegen der Personalknappheit in Deutschland in die Schweiz umgeleitet wurden, sicher kontrollieren. 

Damit haben wir das europäische Flugnetzwerk stark entlastet. Leider anerkennt die Europäische Kommission und ihr Leitungsplan solche Maßnahmen nicht. Im Gegenteil wird Skyguide indirekt sogar finanziell dafür benachteiligt.

aero.de: Denken Sie, dass das Urteil gegen den Fluglotsen Bestand haben wird?

Fridrich: Das müssen Sie einen Juristen fragen. Tatsache ist, dass das Urteil eine direkte Schwächung der "Just Culture" darstellt. Diese dient in der Luftfahrt mit ihrem offenen Meldewesen der Verbesserung der Sicherheit. 

Wenn Fluglotsen aufgrund von freiwilligen Meldungen von Vorfällen mit einem Bein vor Gericht stehen, werden sie es sich zweimal überlegen, ob sie mehr als nur die gesetzliche Pflicht bei einer Meldung erfüllen werden.
© aero.de | Abb.: Skyguide | 14.12.2018 15:23

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Beitrag vom 14.12.2018 - 16:15 Uhr
Unabhängig davon, dass der Lotse in diesem Fall wohl tatsächlich einen Arbeitsfehler begangen hat (wem passiert das nicht auch?) sei an die Begleitumstände des Avro Unfalls der Crossair im November 2001 und den Zusammenstoß bei Überlingen erinnert, wo die unverantwortlichen Zustände bei der Schweizer Flugsicherung als beitragende Faktoren eine erhebliche Rolle gespielt haben.
Und noch einen Seitenhieb gegen Juristen. Bei denen reicht es oft, hinterher schlau zu sein - Piloten und Lotsen haben es da nicht so komfortabel.


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