Tom Enders geht
Älter als 7 Tage

Stühlerücken bei Airbus

AMSTERDAM - An seinen letzten richtig großen Auftritt bei Airbus dürfte Tom Enders nicht nur gute Erinnerungen habe. Als der Konzernchef im Februar bei der Pressekonferenz zur Jahresbilanz in Toulouse auf die Bühne trat, hatte er schlechte Nachrichten im Gepäck - eine Hiobsbotschaft geradezu.

Zum Finale verkündete der deutsche Topmanager das Ende des Luftgiganten A380. Jetzt kommt der endgültige Abschied für den als "Major Tom" bekannten früheren Fallschirmjäger. Bei der Airbus-Hauptversammlung in Amsterdam am Mittwoch übergibt der 60-Jährige offiziell den Staffelstab an seinen Nachfolger Guillaume Faury. Enders kann auf viele Erfolge zurückblicken - aber sein Weg war nicht frei von Niederlagen.

Tom Enders
Tom Enders, © Airbus

Der Manager hat eine lange Karriere hinter sich. Von 2005 bis 2007 war er zunächst Co-Chef des EADS-Konzerns, dann führte er fünf Jahre lang die Verkehrsflugzeugtochter Airbus. Der Deutsche baute das Unternehmen um, leitete die Umbenennung von EADS in Airbus ein und straffte die Führungsstrukturen.

Schließlich kündigte er Ende 2017 an, nach Ablauf seines Vertrags keine neue Amtszeit mehr anzustreben. Der von Korruptionsermittlungen erschütterte Luftfahrt-Riese leitete damit einen personellen Neuanfang ein.

Wie bilanziert Enders seine Amtszeit? "Ich hatte meine Herausforderungen, einige habe ich bestanden, andere vielleicht nicht", sagt der Manager. Allerdings denke er, "dass das Unternehmen heute sehr viel wettbewerbsfähiger und stabiler aufgestellt ist als noch vor wenigen Jahren".

Tom Enders und Fabrice Brégier
Tom Enders und Fabrice Brégier, © Airbus

Und tatsächlich gibt es einige Erfolge zu vermelden: In Enders' Zeit an der Konzernspitze und als Chef der Verkehrsflugzeug-Sparte arbeitete sich Airbus als zweitgrößter Flugzeughersteller der Welt fast auf Augenhöhe an den Branchenprimus Boeing heran.

Bei den Bestellungen im absatzstärksten Segment der Kurz- und Mittelstreckenjets liegt Airbus dank seiner auf weniger Spritverbrauch getrimmten A320neo-Maschinen bereits vorn. Und nach zwei Abstürzen und dem geltenden weltweiten Flugverbot für Boeings gefragten Flugzeugtyp 737 Max ist der Konkurrent aus den USA in eine schwere Krise geraten.

Merkels Blutgrätsche

Zu den Rückschlägen des im Westerwald geborenen Enders zählt hingegen die 2012 geplatzte Fusion mit dem britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern BAE Systems. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe den von ihm betriebenen Zusammenschluss mit einer "Blutgrätsche" verhindert, sagt Enders heute und räumt ein, dass er die Stimmung damals völlig falsch eingeschätzt habe.

Statt einen neuen Rüstungs-Champion zu schaffen, setzte der Manager schließlich noch stärker auf das boomende Geschäft mit Passagierflugzeugen. Er dampfte die Verteidigungssparte ein, stieß Beteiligungen ab und strich Tausende Stellen.

Tom Enders
Tom Enders, © Airbus

Im Rückblick räumt Enders auch teure Fehler ein. "Wir haben bei Airbus jahrelang viel zu viel parallel gemacht." Ausdrücklich nennt er die Entwicklung des A380, des neuen Großraumjets A350 und des pannengeplagten Militärtransporters A400M - "plus das Geld, das wir bei A380 und A400M versenkt haben".

Ein riesiger Rückschlag für den ehrgeizigen Deutschen dürfte dann das Ende der Produktion des A380 im Jahr 2021 ein - nur 14 Jahre nach der Auslieferung des größten Flugzeugs der Welt. Vorausgegangen war der Entscheidung eine mehrjährige Hängepartie. Am Ende lohnte sich der Riesenvogel einfach nicht mehr.

Tom Enders
Tom Enders, © Airbus

Und was kommt jetzt für Enders? Mit seiner neuen Lebensphase als Rentner muss er sich erst noch anfreunden. "Ich kann mir das Wort Ruhestand bei mir noch nicht vorstellen", räumt der drahtige Major der Reserve der Bundeswehr ein. "Aber irgendwas wird man wohl noch tun dürfen."

Das Kapitel in der Luftfahrtindustrie sei für ihn abgeschlossen, und auch als Manager wolle er nicht mehr arbeiten. Entsprechende Anfragen habe er zwar schon erhalten, inzwischen aber begriffen: "Man muss lernen, nein zu sagen."

In Frankreich regt sich unterdessen Unmut über Enders millionenschwere Unternehmensrente, die er nach den Jahren bei Airbus einstreicht. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, diese von Unternehmen gezahlten Renten bei Top-Managern künftig stark deckeln zu wollen. Es handle sich um "exzessive Summen", kritisierte der mächtige Minister auch mit Blick auf die Zahlung an Enders.

Tom Enders verlässt Airbus
Tom Enders verlässt Airbus, © Airbus

Verglichen mit den Strafen, die Airbus wegen Korruptionsvorwürfen drohen, ist Enders Rente allerdings fast lächerlich. Ermittlungen in Großbritannien und Frankreich setzen den Konzern unter Druck - möglicherweise werden Strafen in Milliardenhöhe fällig. Enders und sein ebenfalls scheidender Finanzchef Harald Wilhelm hatten die Untersuchungen im Jahr 2014 angestrengt. Seit 2016 ermitteln Behörden - Ausgang offen.

Enders weiß, dass er damit eine Last an Nachfolger Faury weiterreicht. Doch: "Sie übergeben ein Unternehmen immer im Sprung."
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 10.04.2019 08:09

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Beitrag vom 10.04.2019 - 13:16 Uhr
...würde er leider nicht :-/ haben wir ja gestern im Topic über Alitalia diskutiert: die italienische Politik würde es ihm verunmöglichen.

Tja, schade, dass der angesehene deutsche Chef jetzt weg ist und sich der Einfluss stark vernetzter französischer Manager wieder stärken wird. In Frankreich wird Airbus immer noch als "nationales, französisches (!) Unternehmen" angesehen. Deswegen gab es auch viele Parallel-Tätigkeiten, wo am Schluss oft aus politischen Gründen die französischen Ideen umgesetzt wurden (kenne von intern mehrere Beispiele). Nicht immer zum Vorteil für Airbus.

Airbus macht heute sehr vieles sehr gut. Hoffentlich bleiben sie innovativ am Ball und riskieren niemals solchen Murks, wie er derzeit aus Seattle geliefert wird.

Völlig richtig dargestellt die französische Dominanz, allerdings ist für Frankreich die Luft- und Raumfahrt eine strategische Schlüsselindustrie die alle nur erdenkliche Unterstützung erfährt - im Sinne Frankreichs.
Beitrag vom 10.04.2019 - 13:06 Uhr
...würde er leider nicht :-/ haben wir ja gestern im Topic über Alitalia diskutiert: die italienische Politik würde es ihm verunmöglichen.

Tja, schade, dass der angesehene deutsche Chef jetzt weg ist und sich der Einfluss stark vernetzter französischer Manager wieder stärken wird. In Frankreich wird Airbus immer noch als "nationales, französisches (!) Unternehmen" angesehen. Deswegen gab es auch viele Parallel-Tätigkeiten, wo am Schluss oft aus politischen Gründen die französischen Ideen umgesetzt wurden (kenne von intern mehrere Beispiele). Nicht immer zum Vorteil für Airbus.

Airbus macht heute sehr vieles sehr gut. Hoffentlich bleiben sie innovativ am Ball und riskieren niemals solchen Murks, wie er derzeit aus Seattle geliefert wird.
Beitrag vom 10.04.2019 - 12:30 Uhr
Diesen Manager sollte man für einen Alitalia Neuaufbau anheuern,der würde den Stall in Kürze aufräumen :-))


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