Durchbruch Strukturbatterien?
Älter als 7 Tage

Wenn der Flugzeugrumpf zum Energiespeicher wird

GÖTEBORG - Ein Flugzeugrumpf und Tragflächen, die zugleich die Energie speichern, die das Flugzeug zum Fliegen braucht? Das klingt nach einem Durchbruch auf dem Weg zur elektrischen Fliegerei. Forscher um Leif Asp entwickeln Strukturbatterien, die das möglich machen sollen. Zum Interview.

Die Speicherung von Energie gilt als eine der größten Herausforderung auf dem Weg zu elektrischem Fliegen. Herkömmliche Batterien sind bisher zu schwer - und bieten zu wenig Kapazität.

Leif Asp, Professor in Lightweight composite materials and structures at Chalmers University
Leif Asp, Professor in Lightweight composite materials and structures at Chalmers University , © Chalmers University

Einer Forschergruppe um den schwedischen Professor Leif Asp könnte nun ein Durchbruch gelungen sein: sie entwickeln Strukturbatterien aus Carbon, die zugleich als Trägermaterial dienen. Wenn es gelingt, diese Batterien in die Struktur eines Flugzeugs oder eines Autos einzubauen, könnten bis zu fünfzig Prozent Gewicht eingespart werden.

Airbus ist derart überzeugt von dem Potenzial solcher Batterien, dass der Konzern bereits 2017 ein Patent auf die Anwendungen in Flugzeugrümpfen oder in den Tragflächen angemeldet hat.

Das Forscherteam um Professor Leif Asp von der schwedischen Chalmers University ist federführend an der Entwicklung der Strukturbatterien beteiligt. Im Interview mit aero.de erklärt er die Funktionsweise und das Potenzial der Neuentwicklung.

aero.de: Ein großes elektrisch betriebenes Passagierflugzeug, bei dem der Rumpf selbst als Batterie dient – ist das eine weit entfernte Utopie?

Leif Asp: Ich denke nicht, dass das eine Utopie ist. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir Batterien sehen werden, die als Lastenträger in großen Strukturen positioniert sind. Ich denke aber, dass es passender ist, diese Batterien im Inneren des Flugzeugs zu haben als im Rumpf oder in den Tragflächen.

Structural battery
Structural battery, © Chalmers University


Abhängig von der Last, welche die Struktur tragen soll, werden wir vielleicht weichere Polymere brauchen, als wir sie normalerweise einsetzen. Für eine Utopie halte ich das alles nicht – aber ich denke, dass diese Batterien in einem ersten Schritt in anderen Strukturen als im Rumpf eingesetzt werden.

aero.de: Wie funktioniert Carbon als Strukturbatterie?

Asp: In einer Strukturbatterie dienen Kohlefaserverbundstoffe als Verstärkung und zugleich als Anode (negative Elektrode). Damit daraus eine Batterie wird, brauchen wir eine zweite Schicht aus einem Verbundstoff mit Lithium-reichen Material – das wird die Kathode (positive Elektrode). Die beiden Elektroden werden durch eine isolierende Schicht, normalerweise ein Polymer, getrennt.

Die drei Schichten werden dann in einem Polymerelektrolyten eingeweicht, was eine Lithium-Ionen-Diffusion und eine mechanische Kraftübertragung ermöglicht.

aero.de: Welche Vorteile hätten solche Strukturbatterien gegenüber traditionellen Lithium-Ionen-Batterien?

Asp: Der Mehrwert liegt nicht in der Speicherfähigkeit der einzelnen Zelle: in unserem Fall wird die Zelle höchstwahrscheinlich weniger Energie speichern als die traditionelle Batterie.

Aber: sie kann auch mechanische Last übernehmen. Das bedeutet, dass wir auf Systemebene Gewicht sparen können. Wenn wir diese Materialien einführen, können wir andere monofunktioniale Vorrichtungen und Materialien weglassen, die nicht zur mechanischen Belastbarkeit beitragen.

Structural battery
Structural battery, © Chalmers University

Auf diese Weise werden wir auf der Systemebene des Transportmittels eine Menge Gewicht einsparen: die Masse, die vorher für monofunktionale Batterien genutzt wurde, ist dann überholt und wir können eine Batterie haben, die Teil der Struktur ist. Das ist der Vorteil.

aero.de: Das klingt so, also ob Strukturbatterien und Carbon den Weg hin zu elektischer oder hybrider Fliegerei ebnen könnten…

Asp: …oder natürlich auch Elektroautos. Aber sicher, Airbus will bis 2050 ein rein elektrisches Regionalflugzeug für zirka einhundert Passagiere bauen, das eine bis eineinhalb Stunden fliegen kann.

Wenn sie das Kerosin ersetzen wollen, brauchen sie ungefähr eine Tonne Batteriemasse pro Passagier, um das zu ermöglichen. Sie müssen einen Weg finden, elektrische Energie in Bezug auf den Beitrag zur Masse effizienter zu speichern.

aero.de: Ingenieure sagen für gewöhnlich, dass die Speicherung von Energie eine der schwierigsten Herausforderungen auf dem Weg zur Elektro-Fliegerei darstellt.

Asp: Ich denke, sie arbeiten an verschiedenen Ansätzen, aber ich weiß, dass Airbus Strukturbatterien als eine der möglichen Träger anerkennt und sehr erpicht darauf ist, diese Forschungszusammenarbeit mit uns weiterzuverfolgen.

aero.de: Haben Sie in Ihren Forschungen mit Airbus zusammengearbeitet?

Asp: Ja, wir haben ein laufendes Projekt namens SORCERER, das von der Europäischen Kommission, Clean Sky Joint Undertaking 2 und Horizon 2020 unterstützt wird. Los ging es vor zwei Jahren, es läuft bis Anfang 2020.

aero.de: 2017 hat Airbus ein Patent auf den Einsatz von Strukturbatterien in einem Flugzeugrumpf oder in den Tragflächen angemeldet…

Asp: Ja, wir haben verschiedene Patente mit ihnen, seit einem Jahr arbeiten wir auf dem Feld multifunktionaler Materialien sehr eng mit Airbus zusammen. Airbus ist ein starker Fürsprecher dieser Ideen.

aero.de: Das Airbus-Patent erweckt den Eindruck, dass sie andere Ideen für den Einsatz von Strukturbatterien haben als Sie – Sie haben gesagt, dass diese Batterien wahrscheinlich im Flugzeuginneren zum Einsatz kommen. Airbus denkt darüber nach, sie in den Rumpf und die Tragflächen zu integrieren.

Asp: Klar, wir werden uns keinesfalls damit zufrieden geben, sie im Interieur zu haben. Sie haben gefragt, ob das eine Utopie ist: nein. Aber das große Potenzial liegt darin, diese Batterien in sekundären Strukturen eizusetzen, weil die Anforderungen aus struktureller Sicht dort um Einiges geringer sind.

Airbus Patent on structural batteries
Airbus Patent on structural batteries, © Airbus/European Patent Office

Die Zertifizierung dieser Strukturen ist sehr anspruchsvoll – und die aktuellen Zertifizierungsprozesse teilen sich in solche für mechanische und solche für elektrische Vorrichtungen.

Wenn die Materialien und Funktionen kombiniert werden, müssen auch die Zertifizierungsprozesse zusammengelegt werden. Die Zertifizierung der äußeren Struktur ist wesentlich schwieriger als die sekundärer Strukturen. Daher denke ich, dass wir lernen und die Ideen dann steigern sollten.

aero.de: wenn wir trotzdem ein bisschen weiter denken und uns vorstellen, dass die Strukturbatterien es in den Rumpf schaffen – würde das Wartung und Reparaturen teurer und komplizierter machen?

Asp: Wenn man diese Batterien in den Rumpf integriert hat, muss man clever sein. Es ist wichtig, dass das Flugzeug weiterfliegt, wenn eine der Batteriezellen ausfällt. Man muss ein System entwerfen, das vielleicht aus Modulen besteht und das eine schnelle und effiziente Reparatur ermöglicht.

Die Wartung wird dadurch schwieriger. Ich denke, man braucht eine Strategie, mit der man ohne Ausfall zu Flughafen zurückkehren kann, dann braucht man einen schnellen Weg, die kaputten Module zu ersetzen, vielleicht braucht man dafür eine Technologie.

Airbus Patent on structural batteries
Airbus Patent on structural batteries, © Airbus/European Patent Office

Bei der Herstellung ist nicht das Verbundmaterial der Batterien kompliziert, wohl aber die Verbindung all der Zellen. Diese Materialien werden wohl nicht teurer sein als bisherige Verbundstoffe, die Herstellung und deren Verbindung wird jedoch anders sein.

aero.de: Lassen Sie uns noch einmal zum Thema Nachhaltigkeit zurückkommen. Sind Carbon-Verbundwerkstoffe nachhaltige Materialien?

Asp: Das ist eine wichtige Frage. Denn die Carbon-Verbundwerkstoffe, die heute für Flugzeuge und auch Autos verwendet werden, kosten in der Herstellung rund zehn Euro pro Kilogramm Energie. Das ist eine gewaltige Investition.

Wenn man aber Wasser-, Solar- oder Windkraft nutzt, um Carbon herzustellen, wird der CO2-Fußabdruck sehr gering sein. Man könnte sogar darüber nachdenken, Carbon mit einem negativen CO2-Abdruck herzustellen.

Der CO2-Fußabdruck wird tausendmal höher sein, wenn man das Material in Deutschland mit fossiler Energie (zum Beispiel Kohle) herstellt als wenn man es in Schweden mit Wasserkraft herstellt.

aero.de: Wie sieht es mit dem Recycling von Kohlefaser aus?

Asp: Hier ist der Wert gut. In Deutschland gibt es dafür ein sehr gutes Verfahren. Wenn man diese Fasern recycelt werden sie kürzer und kürzer und man kann sie für andere Anwendungen einsetzen. Diese Techniken gibt es und sie werden angewendet.

aero.de: Sie haben 2050 als Zeitfenster für ein rein elektrisches Flugzeug für etwa hundert Passagiere genannt. Haben Sie auch ein Zeitfenster für ein kleineres Flugzeug, in dem Strukturbatterien zum Einsatz kommen?

Asp: Im SORCERER-Projekt müssen wir bis Ende diesen Jahres einen DIN-A4-Prototyp liefern, der in der Personal Service Unit über den Sitzen der Passagiere zum Einsatz kommen soll.

Dort gibt es zwei Kabelsysteme: eines für den normalen Betrieb und eines zur Absicherung, falls das andere ausfällt. Eines dieser Kabel könnte mit Strukturbatterien ausgestattet sein.

aero.de: Welche Größe könnte ein Flugzeug-Prototyp haben?

Asp: Oh, das wäre ein Mini-Flugzeug. Wir haben nicht darüber gesprochen, aber Airbus hat den E-Fan und eine Reihe kleinerer Flugzeuge. Das ist unser erstes Projekt mit Airbus, bei dem wir eine konkrete Anwendung suchen und Prototypen entwickeln wollen.

Wir haben bereits mit der Automobilindustrie Prototypen entwickelt – im Rahmen des Projekts "Storage" waren die schon zwei Jahre auf der Straße.

aero.de: Forschen Konkurrenten wie Boeing, Zunum und andere an ähnlichen Ansätzen?

Asp: Wir haben die Vorgabe an unsere Technologie, dass jede Materialkomponente in unserem multifunktionalen Verbundwerkstoff mindestens zwei Aufgaben erfüllen soll.

Wettbewerber in den USA und vor allem in Australien suchen nach Technologien, bei denen sie auf dem Markt verfügbare Batterien in Strukturen integrieren und auf diese Weise multifunktionale Strukturen schaffen. Dieser Ansatz wird in Stanford und in der NAVY verfolgt.

Sowohl Boeing als auch Airbus halten Verbundwerkstoffe für die Zukunft Masse-loser Energiespeicherung. Unser Ansatz ist ziemlich einzigartig. Wer so etwas Disziplinen-übergreifendes machen will braucht ein gemischtes Team.

Der braucht Materialwissenschaftler, Mechaniker, Chemiker und so weiter – sie alle müssen am selben Team arbeiten und ihre spezielle Expertise in das Team einbringen und versuchen etwas Größeres zu entwickeln.

Dafür braucht man natürlich ziemlich große Projekte und Programme. In Schweden haben wir das geschafft: Derzeit arbeiten bereits sieben Doktoranden und sechs Professoren in dem Team. Wir sind ziemlich viele. Unsere Mitbewerber konnten nicht so viele Mittel akquirieren.

Herr Asp, wir danken Ihnen für das Gespräch.


This Interview is also available in English.
© aero.de | Abb.: Chalmers University and KTH | 15.05.2019 11:31

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Beitrag vom 21.05.2019 - 23:45 Uhr
Vielen Dank für diese aufschlussreichen Informationen.

Schließe mich diesem Dank an. Der letzte Teil des Beitrags von @FW190 macht besonders nachdenklich.
Beitrag vom 21.05.2019 - 14:56 Uhr
Vielen Dank für diese aufschlussreichen Informationen.
Beitrag vom 21.05.2019 - 14:42 Uhr
@menschmeier:

...... inkl all der damals schon berechneten Probleme, die heute zu den Batteriebränden führen. (z.B.: Unterschreitung der Anoden-Kathoden Abstände durch Wärme/Kälte Einwirkung oder mechanischen Einwirkung von aussen usw.) Diese Grenzen sind fix und bekannt. Und damit ist die Weiterentwicklung begrenzt.

Genau das meinte ich

Um die Batterietechnik wirklich zur Alternative zu machen, müssten neue Verbindungen her, die Alterung ausschließen, die mehr Kapazität bei höherer Sicherheit bieten und die zudem deutlich umweltfreundlicher produziert werden könnten dabei dann noch schneller zu laden wären usw usw. Aber das ist nichts aber auch überhaupt nichts in Sicht. Die chemischen Elemente sind eigentlich alle bekannt und auch schon in den Verbindungen getestet und außer LI+x ist da nix.

Unterstreiche nix


Wir sollten uns also langsam nach einer Alternative ausserhalb der Elektromobilität umsehen. Zumal die Stromerzeugung für die ganzen Akkus ja auch überhaupt nicht gesichert wäre, wenn man mehr als 30% Elektrofahrzeuge im Umlauf wären.


Es wird auf mehrgleisige Systeme hinauslaufen MÜSSEN.

Batterie für Autos im Kurzstreckenverkehr
Erdgas (Anfangs natürliches und dann synthetisches) parallel zu H2 mit Brennstoffzelle für Langstrecke und Lkw
Synthetisches Kersosin für Flugzeuge

Alle dazu benötigten Technologien sind bekannt und erprobt, man könnte und sollte sofort anfangen und nicht auf ein technologisches Wunder warten.

Um nur den Wärmebedarf (auf 60% gegenüber heute reduziert) und den Verkehr in Deutschland bis 2038 umzustellen benötigen wir lt. Fraunhoferstudie:

5,5 mal mehr Photovoltaic
4 mal mehr onshore Windkraftanlagen
13 mal mehr offshore WKA
52 GWh Batteriespeicher (Li und Redoxflo)
9 GWh Pumpspeicher mit 60 GW Leistung
88GW Power to Gas Anlagen
50 TWh Biomasse
86 GWh Gasspeicher
81 GW Gaskraftwerke

Dann haben wir rd. 60% des heutigen Gesamtenergiebedarfes auf erneuerbare umgestellt. Nur Anfangen muss man, eher heute als morgen wenn wir es ernst meinen. Warten auf die neuen Erfindungen bringt nix weil da nix ist. Es ist alles nur zu teuer und wird nicht wirklich wesentlich billiger. Kostet dann etwas mehr als die Kugel Eis.

Dieser Beitrag wurde am 21.05.2019 14:43 Uhr bearbeitet.


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