Flug U6178
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Piloten schildern Notlandung im Maisfeld

Ural Airlines Airbus A321 VQ-BOZ
Ural Airlines Airbus A321 VQ-BOZ, © Martin Rogosz

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MPSKAU - Nach der Notlandung eines Airbus A321 der Ural Airlines auf einem Maisfeld nahe Moskau überschlagen sich russische Medien und Offizielle mit Lobliedern auf die Crew. Unterdessen weckt eine illegale Müllkippe in Flughäfennähe die Aufmerksamkeit der russischen Flugunfallermittler.

Als Ural Airlines-Kapitän Damir Yusupow Flug U6178 zusammen mit Co-Pilot Georgi Murzin sicher auf dem Maisfeld gelandet hatte, alle Passagiere evakuiert und die Rettungskräfte im Anmarsch waren, musste er als erstes seine Frau anrufen.

Dazu kletterte der 41-Jährige zurück ins Cockpit des havarierten Flugzeugs, in dem Minuten vorher noch 226 Passagiere saßen. Als Letzter hatte er nach der Notlandung die Maschine verlassen, den über die Notrutschen aussteigenden Passagieren zuvor per Megafon den Weg zur nächsten Straße gewiesen.

Anschließend hatte er sich bei einem Rundgang um das Wrack einen ersten Überblick über die Schäden verschafft. Nun war seine Pflicht für heute erledigt - vorerst. Später am Tag schilderten Yusupow und Murzin im Gespräch mit Journalisten, wie sie die letzten Sekunden des kurzen Fluges im Cockpit erlebten – und warum sie so handelten, wie sie handelten. Rückkehr zum Airport ausgeschlossen

Dabei bestätigten beide Piloten zunächst die Vermutung, dass die Kollision mit einem Möwenschwarm wohl für das Beinahe-Unglück ursächlich war. Nach dem Start hätten sich Vögel in den Triebwerken verfangen, das linke Triebwerk sei sofort ausgegangen, erläutert der 23-Jährige Co-Pilot Murzin in einem Video. Kurz darauf habe es auch das rechte Triebwerk erwischt.

Ural Airlines Airbus A321 Notlandung in Maisfeld, © TSL

Mit nur einem Triebwerk hätte der Airbus sicher nach Schukowski zurückkehren können, machte Kapitän Yusupow klar. "Sowas trainieren wir ständig im Simulator. Ich dachte zuerst, okay, nun ist ein Motor ausgefallen, also drehen wir um und erbitten Landerlaubnis."

Als es dann aber auch im rechten Motor zum Strömungsabriss gekommen sei, habe es für ein solches Manöver keinen Spielraum mehr gegeben: "Der Schub reichte nicht aus, um den Flug fortzsetzen, noch nicht einmal unsere Höhe konnten wir halten. Uns blieb wenig Zeit, und es war klar, dass wir auf dem Maisfeld landen mussten. Mein einziger Gedanke war, das so sanft wie möglich zu erledigen."

Das Fahrwerk habe er dabei bewusst nicht ausgefahren, betonte Yusupow. Unter den gegebenen Umständen sei es ihm sicherer erschienen, eine Bauchlandung hinzulegen. Der hochstehende Mais dürfte dabei gleichermaßen als Bremse und als Polster gewirkt haben. Die Treibstoffzufuhr für die Triebwerke hatte die Crew vor dem Aufsetzen vorsorglich gekappt.

Die Nachrichtenagentur Tass meldete, die A321 sei mit 16 Tonnen Sprit beladen gewesen und habe davon bis zur Notlandung lediglich 500 Liter verbraucht.

Yusupow: "Fühle mich nicht als Held"

Von Medien und Politik wird der aus Sibirien stammende Yusupow seit gestern als Held und "neuer Sully" gefeiert – in Anlehnung an US Airways-Pilot Chesley "Sully" Sullenberger und dessen Notwasserung einer A320 im Hudson River 2009. Russlands Premierminister Medwedew kündigte sogar an, Yusupow und Murzin eine Ehrenmedaille zu verleihen.

Allerdings fühle er sich gar nicht als Held, machte der laut Tass mit über 3000 Stunden Erfahrung versehene Flugkapitän klar: "Ich habe einfach nur getan, was ich tun musste: das Flugzeug, die Passagiere und die Besatzung retten." Außerdem sei die geglückte Notlandung, bei der niemand wirklich ernsthaft zu Schaden kam, nicht allein sein Verdienst: "Die gesamte Crew hat sich vorbildlich verhalten. Auch die Evakuierung war sofort erledigt."

Woher kamen die Vögel?

Währenddessen haben die russischen Flugunfall-Ermittler vor Ort ihre Arbeit aufgenommen. Dass die Triebwerke kurz nach dem Start infolge Vogelschlags versagten, gilt zwar als sicher. Dennoch sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch diverse Fragen offen. Etwa, welche Rolle eine illegale Müllkippe rund um den Flughafen Schukowski spielt.

Diese könnte für die zunehmende Anzahl von Möwen verantwortlich sein, die sich offenbar seit geraumer Zeit nahe des Airports tummeln. Vogelschwärme seien in Schukowski ein bekanntes Problem, gab ein Sprecher des ortsansässigen Gromow-Instituts für Flugforschung gegenüber der Tass zu Protokoll. Die Vögel würden mutmaßlich durch die Müllkippe angelockt.

Kreml-Sprecher Dimitri Peskow ließ verlauten, dass der Ural Airlines-Unfall selbstverständlich genauso untersucht werde wie alle anderen, um den exakten Hergang ans Licht zu bringen. Unabhängig davon sei ein "unerbittlicher Kampf" gegen illegale Müllkippen bereits im Gange.

Zunächst aber würdigte auch Peskow die Leistung der Crew von Flug U6178: "Wir gratulieren einander, dass 234 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder am Leben sind, und wünschen den Verletzten eine baldige Genesung. Wir gratulieren den heldenhaften Piloten, die Menschenleben gerettet und das Flugzeug gelandet haben."
© FLUG REVUE - PZ | Abb.: Martin Rogosz | 19.08.2019 08:14

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Beitrag vom 19.08.2019 - 12:59 Uhr
Eventuell hatte er 3000 Stunden auf dem Flugzeugtyp und das wurde bei der Übersetzung verwechselt.
Beitrag vom 19.08.2019 - 12:22 Uhr
natürlich spielen sie eine untergeordnete Rolle, nichtsdestotrotz sind 3000h, zumal für einen Kapitän, einfach nicht viel. Die kommen normalerweise in wenigen Jahren fliegen zusammen, daher wundert es mich, wenn es so sein sollte.
Beitrag vom 19.08.2019 - 08:55 Uhr
... und wenn, die 3000 h Spielen nur eine untergeordnete Rolle. Der Pilot wußte, was er in dieser brenzlichen Situation zu tun hatte. Das zeugt von brillanten und kühlem Sachverstand. So etwas wird ihm in seinen Leben wahrscheinlich nicht noch einmal passieren. Ich kann nur sagen: Bravo, Bravo und nochmals Bravo ...
Viel wichtiger ist es, die illegalen Müllkippen zu verbannen mit den ungeliebten Möven.

Dieser Beitrag wurde am 19.08.2019 08:56 Uhr bearbeitet.


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