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Michael O'Learys letzter Streich

Bei Ryanair in Dublin
Bei Ryanair in Dublin, © Ryanair

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DUBLIN - "Ryanair muss sich ändern", forderten ihre Mitarbeiter 2018 und wagten sich in den Arbeitskampf. Das Management denkt offenbar das Gleiche - und baut die Konzernstruktur um. Die Verwandlung birgt gewaltiges Sparpotenzial. Gewerkschaften haben sie sich wohl anders vorgestellt.

Das Klima ist rauer geworden auf dem europäischen Luftfahrtmarkt, selbst Ryanair-CEO Michael O'Leary beklagte zuletzt den harten Preiskampf. Dem ein oder anderen Branchenkenner dürfte das ein Kopfschütteln entlockt haben.

Denn Ryanair hat den zunehmend aggressiven Wettbewerb um Passagiere über Jahre mit Dumpingpreisen angeheizt, wenn in dieser Form nicht gar initiiert. Eine fluktuierende Masse an Mitarbeitern hat dieses Geschäftsmodell in seiner Logik getragen.

Seit die Mitarbeiter sich in Spanien, Italien, Portugal, Irland, Großbritannien und Deutschland zusammengetan haben, bröckelt das Modell. Die irische Billigairline verliert einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil.

Bezahlung nach Tarif, geregelte Urlaubszeiten, reguläre Beschäftigungsverhältnisse statt Leiharbeit und nebulöser Selbstständigen-Verträge - Posten, die nach und nach auf Ryanairs Bilanz schlagen wie bei anderen auch.

Was den Mitarbeitern gefällt - laut O'Leary haben seit Anfang 2019 nicht mehr so viele Piloten die Airline verlassen wie sonst - bringt das Management ins Grübeln. Und offenbar zu der Ansicht, dass es an der Zeit ist, weiterzuziehen.

Drei neue Airlines in einem Jahr

Die neuen Schauplätze heißen Österreich, Polen und Malta. Den lauten Auftakt der Verwandlung stellte die Übernahme Laudamotions dar. Mit 23 geleasten A320 und A321 steuert sie unter österreichischem AOC und dem Namen Lauda 70 Ziele an.

Leiser vollzieht sich der Aufbau der polnischen Ryanair Sun, die ab Herbst 2019 unter dem Namen Buzz firmieren soll. Die polnische Betriebserlaubnis hat die Ryanair-Tochter seit Anfang 2018, seit dem gleichen Sommer bot sie mit fünf Flugzeugen Charterflüge für Reiseveranstalter an.

Im März 2019 umfasste die Flotte 17 Flugzeuge, als "Buzz" soll die Airline bald 25 Flugzeuge zur Verfügung haben und damit Charter- und Linienflüge für Ryanair durchführen.

"In den letzten 15 Jahren hat sich Ryanair dank der unschlagbaren Kombination aus niedrigsten Tarifen, bestem Kundenservice und größtem Streckennetz zur größten Fluggesellschaft Polens entwickelt – und wir erwarten nun, dass Buzz die Nummer eins in Polen wird", sagte Buzz-Aufsichtratschef Juliusz Komorek im März.

Tatsächlich verfügt Polen im Vergleich zu Ryanairs Stammmärkten über einige Vorteile: mit Wizz Air als großer aktiver Wettbewerberin ist die Konkurrenz auf dem osteuropäischen Low Cost-Markt überschaubar. Die Lohnkosten sind niedrig - und die Mitarbeiter nicht gewerkschaftlich organisiert.

All dies scheint dem Ryanair-Management derart vielversprechend, dass es sich sogar am Ausbau des Warschauer Modlin-Flughafens beteiligen würde. 2019 will Ryanair ihre Kapazität in Polen um vier Prozent steigern.

Die dafür nötigen Piloten rekrutiert die Leiharbeitsfirma Warsaw Aviation für Ryanair Sun, bald Buzz. Laut dem "Kurier" werden Kapitäne und Co-Piloten über diesen Umweg als "Selbstständige" an Ryanair Sun und bei Bedarf auch an andere Airlines des Ryanair-Kosmos ausgeliehen.

Zuletzt stand diese Drohung gegenüber Lauda im Raum: die defizitäre Ryanair-Tochter ist dringend angehalten, in die Gewinnzone zu fliegen, sonst könnten laut dem "Kurier" bald Buzz-Kollegen auf Lauda-Strecken zum Einsatz kommen.
Für die Ausbildung neuer Piloten kooperiert Ryanair mit der polnischen Flugschule Bartolini Air.

Im Steuerparadies Malta schreibt Ryanair sechs dort stationierte Boeing 737 auf maltesisches AOC um. Ihre neue Tochter Malta Air soll dafür verantwortlich zeichnen - ebenso wie für die Basen in Italien, Frankreich und Deutschland.

Offiziell wird es den dortigen Mitarbeitern dadurch ermöglicht, ihre Einkommenssteuer in ihrem jeweiligen Einsatzland abzuführen, eine Kernforderung der Gewerkschaften. Ob alle Mitarbeiter auf das maltesische AOC transferiert werden, ist indes nicht zu erfahren.

Malta Air soll auch den nordafrikanischen Markt erschließen, 200 neue Jobs verspricht die Airline der maltesischen Regierung.

Einstellen und Rauswerfen

Neue Piloten, neue Jobs? Schon jetzt hat die Airline laut Michael O'Leary europaweit 500 Piloten und 400 Flugbegleiter zu viel. Schuld daran sind ihm zufolge das Grounding der 737 MAX, der Brexit und die Tatsache, dass die Mitarbeiter nicht mehr nach wenigen Monaten das Weite suchen.

So wie man es von selbstständigen Piloten erwarten kann, die ihr Berufsleben als Leiharbeiter für verschiedene Airlines fristen. Konkret drohte O'Leary mit Entlassungen in Irland, Großbritannien, Österreich und Spanien.

Die dortigen Gewerkschaften drohen mit Streik - und appellieren an die Vernunft des Managements. "Die Zukunft vieler Familien steht auf dem Spiel", teilt die spanische Sepla mit. Möglicherweise kann das Ryanair-Management sich die mühsamen Verhandlungen mit Gewerkschaften bald wieder sparen.

Metamorphose eines Billigfliegers

Denn vernüfntig ist die Verwandlung der Kozernstruktur durchaus, jedenfalls nach der Logik eines Unternehmens, das mit einem kühlem Blick für Schlupflöcher Kunden die billigsten Preise und Aktionären hohe Renditen bietet.

Die Diversifizierung und Metamorphose Ryanairs könnte der letzte Streich Michael O'Learys sein. Im Februar 2019 hat er angekündigt, sich aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen und sich fortan als Leiter der Ryanair Group um die Kostenreduktion und mögliche Übernahmen kümmern zu wollen. In nicht allzuferner Zukunft will er sich ganz zurückziehen. Die Frage ist, in welcher Gestalt er Ryanair hinterlässt.
© aero.de | Abb.: Ryanair | 21.08.2019 13:46

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Beitrag vom 22.08.2019 - 12:11 Uhr
Ich hab nur ne kurze Frage: „...Kombination aus ... bestem Kundenservice ...“

Hab ich was verpasst?

Ja, die letzte Abzweigung ins Marketing-Universum :-)
Beitrag vom 22.08.2019 - 10:59 Uhr
Ich bin auch noch nie Ryanair geflogen und versuche es auch zu vermeiden.
Hauptgrund ist aber die Mitarbeiterpolitik. Ich will sicher sein, dass die da vorne nicht noch schon per se grössere finanzielle oder gesundheitliche Probleme hat, die er nicht zahlen kann.

Zum Thema oben Kundenservice kann für mich auch ein Lowcoster bieten.
Für mich ist das dann da wie Bus-fahren. Gute schnelle Prozesse, die immer gleich ablaufen, geben mir auch Sicherheit und Zufriedenheit
Ich bin bereit für ein schnelleres Rein und Raus (vom Abflugflughafen - zum Zielflughafen) auch mehr Geld auszugeben.
Kostenloses Essen und Getränke, Zeitung, freier Nebensitz, mehr Beinfreiheit (ich bin 1,96m gross) VIP-Lounge, separater Steward, mehr Service ist mir alles kein Mehrgeld wert. Wie gesagt, das ist wie Bus fahren, die meiste Zeit schlafe ich oder beschäftige mich selbst, wenn ich ein Getränk will, dann bestelle ich eins. Im Bus kann ich auch mal stehen, wenn es voll ist. Alles halb so schlimm aber wenn ich die Busfahrt verkürzen kann, das wäre mir was wert.
Beitrag vom 22.08.2019 - 06:23 Uhr
Ich hab nur ne kurze Frage: „...Kombination aus ... bestem Kundenservice ...“

Hab ich was verpasst?

Ohne jetzt selber Fan oder Hater von Ryanair zu sein, vermute ich: Pünktlichkeit, Effizienz der Kabinencrew, schneller Checkin und Checkout da in der Regel kein Gepäck und natürlich Preis und WWW - Buchung, dass alles kann (Für die angepeilte Zielgruppe eines Lowcosters.) durchaus Kundenzufriedenheit sein. Dazu kommt sicher noch das immer gleiche (Vom Kunden erwartete.) „Flugerlebniss“ da in der Regel alle Maschinen gleich sind. Damit verknüpft ein Kunde sicher eine gewisse „Kontinuität“.


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