HAJ-Chef Raoul Hille
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"Keiner muss das Fliegen mögen"

Flughafen Hannover
Flughafen Hannover, © Flughafen Hannover

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HANNOVER - Hannovers Flughafen-Chef Raoul Hille fordert mehr Geld für die Erprobung klimaschonender Kerosin-Alternativen. Gleichzeitig ist für Hille der Begriff "Flugscham" ein heißer Anwärter auf das Unwort des Jahres. Der Manager erkennt in der aktuellen Klimadebatte viel Stimmungsmache.

"CO2-freies Fliegen wird möglich sein in 20 Jahren, vielleicht schon eher", sagte Hille der Deutschen Presse-Agentur. "Aus CO2 und Wasser kann mit regenerativer Energie synthetisches Kerosin hergestellt werden. Das ermöglicht CO2-freies Fliegen.

Im Labormaßstab funktioniert das schon. "Binnen zehn Jahren ist das im großindustriellen Maßstab zu machen." Um entsprechende Projekte zu finanzieren, solle die Luftverkehrsabgabe von rund einer Milliarde Euro im Jahr zweckgebunden dafür genutzt werden, schlug Hille vor.

Europa habe die Chance, mit der Power-to-Liquid-Technologie eine weltweit führende Rolle einzunehmen, sagte der Manager weiter. "Das wäre ein Segen für die Umwelt."

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte jüngst gemahnt, an die Verwendung von PtX (Power-to-X) strenge ökologische Maßstäbe anzulegen. Für eine klimapolitisch sinnvolle Nutzung von PtX müsse es sich um Produkte aus Erneuerbaren Energien handeln, sagte sie.

Hille hält mit Blick darauf ein Pilotprojekt in Niedersachsen für denkbar, wo an der Küste viel Windenergie produziert wird. "Statt die Windräder in Norddeutschland abzuschalten, weil das Stromnetz die Energie nicht aufnehmen kann, können wir daraus doch synthetisches Kerosin herstellen", sagte er. Und auch die Autoindustrie könne so gewonnene synthetische Kraftstoffe nutzen.

Auf die Debatte um teurere Flugtickets und die sogenannte Flugscham reagierte der Flughafen-Chef dagegen gereizt. "Ganz ehrlich: Wenn ich das Wort Flugscham höre, kriege ich Blutdruck", sagte er. "Keiner muss das Fliegen mögen und man kann alles diskutieren, aber bitte im Lichte objektiver Fakten."

"Verzichtet mal auf Netflix"

In Deutschland gingen lediglich 0,3 Prozent des CO2-Ausstoßes auf Inlandsflüge zurück, weltweit mache der Luftverkehr zwischen 2 und 3 Prozent der Emissionen aus.

"So lange die Kohlekraftwerke brummen, spielt es überhaupt keine Rolle, ob wir fliegen oder nicht", sagte Hille. Auch das Internet habe einen höheren CO2-Fußabdruck als die Luftfahrt. "Da höre ich aber nichts von den Fridays-for-Future-Kids nach dem Motto: "Verzichtet mal auf Netflix".

Die politische Diskussion über eine Kerosinsteuer oder CO2-Bepreisung hält Hille, der die Geschäfte des Airports in Hannover seit 2004 führt, für nicht zielführend, so lange das Geld nicht in Projekte zur Verbesserung der CO2-Bilanz fließt. "Ich höre im Moment nur, was alles verboten und teurer werden soll. Das ist der falsche Weg, das ist Stimmungsmache. Man wird nicht auf den Flugverkehr verzichten können", sagte er.

Eine nationale Kerosinsteuer, wie von den Grünen gefordert, habe zudem zur Folge, dass die Flugzeuge im Ausland betankt würden, mehr Kerosin an Bord hätten und somit mehr CO2 ausstießen. "Eine Kerosinsteuer funktioniert nur, wenn sie in vielen Ländern gleichzeitig kommt."
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Flughafen Hannover | 01.08.2019 08:28

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Beitrag vom 02.08.2019 - 08:52 Uhr
"Blutdruck" bekommen viel Anwohner von Flughäfen eher durch Fluglärm ...
den bekommen etwa um den Faktor 10 höher Anwohner an den Bahnanlagen auch, nur darf die Bahn ungestört im 24 Stunden Dauerbetrieb fahren - nachts besonders gern die Güterzüge.

Besonders "intelligent" finde ich die Konzentration auf "Inlandsflüge". Was soll das aussagen? Ein Flug Hamburg - München ist bäääh, aber ein Auslandsflug München - Salzburg ok? Dann diese Lügen über das ach so billige fliegen und das ach so teuere Bahnfahren: Ich habe mal versucht auf zwei Strecken einen Flug zu finden, der billiger ist als ein Bahnticket. Weder auf der Strecke München - Hamburg noch auf der Strecke München - Frankfurt ist mir das gelungen. Bei langfristig geplanten Reisen fährt man mit der Bahn für 19,90 (Super Spartarif) im ICE ohne Umsteigen nach Hamburg bzw Frankfurt, Flüge fangen bei 89 Euro an. Bei kurzfristigen Reisen (am nächsten Tag) ist die Bahn mit ca 180 Euro gegenüber ca 400 Euro deutlich preiswerter....

Beitrag vom 01.08.2019 - 18:19 Uhr
Lt. unserem Wirtschaftsminister kostet die kWh Windstrom bei der Herstellung 1-2 Cent! (am 2.Mai in der Sendung Maybritt Illner). Das wären dann bei ~ 1,5 Cent also rd. 40 Cent plus Anlagenkosten von 20% unter Euro 0,50 pro l Kerosin.

Soweit unsere Politik. ABER: das Projekt off shore Ostsee hat ohne Gewinn gerechnet Kosten von 10 Cent /kWh bei 20 Jahren Betriebszeit und 4.000 Std. Volllast p.a.. Also das Ganze mal 7, dann werden aus den 50 Cent € 3,50 alles ohne Steuern, EEG, Netzentgelte usw...

""D.h. auch die Ansage aus Hannover "Jemand soll mit diesem Geld einfach billiges SynthKerosin erfinden und dann gehts weiter wie bisher" ist nicht realistisch.""

Wer auf die Erfindung von billigerem Kerosyn wartet kann auch an Ostern auf den Osterhasen warten. Knapp am Schwachsinn vorbei soviel Unwissenheit. Da würde ich doch lieber gleich auf die Erfindung des Perpetuum Mobile warten. So sind unsere Politiker und Manager. Das ist nicht nur nicht realistisch sondern Unglaublich.


Dieser Beitrag wurde am 01.08.2019 20:53 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 01.08.2019 - 17:34 Uhr
Erst einmal sollte man die Rechnung so aufmachen: die 10,375 Mrd. l Kerosin haben einen Energieinhalt von 100,375 TWh denn 1 l Kerosin gleich 10 kWh. Das sind dann vom gesamt Energergiebedarf Deutschlands 4% denn unser Gesamtbedarf liegt bei rd. 2.600 TWH. (Strom 540 TWh)

Soweit richtig, aber wir vergleichen gerade nicht den Verbrauch sondern ermitteln die für die Synthese notwendige Energie.
Die für die Synthese von Diesel/Kerosin aufzuwendende Primärenergie liegt bei bei 27kWh/L. D.h. der Prozess ist Verlustbehaftet.
Damit liegt der Energiebedarf für die Synthese bei den genannten ~285 TWh.
Und diese muss als Strom vorliegen (Elektrolyse).
Ein Vergleich mit dem Gesamtenergieverbrauch inklusive Wärmeerzegung, Schiffs- und KFZ Verkehr ist hier ebenfalls nicht hilfreich, da zur Synthese dieser Menge Kerosin tatsächlich Strom in der genannten Höhe benötigt wird.
D.h. der Anteil an der Stromerzeugung ist relevant (>50%).


Und nun kommt es, wenn wir die gesamte Energie auf Wind, Solar, Fließwasser und Bio umstellen, stellt sich nicht mehr die Frage nach der Wirtschaftlichkeit denn es wird keinen Vergleich zum fossilen Brennstoff mehr geben. Wenn die Wissenschaft ernst genommen wird und wir in spätestens 30 Jahren alles auf Strom umgestellt haben MÜSSEN, regelt sich vieles von selbst.

Ich halte auch den Faktor von 10 für zu hoch, aktuell sind es 2,73 (1 l Kerosin = 10 kWh, zur Herstellung 27,3 kWh) plus Herstellkosten. Es wird aber durch Skalierung bei 3-4 liegen.

Ja, die "plus Herstellkosten" hatte ich bei Faktor 10 mit drin, da wir zum Einen die Energie mit Faktor 2.73 als Strom erstmal erzeugen müssen UND dann noch den Syntheseprozess zahlen müssen, plus dann Fraktionierung und Transport wie heute.

Und das sind die Energiepreise an die wir uns gewöhnen müssen wenn wir es erst meinen. Warum halten sich wohl alle Politier, auch die Grünen, mit konkreten Zahlen so zurück?

Ja, mehr Ehrlichkeit in dem Punkt wäre sicher besser.
Ohne Verhaltensänderungen wird das nicht abgehen. D.h. auch die Ansage aus Hannover "Jemand soll mit diesem Geld einfach billiges SynthKerosin erfinden und dann gehts weiter wie bisher" ist nicht realistisch.

Und ja, wir müssen ausbauen, Wind und Solar auf das jeweils 7-8 fache plus Speicher in Form von H2, sythese Methan unsw.

Da sind wir uns einig...

Dieser Beitrag wurde am 01.08.2019 17:40 Uhr bearbeitet.


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