Airbus A321XLR
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Genialer Schachzug aus Toulouse

Christian Scherer
Christian Scherer, © Andreas Spaeth

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HAMBURG - Airbus hat mit der A321XLR 2019 einen Coup gelandet - der zweite Langstreckenflieger auf Basis der A321neo begeistert Netzplaner. Vor dem Verkaufsstart auf der Pariser Luftfahrtmesse hat Airbus-Marketingchef Christian Scherer die Idee mit Absicht "nicht an die große Glocke gehängt".

Christian Scherer ist einer der wichtigsten Männer im Team von Airbus-Chef Guillaume Faury. Seit 2018 ist Scherer Chief Commercial Officer in Toulouse. Er folgte auf den nur kurz im Amt befindlichen Eric Schulz.

Der eigentliche Maßstab für Scherer ist sein legendärer Vor-Vorgänger John Leahy, der vielen immer noch als der beste Flugzeugverkäufer der Welt gilt und nach 24 Jahren Anfang 2018 widerwillig in den Ruhestand ging.

Leahy war ein Mann des großen Worts, Scherer ist eher ein ruhiger, bedächtiger Typ, wirkt recht norddeutsch, dabei kommt er ursprünglich aus dem Ruhrpott. Der gebürtige Duisburger ist mit seinen 57 Jahren ein Mann mit der absoluten Airbus-DNA - denn er wuchs bereits in Toulouse auf. "Mein Vater Günter Scherer war der deutsche Flugversuchsingenieur an Bord des Erstflugs des Airbus A300 im Oktober 1972", erinnert sich sein Sohn Christian gern.

Dass Christian Scherer gern im Stillen agiert und manchmal seine Aktionen erst mit Verzögerung als von langer Hand geplante geniale Schachzüge erkennbar werden, hat er im Sommer 2019 und den Folgemonaten gezeigt.

Scherer freut sich heute noch diebisch wenn er davon erzählt. "Ich habe das extra nicht an die große Glocke gehängt, sondern fast ganz allein entschieden", berichtet er verschmitzt. "Schließlich wollte ich unseren Wettbewerber nicht alarmieren."

Was im Juni auf der Pariser Luftfahrtschau zwar eine größere Neuigkeit war, aber in seinen wahren Auswirkungen erst in der zweiten Jahreshälfte erkennbar wurde, ist Scherers bisheriges Meisterstück: Die Einführung der A321XLR. Der europäische Flugzeugbauer hat sein ursprünglich aus dem Jahr 1993 stammendes Modell A321, zunächst ein Ladenhüter und dann stark gefragt, neuerdings derart ertüchtigt, dass es nicht mehr nur Kurz- und Mittelstrecken fliegen kann, sondern auch Interkontinental-Routen.

Mit relativ wenig Aufwand lässt sich die A321neo, deren Verkauf eh schon boomt, in ein volltaugliches Langstrecken-Flugzeug verwandeln. Das ermöglicht in der XLR der jetzt hinter dem Flügel fest installierte neue Tank, der 12.900 Liter weiteres Kerosin fasst. Im Gegensatz zu den üblichen modularen ACT-Tankcontainern nutzt dieser neue Tank die bestehende Struktur und den gesamten Rumpfquerschnitt des Frachtraums maximal aus.

Mit den bestehenden Tanks im Flügelmittelkasten und den beiden Flügeltanks kommt die XLR damit auf ein totales Tankvolumen für 34.428 Liter Treibstoff. Wenn das noch nicht reicht kann außerdem noch Platz für weitere 3.121 Liter durch einen weiteren Zusatztank im vorderen Frachtraum geschaffen werden.

Heraus kommt die A321XLR mit einer Reichweite von bis zu 8.700 Kilometern. Genug um von Hamburg nach Miami oder von Stuttgart nach Johannesburg zu fliegen. Und das zu Betriebskosten eines Narrowbodies - genial. Das fanden auch viele wichtige Airlines und griffen prompt zu: die A321XLR (für Extra Long Range) wurde zum Überraschungssieger des Jahres 2019, Airbus kam mit dem Verkünden der Orders kaum nach.

Erstkunde war noch in Paris American Airlines mit 50 Flugzeugen, 30 davon warum umgewandelte A321neo-Orders. "Diese Flugzeuge kosten ein bisschen mehr, aber das Flugzeug bietet uns langfristig so viel mehr Möglichkeiten", freute sich Americans President Robert Isom. Indigo Partners hat für ihre Firmen Wizz Air, Frontier und JetSmart ebenfalls 50 geordert, AirAsia 30.

Auch Qantas bestellte 36 XLR, bevor im Dezember noch United für einen Paukenschlag sorgte und ebenfalls 50 A321XLR bestellte. Spätestens jetzt war klar, dass Boeing sich sein Projekt NMA für die "Mitte des Marktes" sparen kann. Christian Scherer lächelt bei dieser Tatsache nur vielsagend.

Auch viele kleinere Airlines bedienen sich gern bei der A321XLR, von Launch Customer Middle East Airlines (vier) bis Czech Airlines (drei) und sogar Air Malta (zwei) denkt erstmals über Langstrecken nach Indien und in die USA damit nach. Selten passte der Begriff "Game Changer" so gut - aber einer, der leise quasi durch die Hintertür kam und dann abräumte.

Air Transat Airbus A321LR
Air Transat Airbus A321LR, © Airbus

Seit einem Jahr bereits fliegt die A321LR, LR steht für Long Range. Dank extra Treibstofftanks schafft die getunte A321 jetzt Distanzen bis zu 7.400 Kilometer mit etwa 220 Passagieren. Die irische Aer Lingus fliegt damit bereits von Dublin nach Washington DC über den Nordatlantik, TAP Air Portugal von Lissabon nach Belem und Natal in Brasilien über den Südatlantik, dort ersetzen sie jeweils größere A330.

Auch Billigflieger Air Arabia vom Persischen Golf betreibt bereits einige A321LR. "Von unserem Heimatflughafen Sharjah aus können wir damit Strecken von bis zu acht Stunden Flugzeit bewältigen", sagt Firmenchef Adel Ali aero.de. Derzeit bedient Air Arabia längere Routen etwa nach Moskau, Prag, Wien und Nairobi, hat aber auch China im Blick – alles machbar mit den neuen Flugzeugen. "Die sind sehr effizient im Verbrauch und die Anzahl der Sitze, 215 bei uns, zahlt sich aus", so Ali.

"Sie ist etwas langsam"

Ab Ende 2023 wird dann die A321XLR verfügbar sein "Die A321XLR kombiniert die niedrigen Kosten pro Sitz eines Großraumjets mit den wirtschaftlichen Vorteilen eines Flugzeugs mit schmalem Rumpf", betont Yves Renard von Airbus. Damit könnten auch die Karten in der Konkurrenz zwischen etablierten Gesellschaften und Billigfliegern auch auf Langstrecken völlig neu gemischt werden.

"Mit diesen neuen kleineren Langstreckenflugzeugen kann jetzt jeder in diesem Segment mitmischen", sagt Peter Harbison, Gründer der Beratungsfirma CAPA. "Der Airbus A321XLR wird die Branche ebenso aufmischen wie es die Boeing 777-300ER und der Airbus A380 für die großen Gesellschaften vom Persischen Golf getan haben." Auch Leasing-Guru Steven Udvar-Hazy schwärmt: "Die XLR wird nur fünf Prozent höhere Betriebskosten aufweisen als aktuell die A321neoLR, bei der 737MAX haben wir diese Möglichkeit nicht."

Udvar-Hazy enthüllte aber kürzlich, dass auch Boeing an einer Langstrecken-Version seiner 737 MAX arbeitet, die als 737 MAX9ER herauskommen könnte. In der aktuellen Lage ist die Umsetzung allerdings mehr als ungewiss.

Aber nicht alle Airlines sind nur hin und weg von der A321XLR. "Sie ist etwas langsam mit nur Mach 0.8 als maximaler Geschwindigkeit - und beide neue A321-Langstreckenjets sind sehr teure Flugzeuge", wendet Angus Clarke ein, Strategie-Chef bei Air France-KLM. Aber das schmälert den Erfolg von Christian Scherer und seiner Idee nur geringfügig.
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: Airbus | 31.12.2019 12:04

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Beitrag vom 02.01.2020 - 14:53 Uhr
Beim Platz unter den Tragflächen kann man bei der 757 zum A320 keinen Vorteil verbuchen. Es mag mehr Platz sein, aber da der Platz beim A320 in keinster Weise eine Einschränkung darstellt spielt das dann auch keine Rolle.
Die Größe der 757, vor allem der 757-200 denke ich wäre heute am Markt gefragt. Mit Eigenschaften wie bei der 757 damals, also auf Mittelstrecken und kurzen Langstrecken, wäre es ziemlich genau das NMA das Boeing gesucht hat. Aber die 757 stellt einfach keine gute Basis für eine Modernisierung dar. Das Cockpit war damals schon nur noch schwach zeitgerecht und Airbus unterlegen, fly by wire war nicht vorhanden und ist auch nicht eben nebenbei nachgerüstet und zertifiziert und die Tragfläche hätte man so oder so neu designen müssen. Warum dann nicht eh ein neues Flugzeug bauen? Die Zertifizierung wäre durch das fly by wire so oder so verloren gegangen und die Cockpitmodernisierung hätte eh ein neues Type Rating für die Piloten erfordert. Billiger wäre das alles am Ende also wohl auch nicht geworden.

Stimmt so auch nicht ganz. Ein neues Cockpit hat nicht zwangsläufig ein neues Typerating zu bedeuten. Mein Kommentar zu dem Platz spielte eher auf die 737Max an. Auch braucht ein Flugzeug nicht zwangsläufig Fly by wire. Wenn die 757 noch in Produktion gewesen wäre, hätte sie eine Ausgangsbasis bilden können. Ist sie aber (leider) nicht mehr, von daher ist es richtig eine komplette neu Konstruktion in Erwägung zu ziehen. Aber dafür ist man offensichtlich zu spät dran.
Beitrag vom 02.01.2020 - 13:05 Uhr
Nein FW190.

Da ist nicht nur mal eben ein größerer Tank. Die LR hat auf drm bestehenden Frachtladesystem im hinteren Frachtraum einfach nur ACT'S ,also vereinfacht gesagt LD Container, die Treibstoff beinhalten und mit dem Flugzeug verbunden sind.

Die XLR hat dort einen Integraltank, der den jetzigen Frachtraum ersetzt. Das ist ein elementarer Eingriff in die Struktur und muss entsprechend entwickelt, getestet und zertifiziert werden.

Ok, verstehe, trotzdem sind 4 Jahre eine lange Zeit, ist ja dann fast wie eine Neukonstruktion.
Beitrag vom 02.01.2020 - 10:42 Uhr
Nein FW190.

Da ist nicht nur mal eben ein größerer Tank. Die LR hat auf drm bestehenden Frachtladesystem im hinteren Frachtraum einfach nur ACT'S ,also vereinfacht gesagt LD Container, die Treibstoff beinhalten und mit dem Flugzeug verbunden sind.

Die XLR hat dort einen Integraltank, der den jetzigen Frachtraum ersetzt. Das ist ein elementarer Eingriff in die Struktur und muss entsprechend entwickelt, getestet und zertifiziert werden.


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