Covid-19-Krise
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Airbus fährt Produktion um ein Drittel zurück

Airbus A350-1000
Airbus A350-1000, © Airbus

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TOULOUSE - Airbus zieht in der Covid-19-Krise Konsequenzen aus der klammen Lage seiner Kunden. Weil Airlines weltweit ums Überleben ringen und bestellte Passagierjets erst Monate oder Jahre später abnehmen wollen, fährt der Hersteller seine Produktion um rund ein Drittel zurück.

Die Auswirkungen der Pandemie seien beispiellos, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury am Mittwochabend in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Faury hofft, dass es in der Luftfahrt 2021 wieder aufwärts geht. Er habe jedoch "dummerweise keine Kristallkugel".

Zwar habe noch keine Airline wegen des Coronavirus eine Bestellung storniert. Allerdings habe der Konzern eine "große Zahl von Anfragen", für das laufende Jahr oder auch für 2021 geplante Auslieferungen zu verschieben. Die gedrosselte Produktion soll dafür sorgen, dass Airbus gegebene Zusagen einhalten und seinen Kunden zugleich bei den Lieferzeitpunkten entgegenkommen kann.

Daher sollen vom jüngsten Langstreckenjet-Modell A350 vorerst nur noch sechs neue Maschinen pro Monat die Airbus-Werkshallen verlassen. Die Produktion des modernisierten Großraumjets A330neo wird auf zwei Maschinen pro Monat gekappt.

Von den seit Jahren besonders stark gefragten Mittelstreckenjets der Modellfamilie A320 und A320neo will Airbus nun monatlich nur noch 40 Exemplare bauen. Hier hatte die Airbus-Führung die Produktion ab 2021 eigentlich auf 63 Maschinen ausweiten wollen und für die folgenden Jahre weitere Steigerungen angestrebt.

Noch vor wenigen Wochen hatte Faury gesagt, die Produktion in dem Segment sei bis zum Jahr 2025 ausgebucht. Seine dicken Auftragsbücher könnten dem Konzern jetzt ein Stück weit zugute kommen.

Wie lange die Produktion gedrosselt bleibt und ob sie möglicherweise noch stärker gekürzt wird, wagte Faury nicht genau vorherzusagen. "Ich denke, dass die Produktionsraten zumindest für ein paar Monate so bleiben wird."

Wenn sich die Lage ändere, werde man darauf entsprechend reagieren. Viele Fluggesellschaften seien derzeit damit beschäftigt, ihre Bilanzen zu stabilisieren. "Es hängt alles davon ab, inwieweit die Airlines in den kommenden Monaten sich Kreditlinien beschaffen können, um die Flugzeuge zu bezahlen", sagte der Manager.

Auch Airbus versucht das Geld zusammenzuhalten und spricht nach eigenen Angaben mit der Arbeitnehmerseite darüber, wie die Folgen der Produktionskürzung sozial abgefedert werden können. Zunächst gehe es hierbei um den Abbau von Überstunden und Urlaubstagen, sagte Faury. Kurzarbeit werde für Airbus voraussichtlich erst zum Thema, falls der Konzern Werke vorläufig schließen müsse. Allerdings peilt das Management längerfristig auch grundsätzliche Kostensenkungen an, bei denen es auch um strukturelle Fragen wie den Fortbestand einzelner Standorte gehen könnte.

Keine Staatshilfen

Von staatlichen Finanzhilfen will Airbus im Gegensatz zu seinem strauchelnden US-Rivalen Boeing derzeit nichts wissen. "Wir haben nicht nach Staatshilfe für Airbus gefragt", sagte Faury. Mit Blick auf den Boeing-Konzern, mit dem sich Airbus seit Jahren über staatliche Subventionen auf beiden Seiten gestritten hatte, stellt er klar, dass man auch künftig gleiche Wettbewerbsbedingungen für beide Hersteller wolle.

Boeing hatte wegen des mehr als einjährigen Flugverbots für seinen Mittelstreckenjet 737 MAX schon vor der Corona-Pandemie in einer schweren Krise gesteckt.

Unterdessen hielt sich Airbus im März angesichts der Krise vergleichsweise gut. So lieferte der Konzern trotz Unterbrechungen der Produktion insgesamt 36 Verkehrsflugzeuge aus. Ein Jahr zuvor seien es jedoch 55 gewesen, sagte Faury. Zugleich holte er von seinen Kunden Bestellungen für 21 Maschinen herein - 39 Stornierungen bereits herausgerechnet.

Kuwait Airways und Latam bestellten 15 A350 ab. Im ersten Quartal kam der Hersteller damit auf 122 Auslieferungen und 290 Nettobestellungen.

"Das erste Quartal war beim Auftragseingang stark, aber die Situation hat sich komplett geändert", sagte Faury. Seinen im Februar verkündeten Plan, im laufenden Jahr 880 Verkehrsflugzeuge auszuliefern und den operativen Gewinn zu steigern, hatte der Vorstand schon im März gestrichen. Damit der Konzern die Krise übersteht, sollen die Aktionäre auf die Dividende für 2019 verzichten. Außerdem hat sich Airbus im März eine zusätzliche Kreditlinie von mehr als 15 Milliarden Euro gesichert.

Denn der weltweite Flugverkehr ist infolge der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Beschränkungen heftig eingebrochen. Die Fluggesellschaften, die die Auftragsbücher von Airbus und Boeing gefüllt haben, stecken in der womöglich schwersten Krise ihrer Geschichte.

Bei der Lufthansa und ihren Tochtergesellschaften etwa stehen rund 700 der 763 Flugzeuge am Boden. Erst am Dienstag beschloss der Kranich-Konzern, seine Flotte um rund zehn Prozent zu verkleinern. Neue, zusätzliche Flugzeuge könne man in diesem Jahr gar nicht gebrauchen, hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr bereits im März gesagt.

Vielen Airlines droht ohne staatliche Hilfe die Pleite. Der Weltluftfahrtverband IATA rief die Regierungen in aller Welt bereits auf, den betroffenen Unternehmen mit Finanzspritzen, Bürgschaften und anderen Erleichterungen zu helfen. Auch die Lufthansa spricht mit dem Bund über milliardenschwere Beihilfen.

Lufthansa-Chef Spohr und IATA-Chef Alexandre de Juniac gehen davon aus, dass die Branche nach der Krise nicht mehr dieselbe ist wie zuvor. Auch Faury bezeichnete dies als "nicht unwahrscheinlich". Die Lufthansa-Führung erwartet, dass es Monate dauert, bis die weltweiten Reisebeschränkungen vollständig aufgehoben sind, und Jahre, bis die weltweite Nachfrage nach Flugreisen wieder das Niveau aus der Vorkrisen-Zeit erreicht.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Airbus | 08.04.2020 18:55


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