Geparkte Flotten
Älter als 7 Tage

Wenn Airlines ihre Flugzeuge in die Wüste schicken

Flughafen Teruel
Flughafen Teruel, © Flughafen Teruel

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HAMBURG - Rund 17.000 - über 60 Prozent - aller Verkehrsflugzeuge weltweit stehen derzeit am Boden. Für alle einen geeigneten Parkplatz zu finden ist ob dieser Menge keine leichte Aufgabe. Weil Stellflächen an Drehkreuzen begrenzt und teuer sind, motten Airlines ihre Flotten in entlegenen Ecken ein.

Normalerweise starten die meisten Großraumflugzeuge ab Frankfurt nach Dubai, New York und Shanghai, den Top Drei-Langstrecken ab dem Rhein/Main-Flughafen. Doch zuletzt flogen die riesigen Airbus A380 von Lufthansa häufig zu einem merkwürdig anmutenden Zielort, und zwar nur die einfache Strecke, ohne Rückkehr nach Frankfurt.

Am Mittwochmorgen dieser Woche startete zum siebten und vorerst letzten Mal ein solcher Flug mit der Flugnummer LH9924. Den findet man in keinem Flugplan - und die Destination dürfte selbst ausgefuchsten Reisefachleuten nichts sagen: Teruel.

Die 35.000-Einwohner-Stadt liegt in der Provinz Aragonien im Osten Spaniens, etwa auf halbem Wege zwischen Madrid und Valencia. 

Wegen der Corona-Krise und ihren Folgen für die Airlines hat sich der Flughafen Teruel binnen Monaten zu einem Hotspot der europäischen Luftfahrt entwickelt - denn hier bietet die Firma Tarmac Aerosave auch in normalen Zeiten etwas, das jetzt auf einmal extrem gefragt ist: Abstellflächen, auf denen Verkehrsflugzeuge langfristig geparkt und gleichzeitig einsatzfähig gehalten werden können. 

Geparkte Flugzeuge in Teruel
Geparkte Flugzeuge in Teruel, © Tarmac Aerosave

Von der Lufthansa steht hier neben den sieben A380 auch noch die komplette A340-600-Flotte, etliche der Vierstrahler haben keine Zukunft mehr in der künftig kleineren Kranich-Flotte. Auch Air France hat einige ihrer stillgelegten A380 in Teruel geparkt, British Airways fünf Boeing 747.

Inzwischen gibt man sich in der spanischen Provinz weltläufig: die Landung von LH9926 am Mittwoch verkündete der Twitter-Account des Flughafens Teruel sogar auf Deutsch zum Video der Landung. 

Die Ankunft der Lufthansa A380 und A340 in Teruel, © @aeropuertoteruel

"So viele Flugzeuge hatten wir hier noch nie", sagt Pedro Sáez, Direktor der Firma Tarmac-Aragón, derzeit sind es etwa 115, und damit sind die vorhandenen Kapazitäten asphaltierter Flächen so gut wie ausgereizt. "Wir müssen jetzt provisorische Abstellplätze auf vorhandenen Freiflächen schaffen mit dem Auslegen von Metallplatten", so Sáez. 

Etwa 20 bis 25 weitere Flugzeuge sollen so noch aufgenommen werden können, das Gelände ist so groß wie etwa 140 Fußballfelder. Schon plant man die Verdoppelung des Areals – Platz ist genug in der weiten wüstenartigen Landschaft vor Bergkulisse, politisch wurde die Expansion bereits durchgewinkt. 

Allerdings wird die Umsetzung noch einige Jahre dauern, doch Teruel könnte auch von den Spätfolgen der Corona-Krise profitieren, wenn vermutlich viele Flugzeuge endgültig ausgemustert werden. Und das Zerlegen und Recycling nicht mehr benötigter Jets ist das Spezialgebiet von Tarmac Aerosave.

Entscheidendes Kriterium für einen Abstellplatz ist Trockenheit, um damit die Korrosionsgefahr für die empfindliche Flugzeugstruktur minimieren – und genügend Platz. 

Noch nie waren auf der Welt so viele Passagierjets am Boden wie in der Corona-Krise. Derzeit gibt es rund um den Globus etwa 26.000 aktive Verkehrsflugzeuge, die normalerweise im Durchschnitt 102.000 Flüge am Tag durchführen und dabei geschätzte sechs Millionen Menschen täglich befördern. 

Der Flughafen Teruel, © @aeropuertoteruel
 
Etwa eine halbe Million Passagiere befinden sich in normalen Zeiten zu jeder Zeit irgendwo auf dem Globus an Bord eines Flugzeugs. Jetzt ist es fast niemand mehr. Nach Schätzungen des Branchendienstes Cirium standen Ende April knapp 17.000 Verkehrsflugzeuge aller Größen am Boden, etwa 64% der Gesamtflotte. 

Und die Fluggesellschaften haben ihre liebe Mühe, genügend Abstellplätze für ihre Flugzeuge zu finden. Die größten und bekanntesten sogenannten "Boneyards" befinden sich im Süden der USA, auf der Davis Monthan Air Force Base sowie in Marana bei Tucson und in Victorville in Kalifornien. Eine Überführung ihrer Flotten dorthin kommt für europäische Airlines derzeit jedoch kaum in Frage.

Zunächst behalf man sich wie etwa in Frankfurt auf der für den Verkehr gesperrten Nordwest-Landebahn und nutzt sie als temporäre Abstellfläche. "Aber Frankfurt ist sehr teuer", weiß Lufthansa-Chef Carsten Spohr. 

Schwierige Zukunftsplanung

Das Problem ist vor allem, dass nicht absehbar ist, wann wie viele Jets wieder gebraucht werden. Die Airlines hoffen, dass die Restriktionen der Corona-Krise bald weiter gelockert werden und der Betrieb stufenweise wieder starten kann, die meisten Fluglinien planen dies für Juli. 

Gleichzeitig stellt sie der nie erwartete Zwang zum Massen-Grounding vor ungeahnte Probleme - wohin mit den Flugzeugen, damit sie es warm und trocken haben und gleichzeitig schnell wieder abrufbar sind für den Wiederbeginn? 

In Europa ist der zweite große Abstellplatz neben Teruel der Flughafen Tarbes-Lourdes-Pyrénées im Südwesten Frankreichs, hier werden sowohl Abstellplatz als auch Wartungs- und Recycling-Einrichtungen ebenfalls von Tarmac Aerosave betrieben. 

Auch Tarbes verzeichnet starke Zuwächse, der Flughafen richtet sich bereits mit dem frischen Asphaltieren von Pisten und Rollwegen auf weitere Dauergäste ein. In Luftfahrtkreisen gingen im vergangenen Jahr Fotos aus Tarbes viral, als hier die ersten beiden A380 zerlegt wurden, nachdem Singapore Airlines sie ausgemustert hatte. 

British Airways parkt ihre A380-Flotte ebenfalls in Frankreich, die Riesen warten in Châteauroux in Zentralfrankreich auf bessere Zeiten. Swiss dagegen hat ihre Flotte zum Teil auf dem Militärflugplatz Dübendorf nahe ihres Heimatflughafens Zürich-Kloten untergebracht und einige Airbus-Jets jetzt längerfristig in die jordanische Hauptstadt Amman überführt. 

Den größten Aufschwung als Abstellplatz weltweit erlebte der Flughafen Alice Springs im australischen Outback. Gegründet hatte die dortigen Abstelleinrichtungen erst vor wenigen Jahren Tom Vincent. Der ehemalige Analyst der Deutschen Bank wollte sich so seinen persönlichen Traum als Unternehmer verwirklichen. 

Seit 2014 konnte seine Firma Apas bereits rund 40 Jets aufnehmen, aber die Corona-Krise lässt sein Geschäft durchstarten, denn für die Boom-Region Asien/Pazifik ist dies der einzige Abstellplatz in Reichweite. 

Und Flugzeug-Parkplätze können durchaus lukrativ sein – so erzielte Vincent mit einem 13-Monatsvertrag für eine Boeing 777 rund 300.000 Euro Umsatz. "Mein Telefon hört nicht auf zu klingeln, die Nachfrage ist explodiert", berichtete Vincent jetzt der Financial Times. 

Sein größter Coup war die Einlagerung von vier der neuesten A380 von Singapore Airlines im April. "Jetzt starten wir eine Erweiterung, so dass wir bald 70 bis 80 Flugzeuge aufnehmen können", freut sich Vincent.
© aero.de, Andreas Spaeth | Abb.: Aeropuerto de Teruel | 17.05.2020 08:02


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