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EU mahnt Regierungen zum Abstandhalten

Geparkte Lufthansa-Jets
Geparkte Lufthansa-Jets, © Lufthansa

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BRÜSSEL - Ryanair wittert hinter Rettungsschirmen für Airlines "Staatsdoping." Die EU ändert nach einigem Zögern ihren Kurs und will Staatsbeteiligungen an klare Exit-Strategien knüpfen. Brüssel liefert Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Streit um künftigen Regierungseinfluss willkommene Schützenhilfe.

Der Staat geht wieder an Bord: 30 Jahre nach der Privatisierung ist Lufthansa wegen der Corona-Krise auf rund neun Milliarden Euro aus öffentlichen Töpfen angewiesen.

Ähnlich finster sieht die Lage bei Air France-KLM aus und auch der British-Airways-Konzern IAG wird die Krise wohl nicht ohne milliardenschwere Staatshilfen abwettern. Die schon vor Corona insolvente Alitalia kann nach Wiederverstaatlichung mit drei Milliarden Euro rechnen.

"Staatsdoping" nennt Ryanair-Chef Michael O`Leary die geplanten Hilfspakete für die Konkurrenten, die sich nach seiner Rechnung inzwischen auf 30 Milliarden Euro summieren. "Der freie Wettbewerb, der Europas Luftfahrt in den letzten 30 Jahren geprägt hat, ist ernsthaft bedroht."

Diese Sorge teilt man inzwischen auch in Brüssel. Nachdem die EU-Kommission in der Krise zunächst keine Bedenken gegen neue Kredite für Alitalia und Condor äußerte, hat sie Beihilferegeln am Freitag verschärft - und stellt jetzt strikte Bedingungen für staatliche Kapitalspritzen oder die Teilverstaatlichung von Unternehmen.

Die neuen Regeln ließen nun auch Unterstützung durch nachrangige Darlehen zu, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. "Mit dem Fortgang der Krise werden Unternehmen auch Kapital brauchen, um sich über Wasser zu halten. Wenn Mitgliedsstaaten sich entscheiden, einzusteigen, werden wir die heutigen Regeln anwenden, um sicherzustellen, dass Steuerzahler ausreichend entlohnt werden und dass ihre Unterstützung an Bedingungen geknüpft ist."

Dazu zählen ein Verbot von Dividenden und Auflagen gegen Wettbewerbsverzerrung, betonte Vestager. Unter anderem darf den neuen EU-Regeln zufolge die Hilfe zur Rekapitalisierung nur gegeben werden, wenn es keine andere Lösung gibt und die Maßnahme im öffentlichen Interesse liegt, wenn zum Beispiel große Jobverluste vermieden werden können.

Der Umfang muss darauf beschränkt sein, die reine Überlebensfähigkeit der Firma zu sichern. Die Hilfen zur Rekapitalisierung müsse sich der Staat "angemessen vergelten lassen", erklärte die Kommission weiter. Es müsse einen Anreiz für Anteilseigner geben, die vom Staat erworbenen Anteile aufzukaufen. So soll sichergestellt werden, dass der Einstieg des Staats nur "vorübergehend" sei.

Auch eine Exit-Strategie wird gefordert. Bis der Staat wieder ausgestiegen ist, soll ein Verbot von Dividenden und Aktienrückkäufen gelten. Bis 75 Prozent der Rekapitalisierung abgegolten ist, sollen zudem keine Management-Boni gezahlt werden.

"Welt von Alitalias"

Branchenkenner sehen dennoch hohe Risiken. "Es wäre sehr gefährlich, wenn Staaten Anteile von Airlines übernehmen die zuvor privatisiert waren", warnte der deutsche Airlinemanager Christoph Müller erst kürzlich in einer von der Branchenorganisation APEX mitveranstalteten Online-Tagung.

Regierungen könnten nur während der Krise helfen, einige Monate oder ein Jahr zu überbrücken. Wenn Politiker im Aufsichtsrat säßen, würde dies institutionelle Investoren abschrecken, die die Airlines aber unbedingt benötigten. Dies, so Müller, führe zu "einer Welt von Alitalias".

Tatsächlich ist die Politik tief gespalten, wie fest sich der Staat wieder im Airlinesektor verankern soll. Frankreich will Air France im Gegenzug für Staatshilfen zur "klimafreundlichsten Airline der Welt" umbauen. Dafür solle die Airline auf Kurzstrecken nicht mehr in den Wettbwerb mit der Bahn treten.

Ähnliches will Bundesumweltministerin Svenja Schulze auch bei der Lufthansa-Rettung verhandeln. Eine "Reduzierung von Kurzstreckenflügen" sei "richtig", sagte die SPD-Ministerin.

Die nächste Commerzbank?

Schulzes Parteichef Norbert Walter-Borjans will Lufthansa bei einer staatlichen Rettung ebenfalls an kurzer Leine führen. "Es muss klare Bedingungen für ein Engagement der öffentlichen Hand geben", sagte er der "Bild am Sonntag". Es müsse zum Beispiel geklärt werden, "warum die Lufthansa Tochtergesellschaften in Steueroasen hat".

"Wenn deren einziger Sinn steuertaktische Gründe sind, sind Auslandsniederlassungen nicht akzeptabel", sagte Walter-Borjahns. Daneben müsse die Lufthansa Arbeitsplätze sichern, auf die Ausschüttung einer Dividende verzichten und dem Staat Mitsprache gewähren. "Es ist den regeltreuen Steuerzahlern nicht zu vermitteln, wenn Firmen ohne Mitspracherecht des Staates eine Kapitalspritze auf Nimmerwiedersehen erhalten."

Kritisch äußerte sich die FDP zu einer möglichen Staatsbeteiligung. "Eine Direktbeteiligung mit Stimmrechten wäre ein ordnungspolitischer Sündenfall und könnte der Auftakt für eine Verstaatlichungsorgie geben", sagte deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Michael Theurer. "Die Lufthansa ist vor Corona ohne Politik an Bord erfolgreich geflogen."

Theurer äußerte zudem Zweifel, ob ein Wiederausstieg des Staates gelingen könne: "Nichts ist so dauerhaft wie eine staatliche Übergangslösung. Nach elf Jahren Teilverstaatlichung der Commerzbank glaubt doch niemand mehr daran, dass der Ausstieg in absehbarer Zeit realistisch ist."
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Lufthansa | 11.05.2020 10:21

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Beitrag vom 13.05.2020 - 11:33 Uhr
Leider wird vergessen, dass laut Geschäftsbericht 2019, 58% Institutionelle Anleger sind. Da sind die ganzen Gelder der Sparer mit drin, die private Altersvorsorg etc. Immer wenn ein Bluechip draufgeht, dann trifft es die ganz normalen Bürger mit. Man muss sich das, in der heutigen Zeit, wo auf die bösen Investoren geschimpft wird die auf Dividenden verzichten sollen, einfach nochmal bewusst machen. Den Großteil aller Anteile halten (über ihre Masse) ganz normale Bürger über ihre Spareinlagen, die Anlagen ihrer Versicherungen, Rentenfonds etc. Trifft also im Endeffekt alle.

Der "ganz normale Bürger" ist laut Definition zum überwiegenden Teil mündig und wird deswegen auch regelmäßig als Teil des Gesamt-Souveräns zu Wahlen aufgerufen. Er ist demnach jederzeit zu 100% selbst dafür verantwortlich, wie und wo er überschüssiges Geld anlegt und sollte sich informieren, mit welchem Risiko seine Anlage per se verknüpft ist ... und er sollte sich stets vor Augen führen, daß Zinsen nicht von alleine entstehen, sondern immer von anderen Menschen erarbeitet werden müssen.
Folglich ist es vollkommen unerheblich, wer tatsächlich hinter dem Überbegriff "Investor" steht, denn jeder, der Aktien direkt oder indirekt erwirbt, weiß (neben den Chancen) um die Risiken ... auch wenn er diese gerne ausblendet. Kommt das Risiko zum Tragen, ist Mitleid fehl am Platz.
Ersparnisse auf Tagesgeldkonten sind zwar weniger chancenreich, haben aber seit März nicht 20-30% an Wert verloren und sind für's Erste auch nicht vom Totalausfall bedroht.

Stimmt absolut, man sollte meinen der mündige Bürger kommt darauf klar. Leider geht es hier gar nicht in der Masse um die "kleinen" Privatportfolios bei Maxblue, Comdirect oder sonstwo. Viele Anlagen der Bürger sind für den Bürger nicht selbst verwaltbar. Ob das jetzt Rentenfonds, Altersvorsorgen von Firmen, Anlagen von Versicherungen (die legen die Prämien auch an) oder sonstwas sind. In Übersee auch noch viel Stärker die Mutual Funds und Rentenfonds. Das sind Institutionelle Anleger und die legen alle in Bluechips an (frei nach dem Motto "Nobody ever go fired for buying IBM"). Selbst wenn es nur durch eine Erhöhung der Versicherungsprämie ist (weil diese Verluste aus Anlagegeschäften ausgleichen muss), irgendwie wird der Bürger immer getroffen bei sowas.
Beitrag vom 13.05.2020 - 10:48 Uhr
Leider wird vergessen, dass laut Geschäftsbericht 2019, 58% Institutionelle Anleger sind. Da sind die ganzen Gelder der Sparer mit drin, die private Altersvorsorg etc. Immer wenn ein Bluechip draufgeht, dann trifft es die ganz normalen Bürger mit. Man muss sich das, in der heutigen Zeit, wo auf die bösen Investoren geschimpft wird die auf Dividenden verzichten sollen, einfach nochmal bewusst machen. Den Großteil aller Anteile halten (über ihre Masse) ganz normale Bürger über ihre Spareinlagen, die Anlagen ihrer Versicherungen, Rentenfonds etc. Trifft also im Endeffekt alle.

Der "ganz normale Bürger" ist laut Definition zum überwiegenden Teil mündig und wird deswegen auch regelmäßig als Teil des Gesamt-Souveräns zu Wahlen aufgerufen. Er ist demnach jederzeit zu 100% selbst dafür verantwortlich, wie und wo er überschüssiges Geld anlegt und sollte sich informieren, mit welchem Risiko seine Anlage per se verknüpft ist ... und er sollte sich stets vor Augen führen, daß Zinsen nicht von alleine entstehen, sondern immer von anderen Menschen erarbeitet werden müssen.
Folglich ist es vollkommen unerheblich, wer tatsächlich hinter dem Überbegriff "Investor" steht, denn jeder, der Aktien direkt oder indirekt erwirbt, weiß (neben den Chancen) um die Risiken ... auch wenn er diese gerne ausblendet. Kommt das Risiko zum Tragen, ist Mitleid fehl am Platz.
Ersparnisse auf Tagesgeldkonten sind zwar weniger chancenreich, haben aber seit März nicht 20-30% an Wert verloren und sind für's Erste auch nicht vom Totalausfall bedroht.
Beitrag vom 12.05.2020 - 18:54 Uhr
Die Forderung aus der SPD alle Aktivitäten bei der LH in "Steueroasen" zu unterbinden ist auch mal wieder so provinziell und weltfremd wie es nur die liebe Poltik in Deutschland schafft. Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. So lange es keine einheitlichen, weltweiten Regeln zu dem Thema gibt, würde die LH einen enormen Nachteil gegenüber der Konkurrenz (und allen möglichen anderen DAX Unternehmen die dort auch ansässig sind) haben.

Also liebe SPD: Da ihr Teil der Regierung seid, arbeitet daran, globale Spielregeln zu erstellen. Wenn es diese gibt und für alle (*lach*) gelten, dann könnt ihr auch die Lufthansa rauspicken und draufrumreiten.

Nur weil es vermeintliche "Steueroasen" sind, ist Steuervermeidung/Tax Avoidance (legal wegen unzähliger regulatorischer "Ausnahmen/Lücken") noch lange nicht illegal wie die Steuerhinterziehung/Tax Evasion!

Das ist das Schutzschirmverfahren vielleicht doch die bessere Alternative, zumal da die raffgierigen illoyalen Aktionäre da leer ausgehen.

Leider wird vergessen, dass laut Geschäftsbericht 2019, 58% Institutionelle Anleger sind. Da sind die ganzen Gelder der Sparer mit drin, die private Altersvorsorg etc. Immer wenn ein Bluechip draufgeht, dann trifft es die ganz normalen Bürger mit. Man muss sich das, in der heutigen Zeit, wo auf die bösen Investoren geschimpft wird die auf Dividenden verzichten sollen, einfach nochmal bewusst machen. Den Großteil aller Anteile halten (über ihre Masse) ganz normale Bürger über ihre Spareinlagen, die Anlagen ihrer Versicherungen, Rentenfonds etc. Trifft also im Endeffekt alle. Es gibt ein paar Ausnahmen mit Konzernen die noch große Einzelinvestoren haben (z.B. BMW). Da BMW im Endeffekt aber noch ein Familienunternehmen ist, werden dort eh andere Maßstäbe angesetzt und in Krisenzeiten eher auf Dividende verzichtet und Geld im Unternehmen gehalten. Bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht wie Daimler und VW nicht auch gerne jetzt ne neue Abwackprämie hätten.


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