Flugschüler in der Krise
Älter als 7 Tage

Wie weiter nach Corona?

European Flight Academy
European Flight Academy, © European Flight Academy

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FRANKFURT - Die Luftfahrtkrise durchkreuzt die Karrierepläne junger Piloten und Hunderter Flugschüler. aero.de ist vor einem virtuellen Thementag zur Flugausbildung in Zeiten von Corona auf Stimmenfang gegangen. Wie heftig wirkt sich Corona auf den Trainings- und Arbeitsmarkt aus?

LGH2003-P hält die rote Laterne: nur einen Monat nach dem Start am 13. März 2020 war die Ausbildung für den vorerst wohl letzten Kurs an der Lufthansa-Flugschule EFA schon wieder vorbei. Gerade hat Lufthansa die Trainingspause für 800 EFA-Schüler bis Jahresende verlängert.

"Aufgrund der rasanten weiteren Ausbreitung des Coronavirus in den USA, insbesondere in südlichen Staaten wie Arizona und Florida, ist es uns in absehbarer Zeit nicht möglich, das dortige Training wieder aufzunehmen", teilte die EFA mit. Und: Bedarf an Absolventen bestehe im Lufthansa-Verbund zumindest "mittelfristig" nicht.

Angesichts der trüben Karriereaussichten bietet Lufthansa den EFA-Schülern eine Fast Lane an - aus der Flugschule. "Wir schauen uns jeden Einzelfall an und besprechen einen möglichen Auflösungsvertrag mit dem Schüler, so der Schüler auf uns zukommt und ein Angebot wünscht", sagte EFA-Sprecher Dirk Sturny aero.de.

Der seit 2017 angesichts drohender Engpässe heiß gelaufene Trainings- und Arbeitsmarkt für junge Piloten ist binnen Wochen gekippt. "In den nächsten Jahren werden Flugschüler durch den aktuellen Personalüberhang so gut wie keine Chance auf einen Arbeitsplatz mit fairen Arbeitsbedingungen haben", warnt die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit.

Wer gerade mitten in der Ausbildung steckt, steht vor einer harten Entscheidung: abschließen und auf eine Erholung hoffen - oder die Uniform in den Schrank hängen und einen anderen Karriereweg einschlagen.

"Kurz vor der ATPL oder MPL bricht zwar kaum einer ab", sagt ein betroffener EFA-Schüler aero.de. "Viele von uns werden sich zum Wintersemester aber für ein Studium einschreiben - das war nicht Plan A, aber der Übertritt zu Lufthansa, Eurowings oder Austrian ist erstmal versperrt."

Experten rechnen damit, dass sich der Trend zu einem akademischen zweiten Standbein neben der Flugausbildung in den nächsten Jahren auch ohne Corona verfestigt hätte.

Virtueller Thementag

Unter dem Leitbild "Neustart 2020 - Flugausbildung in Zeiten von Corona" findet auf aero.de am 06. August ein frei zugänglicher, virtueller Thementag mit Webinaren zur akuellen Situation am Trainingsmarkt statt.

Die Fachhochschule Aachen wird dabei in einem Vortrag ihren dualen Studiengang "Flugbetriebstechnik und Verkehrspilotenausbildung" vorstellen, der mit einen Bachelor in Ingenieurswissenschaften und einer ATPL abschließt. Die FH Aachen verspricht Absolventen durch die Kombination "Berufschancen in vielen Industriezweigen."

Doch welche Airlines werden überhaupt wieder junge Piloten aufnehmen? "Der innereuropäische Flugverkehr wird sich wieder schneller erholen als die Langstrecke", sagt Michael Müller von ATTC, der Piloten seit 25 Jahren beim Berufseinstieg und Cockpitwechsel berät.

Günstigairlines werden sich laut Müller zügiger an den Flugmarkt nach Corona anpassen können als Konzerne mit großem Interkontanteil. "Die klassische ATPL gibt mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt als eine MPL, immer wichtiger wird aber die begleitende MCC-Ausbildung nach dem aktuellen Airlinestandard APS."

Mit Flugschulen aus Deutschland und Österreich hat Müllers Firma schon vor der Krise ein Programm entworfen, das Flugschüler bis zum Berufseinstieg als Erster Offizier begleitet und auch die Finanzierung regelt. Doch auch Müller rät zu einem doppelten Boden. "Ein Studium ist defintiv sinnvoll - auch in Hinblick auf einen möglichen Lizenzverlust im Lauf der Jahre."

Fliegen im öffentlichen Dienst

Fliegen bei maximaler Jobsicherheit bieten - zumindest derzeit - fast nur Rettungsstaffeln und öffentliche Arbeitgeber. Die Bundespolizei wird am 06. August in einem Webinar auf aero.de über ihr Ausbildungsprogramm informieren. Die Krise lenkt den Fokus weg von konzerngebundenen Programmen hin zu freien Flugschulen und den öffentlichen Sektor.

Langfristig könnte sich das Blatt auch für junge Piloten wieder wenden. "Wir bleiben davon überzeugt, dass die Marktnachfrage langfristig wieder anzieht und sich so auch die Perspektiven für Piloten bessern", sagt Dirk Sturny von der EFA. "Wir rechnen jedoch damit, dass es einige Jahre dauern wird, bis die internationale Luftfahrtbranche das Vorkrisenniveau erreicht."
© aero.de | Abb.: Lufthansa | 26.07.2020 14:04

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Beitrag vom 27.07.2020 - 13:01 Uhr
Wie bereits erwähnt,
durch die Fortführung der Schulung von bestehenden Schülern entstehen Kosten, welche nicht durch die “Rekrutierung” neuer Schüler gedeckt werden können.

Die Finanzierung ist in der Regel eine “Queerfinanzierung” sprich, die Einzahlung eines neuen Schülers deckt die Kosten eines Bestandsschülers. Quasi genau wie die Buchung eines Fluges in drei Monaten die Kosten des aktuellen bezahlt.

Dadurch entsteht natürlich ein geringeres Interesse der Weiterführung der Schulung seitens der Flugschule.

Da Abnahmegarantien der Airlines des LH Konzerns sowieso mehr oder weniger der Vergangenheit angehören ist das vermutlich weniger ein Grund die Schulung nicht fort zu führen.


Das ist nicht ganz korrekt. Ihre Beschreibung trifft sicherlich auf jene Flugschulen zu, die für den freien Markt produzieren. Die LAT produziert trotzdem hauptsächlich für den Bedarf der LH-Group. Sofern sie nicht die finanziellen Mittel haben (und das dürfte auf sehr viele zutreffen), nehmen Flugschüler der LAT überwiegend das Stundungsmodell in Anspruch, zahlen damit also die Kosten erst mit einer Anstellung im LH-Konzern zurück (oder wenn sie sich "herauskaufen" wollen). Somit dreht sich das ganze um und die ausgebildeten Flugschüler zahlen die Kosten der neuen Schüler und die der Bestandsschüler. Solange es aber keinen Bedarf gibt, werden die Kosten auch nicht zurückbezahlt.

Dieser Beitrag wurde am 27.07.2020 13:02 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 27.07.2020 - 12:36 Uhr
Wie bereits erwähnt,
durch die Fortführung der Schulung von bestehenden Schülern entstehen Kosten, welche nicht durch die “Rekrutierung” neuer Schüler gedeckt werden können.

Die Finanzierung ist in der Regel eine “Queerfinanzierung” sprich, die Einzahlung eines neuen Schülers deckt die Kosten eines Bestandsschülers. Quasi genau wie die Buchung eines Fluges in drei Monaten die Kosten des aktuellen bezahlt.

Dadurch entsteht natürlich ein geringeres Interesse der Weiterführung der Schulung seitens der Flugschule.

Da Abnahmegarantien der Airlines des LH Konzerns sowieso mehr oder weniger der Vergangenheit angehören ist das vermutlich weniger ein Grund die Schulung nicht fort zu führen.
Beitrag vom 26.07.2020 - 20:39 Uhr
Aus Sicht der Flugschule und der LH-Group Airlines macht es derzeit einfach keinen Sinn, die Ausbildung früher als geplant wiederaufzunehmen. Das führt am Ende nur dazu, dass die Flugschüler fertig sind, aber keinen Job haben, weil kein Bedarf besteht. Außerdem entstehen für die Flugschule Kosten, denen zunächst keinen Einnahmen entgegenstehen.

Private Flugschulen bilden natürlich weiter aus, weil die nur für die Ausbildung zuständig sind. Wo die Flugschüler am Ende landen, ist dann nicht mehr das Problem der Schule.


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