Ultra-Langstrecke 2.0
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Vom Airbus A340-500 zur A350-900ULR

SINGAPUR - Die Wiederaufnahme von Nonstop-Flügen nach New York durch Singapore Airlines markiert den Beginn einer neuen Ära. Vor fünf Jahren hatte die Airline die ultralange Strecke eingestellt, weil sich die Flüge mit A340-500 nicht rechneten. Jetzt startet sie mit A350-900ULR neu. Ein Vergleich.

Die Flugnummern der ab dem 11. Oktober wieder aufgenommenen längsten Flugverbindung der Welt zwischen Singapur und New York-Newark sind geblieben, SQ21 und SQ22. Und die Start- und Endpunkte genauso wie die Tatsache, dass die jetzt wieder mit Abstand längste Nonstop-Route der Welt mit einem Airbus bedient wird.

2004 warb Singapore Airlines für den ersten nonstop-Flug von New York nach Singapur
2004 warb Singapore Airlines für den ersten nonstop-Flug von New York nach Singapur, © Andreas Spaeth

So ziemlich alles andere aber hat sich in den fünf Jahren seither geändert, in denen es diese Nonstop-Verbindung nicht gab. Singapore Airlines (SIA) hat diese je nach Flugroute zwischen 15.700 und 16.600 Kilometer lange Strecke mit Flugzeiten von rund 18 Stunden bereits zwischen 2004 und 2013 bedient.

Dann rechnete sich das mit der spritdurstigen vierstrahligen A340-500 nicht mehr. Ende September erhielt SIA die erste von sieben bestellten Sonderversionen der A350, die A350-900ULR, mit denen sie zunächst New York und dann weitere US-Städte nonstop mit ihrem asiatischen Heimat-Drehkreuz verbinden will.

Und das ist erst der Anfang – Qantas will ab 2022 die ultimative Langstrecke nonstop anbieten, London-Sydney in bis zu 22 Stunden. Dafür haben die Australier Airbus und Boeing um Vorschläge für geeignete Flugzeuge gebeten, derzeit scheint eine eigens dafür konzipierte neue ULR-Version der A350-1000 dafür die besten Chancen zu haben.

Singapore Airlines Airbus A350-900ULR
Singapore Airlines Airbus A350-900ULR, © Singapore Airlines

Impressionen eines Nonstopflugs von Newark nach Singapur aus dem Jahre 2004 verdeutlichen die Unterschiede zu ihrer aktuellen Neuauflage: Über eine Stunde nach dem Start auf dem Flughafen Newark ist Flug SQ21 bereits in der Luft und immer noch schwerfällig dabei, über der Labradorsee seine Reiseflughöhe zu erklimmen.

Nicht einmal 9.000 Meter hoch gleitet das riesige Flugzeug über dem dunklen Ozean dahin, wo andere Maschinen üblicherweise drei Kilometer höher unterwegs sind.

Doch die beiden Piloten gehen nicht mit vollem Schub auf größtmögliche Höhe - Sparsamkeit ist oberstes Gebot. Schließlich müssen die rund 215.000 Liter Kerosin in den extra großen Tanks reichen, um den beim Abheben fast 360 Tonnen schweren Flieger einmal um die halbe Erdkugel tragen.

Damals verfügte die A340-500 über extra große Tragflächen, um die extreme Spritmenge aufzunehmen. Das Flugzeug verbrauchte damals acht Tonnen Sprit pro Stunde.

Singapore Airlines Airbus A350-900ULR
Singapore Airlines Airbus A350-900ULR, © Airbus

Da ist die A350-900ULR ein Quantensprung: Ihr Verbrauch liegt bei nur noch 5,8 Tonnen pro Stunde. Um ihre Reichweite gegenüber der Standardversion auf 9.700 nautische Meilen (18.000 Kilometer) zu steigern sind nicht einmal Zusatztanks nötig.

Die bestehenden Tanks wurden lediglich so angepasst, dass ihre Kapazität statt üblicherweise 140.000 Liter jetzt 165.000 Liter beträgt. 24 Tonnen mehr Sprit wird für die Nonstop-Route zwischen Singapur und New York benötigt, das maximale Startgewicht der ULR-Version um fünf Tonnen auf 280 Tonnen erhöht, dank neuer Materialien erheblich leichter als die A340-500.

Wetterdaten bestimmen die Route

Die Route wird damals wie heute jeden Tag von der Einsatzzentrale in Singapur nach aktuellen Wetterdaten festgelegt. Von New York aus geht es entweder direkt über den Nordpol, vor allem zwischen Mai und August.

Meist aber führt Flug SQ 21 wegen der günstigeren Rückenwinde über den Atlantik nach Europa, über Stockholm fädelt sich der Airbus dann auf die übliche Route nach Südostasien ein. "Das sind zwar 500 Kilometer mehr als auf der Polroute, wir sind aber trotzdem oft eine halbe Stunde schneller und verbrauchen weniger", erklärt Flugkapitän Ray Chaudhury, Vize-Chefpilot der SIA-A350-Flotte.

Singapore Airlines Airbus A350-900ULR
Singapore Airlines Airbus A350-900ULR, © Airbus


Für den Zeitgewinn von rund vier Stunden zahlten SIA-Passagiere in der A340-500 noch einen Aufpreis von zehn Prozent gegenüber den weiterhin angebotenen Verbindungen mit Zwischenlandung.

Das ist heute anders, obwohl der Zeitgewinn gegenüber der One-Stop-Verbindung via Frankfurt in der A380 inzwischen sogar bei fast fünf Stunden liegt. Bei einer Stichprobe für Mitte Oktober ist der günstigste Economy-Flug Singapur-New York mit Stopp für gut 1.600 Euro buchbar (2004 waren es noch etwa 900 Euro für Hin- und Rückflug).

In Premium Economy kostet es mit Stopp in Frankfurt im Oktober fast 1.900 Euro retour. Der Nonstop-Roundtrip zwischen Südostasien und Manhattan liegt im Oktober dagegen erstaunlicherweise bei nicht einmal 1.700 Euro in der Premium Economy, der günstigsten Option in der A350-900ULR.

Vor 14 Jahren bei der Einführung der Ultra-Langstrecke waren die fünf SIA-A340 noch etwas Besonderes, da es ausschließlich hier eine aufgewertete "Executive Economy"-Kabine gab, was heute der auf allen SIA-Langstrecken angebotenen Premium Economy Class entspricht.

Die Kabine der A340-500 bot anfangs aus Gewichtsgründen nur zwei Klassen für insgesamt gerade 181 Passagiere, möglich gewesen wären 313. Maximal 64 Fluggäste reisten in der Business Class, wo die Sitze in 1-2-1-Anordnung zu flachen Betten mit damals noch leichter Neigung verstellbar waren.

Die Stehbar im A340 auf dem ersten nonstop-Flug von Newark nach Singapur
Die Stehbar im A340 auf dem ersten nonstop-Flug von Newark nach Singapur, © Andreas Spaeth

Bis zu 117 flogen in der extra geräumigen Economy-Klasse mit 93cm Sitzabstand. Ganz hinten befand sich auch für Economy-Gäste eine eigene Stehbar mit Snacks und Wasser.

Später rüstete SIA ihre A340-500 auf nur noch hunderte Business Class-Sitze um. Selbst das brachte am Ende nicht genügend Ertrag: wegen der steigenden Spritpreise wurden die Flüge immer unwirtschaftlicher.

Heute ist die Kabine der A350-900ULR wieder in zwei Klassen am Start – mit jetzt 67 Sitzen in Business Class hat sich deren Zahl kaum verändert, während der heutige Premium Economy-Standard so gestiegen ist, dass gerade 94 Sitze zur Verfügung stehen, in 2-4-2-Anordnung und mit 38 Zoll (96,5cm) Abstand.

Besonders wichtig bei Flugzeiten von über 18 Stunden ist die Bordunterhaltung. Auch da ein Quantensprung: 2004 hatte die A340-500 rund 400 verschiedene Audio- und Filmprogramme abrufbar – heute werden zu den bei SIA ohnehin vorhandenen tausend Stunden Content für die Ultralangstrecke noch 200 Stunden extra bereitgestellt.

Lange Ruhezeiten für Piloten

Geflogen werden die extra langen Flüge von zwei kompletten Cockpit-Crews, die vor Abflug in Singapur mindestens zwei Tage frei haben und vor dem Rückflug aus den USA drei Nächte, und weitere vier Nächte nach der Rückkehr nach Asien.

Erstmals stehen beiden Piloten mit Ruhezeit zwei eigene Ruheräume mit eigenem Eingang an Stelle eines Eingangs und Trenngardine wie sonst üblich zur Verfügung.

Für kürzere Pausen werden auch Sitze in Business Class für die Piloten freigehalten. "Ich werde auf diesem 18-Stunden-Flug oft sieben Stunden lang schlafen", sagt Captain Ray Chaudhury.

Für den Komfort der bis zu 161 Passagiere sorgt dagegen ein spezielles Wellness-Programm, inklusive Moodlighting. "Heutzutage liegt der Fokus noch mehr auf dem Wohlergehen als damals", sagt Betty Wong, bei SIA für den Bordservice zuständig.

"Sie werden das Flugzeug glücklich, lächelnd und erfrischt verlassen und die bis zu 19 Stunden nicht fühlen, die es dauerte ans Ziel zu kommen" verspricht sie.

Sollte das mal nicht so sein, hatte SIA bereits 2004 vorgesorgt und tut das auch jetzt wieder: Als erste Fluggesellschaft der Welt hatte sie damals zwischen der hinteren rechten Tür und der Bordküche ein zwei Meter langes Staufach einbauen lassen. Auf dessen Tür prangt ein Hinweisschild mit der englischen Abkürzung für "Miscellaneous", zu deutsch etwa "Verschiedenes", und das kann man wörtlich nehmen.

Denn das Fach ist in pragmatischer Voraussicht auf die gar nicht seltenen Todesfälle in der Luft als vorläufige Ruhestätte für jene an Bord Verschiedenen gedacht, die das Ende der langen Reise nicht lebendig erleben.
© Andreas Spaeth | Abb.: Airbus | 29.09.2018 07:10

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Beitrag vom 30.09.2018 - 12:49 Uhr
Es wird eine Nutzlast über eine gewisse Strecke transportiert mit x-Kerosinverbrauch.
Genau so ist es. Und der A345 war doch ein echter "Verkaufsschlager"? Vielleicht bekommt er noch mal ein bisschen Leben eingehaucht, wegen der Reichweite? Wird bei Airbus die nächste Generation eigentlich wieder aus Plastik?
Beitrag vom 30.09.2018 - 12:04 Uhr
Was ne verquerte Diskussion.
Fakt ist, der A345 ist in diesem Fall nach Pax/Fracht ähnlich der A359.
Und da verbraucht der A359 wesentlich weniger Kerosin. Da ist doch die Anzahl der Trievwerke irrelevant.
Es wird eine Nutzlast über eine gewisse Strecke transportiert mit x-Kerosinverbrauch.
Warum tut der A359 das effektiver? Weil er leichter ist und der Antrieb verbrauchsoptimaler.
Beitrag vom 30.09.2018 - 11:04 Uhr
NeilArmstrong kann ich gut nachvollziehen. Mir ist es doch eher egal ob mein Flugzeug 400 oder 500 Tonnen wiegt, dafür aber 25 oder 30 Prozent mehr Kerosin säuft (Mehrverbrauch plus Ausgleich für das höhere Startgewicht usw.)
Meine Rechnung ist doch: Wieviel Kerosin muss ich kaufen und wieviele Tonnen Nutzlast kann ich dafür verkaufen (Passagiere, Gepäck, Fracht ...)? Jede Strecke ist anders, jeder Flug ist anders ausgelastet, hier ganz allgeimein zwei Flugzeuge gegenüber zu stellen, macht wenig Sinn. Ich muss verschiedene Szenarien vergleichen, und manchmal gewinnt vielleicht sogar der Vierstrahler. Wenn es zum Beispiel auf weitere Aspekte ankommt, zum Beispiel die Flugzeit um einen Rückflug am gleichen Tag zu schaffen oder eben nicht.


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