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Kann Wasserstoff die Zukunft sein?

Entwurf eines Wasserstoff-betriebenen Flugzeuges von Bauhaus Luftfahrt
Entwurf eines Wasserstoff-betriebenen Flugzeuges von Bauhaus Luftfahrt, © Bauhaus Luftfahrt

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MÜNCHEN - Staatliche Förderprogramme rücken wasserstoffbetriebene Flugzeuge in den Fokus. Laut einer neuen Studie könnte ein erster Demonstrator für Kurzstreckenflüge bis 2028 entwickelt werden. Ganz neu ist die Idee nicht. Doch es gibt noch viele offene Fragen.

Und plötzlich ist das Thema Wasserstoff in der Luftfahrtforschung (wieder) oben auf der Agenda. Anfang Juni verkündete die französische Regierung, der heimischen Aerospace-Industrie im Rahmen eines Rettungspakets auch 1,5 Milliarden Euro für die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien zur Verfügung zu stellen.

Kaum zwei Wochen später stellten die europäischen Forschungsprogramme Clean Sky 2 und Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) eine von ihnen in Auftrag gegebene Studie von McKinsey & Company mit dem Titel "Wasserstoffbetriebene Luftfahrt" vor.

Daran mitgewirkt haben 24 Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, darunter Airbus, der Raketenbauer ArianeGroup und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Anfang Juli verabschiedete auch die EU-Kommission ihre neue Wasserstoff-Strategie.

Erreichung der ambitionierten Klimaziele

Mehr als 900 Millionen Tonnen CO2 stößt die Luftfahrt jährlich nach Angaben der McKinsey-Studie aus. Wasserstoff hätte das Potenzial, so die Autoren, einen Beitrag zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele der Air Transport Action Group zu leisten – nämlich eine Halbierung der CO2-Emissionen bis 2050 (im Vergleich zu 2005).

Doch die technologischen Herausforderungen sind groß. "Es ist ein Schlüsselmoment für die Luftfahrt", so Axel Krein, Executive Director von Clean Sky 2 bei der Vorstellung der Studie.

Experten gehen davon aus, dass es mindestens zehn bis 15 Jahre dauert, um Wasserstoff-Antriebe in die kommerzielle Luftfahrt einzuführen. Eine Indienststellung 2035 erscheint zumindest theoretisch möglich. "Um die ehrgeizigen Zeitpläne und Ziele zu erreichen, muss die erforderliche Forschung jetzt angegangen werden", so Krein.

Bereits in den 1970er-Jahren erlebte die Forschung zum Thema Wasserstoff-Luftfahrtantriebe einen Höhenflug. Allerdings nicht aus Umweltgründen, sondern getrieben durch die steigenden Rohölpreise. Mit dem Ende der Ölpreiskrisen schwanden das Interesse und die nötigen Fördergelder, um die Entwicklungen voranzutreiben.

Als die Sowjets 1988 mit einer auf flüssigen Wasserstoff umgerüsteten Tupolew Tu-154 Flugversuche durchführten, wurde man im Westen nervös. Die FLUGREVUE schrieb damals: "So schätzen Wissenschaftler aufgrund des Erstflugs der Tu-155 in der Sowjetunion, daß man dort einen Technologie-Vorsprung auf diesem Gebiet von rund fünf Jahren hat." Am Ende wurde auch dieses Projekt nicht weiterverfolgt.

Fliegt der A320-Nachfolger mit Wasserstoff?

Die McKinsey-Studie beschreibt am Beispiel eines Standardrumpfflugzeugs in der Größe eines Airbus A320 die technischen Hürden eines parallelen Hybrid-Antriebs aus Brennstoffzellen und Turbinentriebwerken, die Wasserstoff anstatt Kerosin verbrennen.

Ein Problem ist die Lagerung von flüssigem Wasserstoff (LH2), auf den sich McKinsey fokussierte, weil er weniger Platz verbraucht als in Gasform und die Tanks leichter sind. Zwar liefert LH2 rund dreimal soviel Energie pro Gewicht wie Kerosin, beansprucht aber etwa das Vierfache an Platz.

Die Wasserstofftanks müssten deshalb und zur Vermeidung von Verdampfung im hinteren Rumpf untergebracht werden. Eine A320 wäre dann in etwa so lang wie eine A321 und hätte ein um 14 Prozent höheres maximales Startgewicht.

Die Cryoplane-Studie sah ein Modell auf Basis des Airbus A310 vor.
Die Cryoplane-Studie sah ein Modell auf Basis des Airbus A310 vor., © EADS Airbus


Auch das System zur Verteilung, Verdampfung und Einspeisung von LH2 in Brennstoffzellen und Triebwerke müsste erst noch entwickelt werden. Flüssiger Wasserstoff muss auf minus 253,15 Grad Celsius gekühlt und unter hohem Druck gelagert werden.

Leitungen, Ventile und Verdichter müssten dafür ausgelegt, Leckagen und Materialversprödung vermieden werden. Zudem wären effizientere Niedertemperatur-Brennstoffzellen mit einer zwei- bis dreimal höheren Leistungsdichte als heute nötig.

Sie könnten in Kombination mit Batterien die Energie für den Reiseflug zur Verfügung stellen. Für Start und Steigflug kämen Triebwerke zum Einsatz, die Wasserstoff direkt verbrennen. Sie müssten für einen möglichst geringen Stickoxidausstoß optimiert werden. Forschung und Investitionen wären auch in eine entsprechende Infrastruktur am Boden nötig.

Schadstoffausstoß sinkt, Betriebskosten steigen

Ein Hybrid-Kurzstreckenflugzeug würde im Flugbetrieb keinerlei CO2 ausstoßen. Die gesamte Klimawirkung (wenn auch Stickoxide, Ruß, Wasserdampf und Kondensstreifen berücksichtigt werden) ließe sich laut McKinsey & Company um 75 Prozent im Vergleich zu einer kerosinbetriebenen A320 verringern.

Die Gesamtbetriebskosten würden um rund ein Viertel steigen (18 Euro zusätzlich pro Passagier). Laut der McKinsey- Studie sind Wasserstoff-Antriebe bis zum Segment der Mittelstreckenflugzeuge (250 Passagiere, 7.000 km Reichweite) im Vergleich zum Betrieb mit synthetischem Treibstoff günstiger oder von den Kosten her vergleichbar.

Wie Wasserstoff als Treibstoff künftig auch für die Langstrecke interessant werden könnte, hat ein interdisziplinäres Team am Bauhaus Luftfahrt in München untersucht.

Das Konzept Hyliner 2.0 sieht ein Widebody-Flugzeug mit 400 Sitzplätzen und einer Fluggeschwindigkeit von Mach 0.7 vor. Um den Energiemehraufwand wegen des vergrößerten Rumpfquerschnitts zu minimieren, könnte ein in den Rumpf integriertes Triebwerk zum Einsatz kommen.

Der tanklose Flügel und die niedrigere Fluggeschwindigkeit würden weitere neue Technologien ermöglichen, beispielsweise Laminarflügel oder Flügel mit sehr hoher Streckung. Ob die pandemiebedingte Krise der Luftfahrt wirklich zu einem radikalen Technologiewechsel führt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Vorreiter aus dem Osten

In den 1980er-Jahren wurden in der Sowjetunion Flugtests mit alternativen Treibstoffen für zivile Jets durchgeführt. Dafür wurde eine Tupolew Tu-154 so modifiziert, dass eines ihrer drei NK-88 mit Flüssigwasserstoff (später mit Erdgas) betrieben werden konnte. Der Prototyp namens Tu-155 flog erstmals am 15. April 1988. Die als Tu-156 geplante Serienversion wurde nie verwirklicht.

Anfang der 2000er-Jahre untersuchte Airbus zusammen mit 36 weiteren Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Rahmen des Cryoplane-Projekts die Machbarkeit von wasserstoffbetriebenen Flugzeugen, Sicherheits- und Umweltaspekte sowie Szenarien für einen reibungslosen Übergang von Kerosin zu Wasserstoff.

In den vergangenen 15 Jahren hat das DLR einige Prototypen kleinerer Flugzeuge mit Brennstoffzellen entwickelt und im Flug getestet, darunter die Motorsegler Antares-DLR-H2 und Antares-H3 sowie der Viersitzer HY4.
© FLUGREVUE - Ulrike Ebner | Abb.: Bauhaus Luftfahrt | 21.11.2020 17:53

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Beitrag vom 21.11.2020 - 20:51 Uhr
Icb bin begeistert über die qualitativen Aussagen zu dem Projekt seitens MacKinsey:

"Flüssiger Wasserstoff muss auf minus 253,15 Grad Celsius gekühlt und unter hohem Druck gelagert werden."
Wenn er denn so kalt gelaget wird ist der Druck gleich dem athmophärischen - oder er wird auf höhere Teperaturen erwärmt, dann steig der Druck bis auf 700 bar bei 15°C.

" Mehr als 900 Millionen Tonnen CO2 stößt die Luftfahrt jährlich nach Angaben der McKinsey-Studie aus."
Naja, mit dem in der großenen Höhe klimawirksamen Wasserdampf stimmt die Aussage, nur CO2 sind 1,8% von 36 Gt also rd. 540 Mt.

" Die Wasserstofftanks müssten deshalb und zur Vermeidung von Verdampfung im hinteren Rumpf untergebracht werden."
Um einem Druckanstieg zu vermeiden MUSS Wasserstoff verdampfen können sonst siehe oben.

" Zudem wären effizientere Niedertemperatur-Brennstoffzellen mit einer zwei- bis dreimal höheren Leistungsdichte als heute nötig"
Viel Spass mit den exorbitant hohen Strömen. Ich würde erst einmal für Lkw dann für Lokomotiven Hochleistungs Brennstoffzellen entwickeln und mind. 5 Jahre Erfahrung sammeln bevor die ins Flugzeug dürfen.

" Ein Hybrid-Kurzstreckenflugzeug würde im Flugbetrieb keinerlei CO2 ausstoßen. Die gesamte Klimawirkung (wenn auch Stickoxide, Ruß, Wasserdampf und Kondensstreifen berücksichtigt werden) ließe sich laut McKinsey & Company um 75 Prozent im Vergleich zu einer kerosinbetriebenen A320 verringern."
Stickoxide gehören nicht zu den klimawirksamen Gasen, haben zudem eine kurze Lebensdauer im Gegensatz zu CO2, Wasserdampf und Kondesationsstreifen ist der weiße Schimmel der bleibt, und der eingesparte Russ? Der ist zwar eine Verschmutzung der Umwelt mindert aber eher die Sonnen Einstrahlung - siehe Effekte der Vulkanausbrüche.

Ich bleibe dabei: Folge dem money, wieviel Milliarden Förderung sind es insgesamt?



Dieser Beitrag wurde am 21.11.2020 20:53 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 21.11.2020 - 18:41 Uhr
Sehe ich bei dem Entwurf richtig, ein drittes Triebwerk am Heck?


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