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Fast scheint es, als schäme sie sich selbst für ihren Zustand. Gekauert an einen alten Shelter, im militärischen Bereich ganz im Osten des Flughafens von Palma de Mallorca, versteckt sich die Convair CV-990A Coronado mit dem Kennzeichen EC-BZO mit Erfolg vor allzu neugierigen Blicken.
Die meisten Urlauber, die hier jeden Tag zu Tausenden an- und abfliegen, dürften von dem alten Jet, der einmal der längst verblichenen Fluggesellschaft Spantax gehörte, kaum Notiz nehmen.
Und selbst wenn: Wer interessiert sich schon für ein vor sich hin welkendes Flugzeug, wenn doch nur wenige Kilometer weiter Sandstrand, Meer und Palmen locken? Wird schon nicht so besonders sein, was da herumsteht – sonst würde man es wohl kaum im hintersten Winkel des Airports verrotten lassen. Oder?
Der Ferrari der Lüfte
Nur die wenigsten dürften wissen, dass diese Convair Coronado einmal der schnellste Passagierjet der Welt war – und dass von diesem "Ferrari der Lüfte", 37 Mal gebaut, noch ganze vier Exemplare übrig sind. Weltweit!
Grenzt man das Suchgebiet auf Europa ein, reduziert sich die Coronado-Population auf zwei. Eine, in Swissair-Livery, steht top-restauriert und kerngesund im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Die andere, die spanische, ist ein Fall für die Intensivstation: Denn die Jahrzehnte des Stillstands, Wind und Wetter haben dem Jet-Oldie stark zugesetzt.
Auf Rumpf und Tragflächen blühen Moos und Korrosion, in den vergilbten Cockpit-Fenstern klaffen Risse. Die Reifen sind platt und dienen als Vogel-Toilette, Klappen und Ruder verfaulen. Ein Teil des Seitenruders liegt neben dem Flugzeug im Gras. Es fiel irgendwann einfach herunter.
Dass der einst so stolze Jet sich heute in solch schlechter Verfassung zeigt, verwundert kaum – schließlich steht die Coronado schon seit fast 30 Jahren an Ort und Stelle. Ihr letzter Flug liegt sogar noch länger zurück: Am 6. April 1987 brachte sie noch einmal sonnenhungrige Urlauber nach Mallorca – ohne dass da schon klar war, dass sie selbst die Insel nie wieder verlassen würde.
Ein letztes Mal drückten die vier CJ805-23B-Turbofans von GE, immerhin entwickelt aus dem legendären Strahltreibwerk J79, an diesem Tag ihren heulenden Gesang gegen die Bettenburgen der Bahía de Palma und warfen auch den letzten komatösen Langschläfer aus seiner Koje.
Dann verstummten sie – für immer. Auf eine notwendige Wartung in Palma wartete die Coronado vergeblich. Auch eine zeitweise erwogene Überführung der EC-BZO ins Flugzeugmuseum von Cuatro Vientos bei Madrid fand niemals statt. 1988 ging Spantax pleite.
Die Coronado versteckte sich in einem Wartungshangar, musste diesen nach der Liquidierung der Airline jedoch verlassen. Seit 1992 parkt sie verwaist im Freien auf dem Gelände der Ala 49 der spanischen Luftwaffe, die hier in Palma ihre Basis hat.
"Lästig wie Zahnschmerzen"
Für Flugzeugfans wie Tomas Gomez Saenz ist das ein Skandal. Sie wollen dem Verfall der Spantax-Coronado nicht still und leise zusehen. Für sie ist das Flugzeug ein Stück mallorquinische Geschichte – ein Zeitbild jener Tage, als der Tourismus auf der größten Baleareninsel richtig ins Rollen kam.
Ihr Ziel: das Flugzeug restaurieren und es zum Kronjuwel eines neuen Museums machen – vorzugsweise in der Nähe des Flughafens. Ihre Gegner: der Zahn der Zeit, der erbarmungslos an der Maschine nagt – und die Bürokratie.
"Die Coronado steht seit 2011 sogar unter Denkmalschutz, aber es tut sich trotzdem nichts", klagt Tomas. "Für die Behörden ist das Flugzeug nur lästig, wie Zahnschmerzen". Dabei könnte der rare Airliner auf der Insel zu einer echten Attraktion werden. Da ist er sich ganz sicher.
Mit diesem Gedanken ist Tomas nicht allein. Schon vor Längerem hat die Aktion "Retten wir die Spantax-Coronado" deshalb auf eigene Faust – und auf eigene Kosten – mit der Arbeit begonnen. "Als erstes wurden die Türen repariert und geschlossen", berichtet Tomas. "Die standen davor mehr als 20 Jahre lang offen."
Außerdem ließen die Helfer den Treibstoff aus den Tanks und brachten die Passagierkabine auf Vordermann. Für das Cockpit, in all den Jahren schwer geplündert und ausgeweidet, suchten sie originale Komponenten zusammen – und erstellten täuschend echte Kopien von Instrumenten, die original nicht mehr zu finden waren.
Zumindest in der Kabine wirkt die EC-BZO seither überraschend fit und aufgeräumt. Früher hausten hier die Ratten, jetzt scheint alles beinahe bereit zum Boarding. Die modrige Luft, die nach dem Öffnen der Tür nach draußen strömt, ist rasch vergessen. Die Nase gewöhnt sich schnell daran.
Der Gang vom hinteren Eingang bis nach vorn führt über roten Teppich, vorbei an weich gepolsterten blauen Sitzen, deren Abstand zueinander jeden heutigen Holzklasse-Fluggast vor Neid erblassen lässt. Sogar weiße Papierdeckchen mit Spantax-Logo finden sich im Kopfbereich.
Man setzt sich nieder, versinkt fast wie im Sofa, während der Blick verträumt durchs milchige Fenster über die Tragfläche schweift – und an den großen Strömungskörpern haften bleibt, die für die CV-990 einst so typisch waren. Hach – wie cool es doch wäre, mit diesem Jet-Fossil noch einmal abzuheben...
Ein Museum für die Coronado
Dieser Wunsch wird natürlich Utopie bleiben – aus vielerlei Gründen. Solange der Jet auf militärischem Gebiet steht, zumal genau zwischen zwei Landebahnen, bleibt aber auch jeder Versuch, die Maschine wenigstens als statische Attraktion zu erhalten, schon im Ansatz stecken.
"Hier vor Ort können wir sie nicht reparieren – und ausstellen schon gar nicht", weiß auch Tomas. Was es bräuchte, wäre deshalb ein Gelände außerhalb der Air Base, auf dem man die Coronado schrittweise instandsetzen und schließlich präsentieren könne.
"Ideal wäre ein Platz in der Nähe des Flughafens und damit auch in der Nähe der Hotels – vor allem auf einer Insel, die vom Tourismus lebt." Speziell schwebt Tomas dabei ein Areal nahe der Einflugschneise vor, das dem Airport-Betreiber AENA gehört. "Aber jeder andere Ort tut es auch, solange es nur gemacht wird."
Ein Gutachten bezifferte die Kosten für das Projekt vor sechs Jahren auf 250.000 Euro. Inzwischen dürften ein paar Euro mehr hinzugekommen sein. Außerdem müsste man die Coronado wohl in drei Teile zerlegen, um sie möglichst schadlos zu transportieren.
Doch das hält Tomas und seine Kollegen nicht von ihrem Plan ab. "Wir brauchen dringend Hilfe, von privaten Investoren und von den Behörden. Aber die Substanz des Flugzeugs ist immer noch gut, wir haben noch gute Chancen, es zu retten – auch wenn es ein langer Weg ist."
Der Traum lebt
Da bekanntlich auch lange Wege mit dem ersten Schritt beginnen und der Inselrat Mallorcas nicht aus dem Quark kommt, hat Tomas mit Gleichgesinnten den Verein "Asociación Museo Aeronáutico Illes Balears" gegründet.
Mit diesem wollen sie ihrem Coronado-Plan in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen und werben um Unterstützung für ein künftiges Museum. Mit einer kleinen aber feinen Luftfahrtausstellung leben sie in Llucmajor, 20 Autominuten vom Flughafen Palma entfernt, ihren Traum schon einmal vor.
Liebevoll haben sie Fundstücke und Archivgut der aviatischen Geschichte Mallorcas zusammengetragen – ein großer Teil davon stammt aus dem Erbe von Spantax.
Für Tomas indessen steht fest, dass er auch weiter um das Schicksal der vorletzten Coronado Europas kämpfen möchte. "Man sagt, solange es Leben gibt, gibt es auch Hoffnung – und solange das Flugzeug noch steht, lässt es sich retten", unterstreicht er.
Natürlich stiegen die Kosten, je länger man damit warte. "Aber wir werden nicht aufhören, ehe wir unser Ziel erreicht haben und die Spantax-Coronado der Star eines Luftfahrtmuseums der Balearen ist!"
© FLUGREVUE - Patrick Zwerger | Abb.: Patrick Zwerger | 27.06.2021 08:33
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