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Afrikas Luftfahrt zwischen Aufbruch und Absturz

KAPSTADT - Afrika könnte einer der großen Zukunftsmärkte der Luftfahrt sein. Doch die Airlines des Kontinents leiden weiter unter strikter Regulierung und ineffizienten Egoismen der Einzelstaaten. Selbst mit Billigtickets lassen sich nicht viele Passagiere aus den gewohnten Reisebussen in Flugzeuge locken.  

Namibia und Südafrika sind bei Deutschen sehr beliebte Reiseländer. Doch davon haben die lokalen Airlines nicht allzu viel. Sowohl Air Namibia (tägliche Flüge von Frankfurt mit A330 nach Windhuk) und South African Airways (SAA) mit täglichen Verbindungen von Frankfurt und München nach Johannesburg fliegen wirtschaftlich am Abgrund und wären längst bankrott, wenn beide Airlines nicht schon seit Jahren gegen jede kommerzielle Vernunft aus dem jeweiligen Staatshaushalt in der Luft gehalten würden. 

Luftfahrt in Afrika
Luftfahrt in Afrika, © Andreas Spaeth

Die kleine Air Namibia mit derzeit zehn Flugzeugen hat seit 2000 rund 400 Millionen Euro vom Staat erhalten. Bezeichnend ist, dass für beide Airlines die Strecken nach Deutschland die einzige verbliebene Interkontinental-Route (Air Namibia) bzw. neben jüngst halbierten Frequenzen nach London die einzigen Europa-Routen (SAA) sind. 

Im März 2018 stand Air Namibia kurz vor der Pleite: den Banken war die Geduld ausgegangen, weil die Airline entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht seit zehn Jahren keinen Geschäftsbericht publiziert hat.

Doch dann bewilligte die Regierung erneut Budgets bis 2021 für Air Namibia und die Fluggesellschaft musste mit der offiziellen Mitteilung, sie fliege weiterhin planmäßig, die Befürchtungen der Reise- und Flugbranche zerstreuen.

Das sind gute Nachrichten für deutsche Reisende, denn Air Namibia ist ein echter Geheimtipp auf der Route von Frankfurt nach Kapstadt: die Umsteigezeit auf dem kleinen Flughafen Windhuk ist minimal und Passagiere müssen nicht wie bei den Golfairlines lange Umwege in Kauf nehmen.

Trotzdem bietet Air Namibia zu oft attraktiven Tarifen ein ansprechendes Produkt auch in Business Class - nicht mit dem Raffinement vieler größerer Airlines, aber für einen zügigen Nachtflug ohne Zeitverschiebung zu günstigen Flugzeiten in einem Fullflat-Sitz sehr annehmbar.

Teure Ruhezeiten

Genau diese angenehmen Flugzeiten über Nacht in beide Richtungen bergen allerdings ein riesiges wirtschaftliches Problem: Die A330 stehen über zwölf Stunden am Boden in Frankfurt, dabei verdienen sie kein Geld, sondern im Gegenteil laufen horrende Parkgebühren auf einem der größten und teuersten Drehkreuze Europas auf.

"Derzeit wird darüber nachgedacht, eine Strecke tagsüber zu fliegen und die beiden A330 durch die gewonnene Zeit auch ab Windhuk auf eine neue Strecke nach Asien zu schicken", erklärt ein Insider gegenüber aero.de.

Er verrät auch, dass die Leasingverträge für zwei Ex-Air Berlin-A319 bald auslaufen und sie durch die wesentlich passendere Embraer E190 ersetzt werden sollen. Derzeit stehen vor allem regionale Strecken im Fokus, Accra und Lagos sind neu im Streckennetz.

Genau an fehlenden innerafrikanischen Verbindungen nämlich krankt die Luftfahrt auf dem Kontinent. Dass das so ist, lässt sich zum einen auf die bis heute mangelnde Liberalisierung des Luftverkehrs zurückführen. Der andere Grund sind die potenziellen Passagiere.

"Tarife innerhalb Afrikas sind zu teuer, es ist oft billiger von Afrika nach Europa zu fliegen als von einem afrikanischen Staat ins Nachbarland", sagt Mandi Samson, Acting Managing Director von Air Namibia.

Kein offener Himmel über Afrika

Schon 1988, dann wieder 1999 und zuletzt im Januar 2018 versuchte die Afrikanische Union (AU) mit ihren Yamoussukro-Erklärungen möglichst viele afrikanische Länder zum Beitritt für einen "Offenen Himmel über Afrika" zu gewinnen.

Luftfahrt in Afrika
Luftfahrt in Afrika, © Andreas Spaeth

Derzeit steht die Umsetzung noch aus, ohnehin haben nur 23 Staaten unterschrieben, darunter jene mit den wichtigsten Flughäfen des Kontinents - nämlich Äthiopien, Ägypten, Kenia, Nigeria und Südafrika. Aber zum Beispiel nicht Namibia oder Mauritius.

Dort kann man mit dem Konzept nichts anfangen: "Das bringt uns nichts, wir werden von externen Kräften gedrängt, dem beizutreten, aber auf diese Weise funktioniert das nicht", klagt Somas Appavou, CEO von Air Mauritius, gegenüber aero.de, "wir haben einfach nicht die nötige Größe um in einem offenen Himmel zu konkurrieren."

Einer der größten Befürworter des Offenen Himmels dagegen ist Ethiopian Airlines, neuerdings Marktführer. "Als Afrikas größte Airline müssen wir die Liberalisierung Afrikas und seine Integration anführen", sagt CEO Tewolde Gebremariam im Interview mit aero.de. "Niemand bringt Afrika heute besser zusammen als Ethiopian Airlines mit 54 angeflogenen Zielen auf dem Kontinent."

Die IATA betont, dass selbst wenn nur zwölf afrikanische Länder ihren Himmel öffneten, 155.000 neue Jobs und 1,3 Mrd. US$ an Bruttosozialprodukt in diesen Ländern entstehen würden.

"Afrika ist der zweitgrößte Kontinent, generiert aber weniger als 3% des weltweiten Luftverkehrs. Das liegt daran, dass der Transportmarkt nicht liberalisiert ist", sagt Gebremariam, "und an der fehlenden Integration des Handels innerhalb des Kontinents. 60% des Handels in der EU finden innerhalb der Gemeinschaft statt, in Afrika sind es nur 15%. Da hinken wir stark hinterher", sagt der Ethiopian-CEO.

Luftfahrt in Afrika
Luftfahrt in Afrika, © Andreas Spaeth
Bei seinem Amtsantritt 2011 war die Gesellschaft noch Nummer 4 in Afrika, hinter SAA, Egypt Air und Kenya Airways. Doch der ehemalige Marktführer SAA aus der größten Volkswirtschaft des Kontinents ist nur noch ein Schatten seiner selbst und hat seit 2011 keinen Gewinn mehr eingeflogen.

Das letzte Geschäftsjahr endete im März 2018 und erbrachte einen Rekordverlust von 375 Millionen Euro, ein dreimal größeres Minus als im Vorjahr. Auch die Passagierzahl ist gefallen. Dennoch steht eine Privatisierung der Staatsairline auch unter dem neuen Präsidenten Cyril Ramaphosa nicht auf der Tagesordnung

SAA: Wachsen durch Schrumpfen

SAA hat derzeit mit Vuyani Jarana den neunten Chef in zehn Jahren. Sein Stil stimmt die 10.500 Angestellte zählende Belegschaft verhalten hoffnungsvoll. Er will die SAA fit genug machen für den möglichen Einstieg eines Partners, obwohl das bei der derzeit geltenden Grenze von 25% für ausländische Investoren schwierig sein dürfte.

"Ich muss unsere Größe zunächst herunterfahren, um dann darauf wieder aufzubauen. Wir müssen akzeptieren, dass wir eine Punkt-zu-Punkt-Gesellschaft sind", so Vuyani Jarana. Anfang 2021 soll nach dem aktuellen Business-Plan der Breakeven erreicht werden, zehn Jahre nach dem letzten Gewinn. Daran zu glauben fällt vielen in der Branche schwer, weil SAA nicht einmal simple Schritte ergreift wie etwa den lukrativen Markt Kapstadt wieder mit Langstrecken zu versorgen.

Ein ehemaliger Chef von SAA- und ihrer Billigtochter Mango ist Nico Bezuidenhout, der jetzt gemeinsam mit Sylvain Bosc (als COO) den afrikanischen Billigflieger Fastjet führt. Die Firma ist ein Ableger von easyJet und wollte der erste panafrikanische Billigflieger werden. 

Luftfahrt in Afrika
Fastjet Airbus A319, © Andreas Spaeth

Dass das nicht funktioniert hat die Firma inzwischen lernen müssen. Denn diejenigen die bisher schon fliegen, müssen sich keine Gedanken um Flugpreise machen. Die anderen schwören nach wie vor auf Reisebusse als Tranportmittel der Wahl.

"Für internationalen Verkehr klappt das in Afrika nicht, weil Passagiere, die für Regierungen arbeiten und Geschäftsreisende nicht preissensibel genug sind und mein Gärtner ohnehin nie fliegen würde. Wir haben sogar erfolglos versucht, auf dem Busbahnhof in Johannesburg Passagiere nach Simbabwe zu gewinnen", sagt Sylvain Bosc zu aero.de.

Gut gehen die Geschäfte dagegen auf Inlandsmärkten, wo Fastjet jetzt in Tansania, Simbabwe und Mosambik vertreten ist. "Das liegt auch an der geringen wirtschaftlichen Integration", so Bosc, "in fünf bis zehn Jahren könnte das anders sein."
© Andreas Spaeth | Abb.: Andreas Spaeth | 13.05.2018 09:16

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Beitrag vom 13.05.2018 - 23:29 Uhr
Wie viele Touristen kommen den so nach Namibia oder Südafrika ?

Ohne die Verbindungen nach Namibia würden definitiv weniger Touristen Pauschalreisen nach Namibia kommen. Die Verluste sind wohl deutlich über dem, was die Touristen ins Land bringen.

Aber oftmals hat die heimische Bevölkerung nichts davon. Schließlich landet der Umsatz oft bei Firmen, die ihren Sitz in Amerika oder Europa haben. Oder südafrikanische Firmen sahnen den Gewinn ab,der in Simbabwe, Mozambique oder Sambia erwirtschaftet wird.

Der Individual-Tourismus hat auf jeden Fall mehr Profit für die Bevölkerung über.



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