Air Baltic-CEO Martin Gauss
Älter als 7 Tage

Airline-Chef auf dem linken Sitz

Martin Gauss im Cokpit der A220
Martin Gauss im Cokpit der A220, © Andreas Spaeth

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HAMBURG - Airline-Chefs, die neben ihrer Führungsposition noch selbst Linienpiloten sind, gibt es selten. Das berühmteste Beispiel war Niki Lauda, Formel-1-Legende und Airlinegründer. Jetzt fliegt Air Baltic-Chef Martin Gauss Linienflüge mit der A220 - und hat eine Gemeinsamkeit mit Lauda.

Der gebürtige Pforzheimer Martin Gauss hat eine illustre Luftfahrtkarriere hinter sich. Sie begann in den 1990er Jahren als Copilot bei der damaligen Deutschen BA in München, wo er bald auch ins Management aufstieg und später in die Unternehmensführung, er wurde Anteilseigner und verkaufte seine Beteiligung 2007 gewinnbringend an Air Berlin.

Stets aber erhielt er seine Pilotenlizenz auf der Boeing 737-300, kam zuletzt auf rund 8.000 Flugstunden. Nasch einigen Zwischenschritten rückte Gauss 2011 an die Spitze von Air Baltic in Riga. Auch hier flog er gelegentlich noch den Boeing-Zweistrahler.

Als Firmenchef setzte er frühzeitig auf die damalige Bombardier C Series, gab Ende 2012 eine Großbestellung auf. Vor vier Jahren wurde das erste von später 50 fest bestellten Flugzeugen geliefert, inzwischen übernahm Airbus den Typ und benannte ihn um als A220.

Während der Coronakrise beschleunigte Air Baltic im Frühjahr 2020 das Ende ihrer älteren Flugzeuge, musterte die 737-300 ebenso aus wie die Bombardier Dash-8Q400. Damit wurde die baltische Airline weltweit zur ersten Gesellschaft mit reiner A220-Flotte, bis Ende Dezember sollen es 25 Flugzeuge sein.

Seit kurzem ist Martin Gauss nach allem was man weiß der einzige Chef einer Liniengesellschaft, der auch Flugzeuge seiner Firma selbst auf Linienflügen als Pilot ans Ziel bringt.

"Die ist erst mein sechster Flug mit Passagieren", erklärt Gauss mit vier goldenen Streifen an beiden Ärmeln seiner Uniformjacke sichtlich stolz, als er an diesem trüben Dezembertag aus der Eingangstür seiner Maschine in die Fluggastbrücke tritt. Eben erst ist er auf einem Linienflug aus Riga in Hamburg gelandet.

Derzeit ist das Reisen auch zwischen Lettland und Deutschland nur eingeschränkt möglich, aber aero.de kann ihn während der Bodenzeit seines Fluges im Flugzeug treffen, immerhin.

Viele Vertreter der Luftfahrtbranche haben Martin Gauss in den letzten Jahren auf allen einschlägigen und einigen exotischen Luftfahrtschauen in oder an einer A220 in den Farben von Air Baltic getroffen – unermüdlich rührte er die Werbetrommel für diesen neuen Flugzeugtyp.

Noch vor gut einem Jahr tourte er durch den Pazifik, machte Vorführflüge mit Qantas-CEO Alan Joyce in Sydney und besuchte mit dem Flugzeug sogar den Südseestaat Vanuatu, dessen Airline A220-Kunde ist.

Der Linienbetrieb im trüben Pandemiewinter in Europa ist da wesentlich weniger glamourös. "Ich habe fast ein Jahr bis zum Type Rating für die A220 gebraucht", erklärt Gauss.

"Ich habe das länger trainiert als ein normaler Pilot, weil sich das über den ganzen Sommer hinzog wegen der Beschränkungen durch Corona, aber vor allem in den zwei Monaten wo wir bei Air Baltic gar nicht fliegen konnten war ich oft im Simulator in Riga."

Die ihm wohlvertraute Boeing 737-300 trennen "technologisch Welten von der A220. Aber ich bin stolz, dass ich noch fliegen kann", so Gauss. Zur Zeit sitzt, wie bei jedem anderen Kapitän mit frischem Type Rating, immer noch ein Trainingskapitän auf dem rechten Sitz. An diesem Tag ist es Air Baltic-Chefpilot Gerhard Ramcke, selbst Hamburger.

"Wenn ich wie heute zum Fliegen gehe, ruht die Aufgabe als CEO, aber andersrum bin ich auch nicht Pilot, wenn ich die Airline führe", versichert Martin Gauss. Und sein Arbeitsplatz wird auch weiter meist das Chefbüro am Flughafen Riga sein und nicht der linke Sitz in einem A220-Cockpit.

"Ich fliege auch in Zukunft nur gelegentlich, die Airline zu führen hat Priorität", räumt er ein. Natürlich habe er durch diesen Teilzeitjob im Cockpit bessere und tiefere Einblicke in die Abläufe seiner Gesellschaft, betont aber: "Ich glaube nicht, dass ich deshalb die Airline besser führen kann, weil ich jetzt auch wieder gelegentlich Pilot bin."

In jedem Fall stehen die Marktchancen der A220 für Gauss besser denn je, gerade durch die schwierige aktuelle Lage: "Sie kann mit 145 Sitzen kurze und lange Strecken fliegen und ist sicher das perfekte Flugzeug für die Zeit jetzt, das ist ein Krisengewinnler-Flugzeug", verkündet der emsige A220-Unterstützer.

Bei 30 Prozent Auslastung kostendeckend

"Wir können das Flugzeug auch mit niedrigen Passagierzahlen fliegen, durch die geringen variablen Kosten fliegen wir im Moment mit Ladefaktoren um 30 Prozent schon profitabel", rechnet wer vor, "wir fliegen also die Kosten, die der Flug verursacht, wieder ein. Das hilft uns, überhaupt zu fliegen derzeit und wird auch helfen wenn es wieder losgeht, mehr Destinationen wieder aufzumachen - auch da wo der Passagierbedarf noch nicht so hoch ist.

In der Krise, so betont Gauss, habe niemand das Flugzeug stillgelegt, "das ist ein gutes Zeichen, es gab Neubestellungen, es ist auch in Sachen Nachhaltigkeit das richtige Flugzeug für den Sektor."

Dass ein Airline-Chef seine eigenen Maschinen fliegt, ist selten. Dass er auch noch alle Register für den geflogenen Flugzeugtyp zieht, dürfte beinahe einmalig sein.

Die beiden Branchengrößen Willie Walsh (früher British Airways-, dann IAG- und bald IATA-Chef) startete als 737-Pilot bei Aer Lingus. Lufthansa-Chef Carsten Spohr erwarb an der Verkehrsfliegerschule in Bremen die Zulassung für die A320-Familie, sitzt aber nicht mehr selbst im Cockpit.

Auch Alaska Airlines-CEO Brad Tilden besitzt eine kommerzielle Pilotenlizenz, fliegt aber auch nicht Linie. Bekanntestes Vorbild war sicherlich Niki Lauda (gestorben 2019). Erst bei Lauda Air, später bei FlyNiki saß er oft am Steuerknüppel oder Sidestick, sogar in der Boeing 777.

Bekanntgeworden war Lauda dagegen natürlich als Formel-1-Rennfahrer für Ferrari, und er blieb den Italienern auch später verbunden. Hier schließt sich der Kreis zu Martin Gauss: Auch er ist ein großer Liebhaber von ikonischen Designs der italienischen Autoschmiede.
© aero.de, Andreas Spaeth | Abb.: Andreas Spaeth, Airbus | 31.12.2020 09:44

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Beitrag vom 06.01.2021 - 17:09 Uhr
Um was ging es nochmals in diesem Post???????????????

Leute stellt euren privaten Kleinkrieg ein und duelliert euch direkt abseits der am Thema interessierten Foristen....
Oder die Mod. schliessen dieses Thema ab?
Wenn Sie hier nichts finden, was Sie interessiert, dann lesen Sie es doch nicht. Geht ganz einfach und ist die totale Selbstbestimmung. Bisher haben Sie selbst zu diesem interessanten Thema nichts Verwertbares beigetragen.
Ich bin froh, dass die Mods das hier nicht auf RO gesetzt haben. Auch nach hitziger Debatte hatte ich mit @Digiflieger einen interesannten, zum Thema passenden und von gegenseitiger Wertschätzung getragenen Austausch. Daher Danke an die Mods für den langen Atem und an @Digiflieger.
Beitrag vom 06.01.2021 - 16:11 Uhr
Um was ging es nochmals in diesem Post???????????????

Leute stellt euren privaten Kleinkrieg ein und duelliert euch direkt abseits der am Thema interessierten Foristen....
Oder die Mod. schliessen dieses Thema ab?
Beitrag vom 06.01.2021 - 11:46 Uhr

Zum Sockel - meine Interpretation des Sockels ist "sich / jemanden vor anderen erheben; sich / jemanden als höherwertig ansehen;" Die Rolle, Kompetenz, Fähigkeit, Haftung, Verfügbarkeit im Markt usw. in der Prozesskette wird durch die Vergütung und Privilegien gewürdigt. Aber in der Kette sind alle Glieder gleich wichtig, sonst hält die Kette nicht. Das ist natürlich eine Grundsatzfrage.

Ok, ich glaube, ich verstehe wo das Problem mit "Sockel" ist. So war es natürlich nicht gemeint.

Die Punkte, die Sie danach liefern, sind aber ja genau das, was immer in Frage gestellt wird, wenn man an Vergütung und Privilegien ran will.
Haben sich diese Faktoren so sehr geändert, dass es das rechtfertigt, was hier passiert?

Die Rolle hat sich nicht grundlegend geändert.
Die notwendigen Kompetenzen haben sich zugegebener Maßen gewandelt.
Die Fähigkeiten sollten mit dem Wandel der notwendigen Kompetenzen einhergehen. Wie überall im Arbeitsleben...
Haftung hat sich nicht geändert.
Verfügbarkeit ist ein Knackpunkt...

Denn die Verfügbarkeit wurde in der Vergangenheit sehr durch den Abnehmer gesteuert... Trotz dessen hat die (teilweise selbstgemachte) schwierige Verfügbarkeit in den letzten Jahrzehnten wohl zu einem guten Teil zur Vergütung beigetragen. Das wird in den nächsten Jahren wohl deutlich anders werden...


Mir ging es auch nur darum, nach Ihrem langen Beitrag, anzumerken, dass man die Ausführungen durchaus auch anders wahrnehmen kann und das Image der Piloten auch durch solche Beiträge beeinflusst wird. Mehr nicht. Ich kann das schon einschätzn und weiß auch, dass es auf allen Seiten solche und solche gibt.

Danke für den Hinweis und die Anmerkung!
Nur so hat man eine Chance, im Austausch zu bleiben und "solche und solche" Eindrücke einzuordnen.
Danke!


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