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Boeing blickt in die Kristallkugel

PARIS - Es ist noch gar nicht lange her, da hat der damalige Boeing-Chairman Jim McNerney erklärt, Boeing widme sich nicht mehr "Mondprojekten". Damit waren nicht Vehikel zur Landung auf dem Erdtrabanten gemeint, sondern kühne Entwürfe für die ferne Zukunft.

Doch auf der Pariser Luftfahrtschau gewährte der Gigant aus Seattle dann doch wieder einige Einblicke, wie er sich die Zukunft der Fliegerei in zehn bis 20 Jahren vorstellt.

"Ein Grund dafür dass wir damit jetzt wieder mehr an die Öffentlichkeit gehen ist dass wir die besten Ingenieure anziehen müssen um die schwierigsten Probleme zu lösen, und wir forcieren und beschleunigen derzeit unsere Arbeit an Zukunftsprojekten", sagt Mike Sinnett, Boeings Vice President für Produktentwicklung.

Eine Grundlage für den Blick in die Zukunft ist der ebenfalls jetzt von Boeing vorgelegte Marktausblick 2017 bis 2036, der davon ausgeht dass bis dahin 41.000 neue Flugzeuge gebraucht werden, bei einem durchschnittlichen Verkehrswachstum von 4,7 Prozent jährlich.

"Um alle diese neuen Flugzeuge fliegen zu können braucht man in den nächsten Jahren 617.000 neue Piloten. Das Problem ist aber: So viele neue Piloten sind nicht in der Pipeline, jetzt und in der vorhersehbaren Zukunft." Also überlegt sich Boeing, wie man die Technik einsetzen kann um diesem Mangel zumindest teilweise abzuhelfen.

Boeing denkt an die Zukunft
Boeing denkt an die Zukunft, © Andreas Spaeth

"Wir müssen Flugzeuge, die von weniger erfahrenen Piloten bedient werden, sicherer machen", so Sinnett. Um das zu erreichen sollen Verkehrsflugzeuge künftig noch autonomer unterwegs sein als bisher, wo der Computer etwa bereits den Reiseflug, Landung, Schubregelung, Navigation und andere Bereiche übernehmen kann.

Während es schon selbstfahrende Autos und andere autonome Transportmittel gäbe, so arbeiteten diese derzeit nicht auf dem gleichen Sicherheitsniveau wie kommerzielle Verkehrsjets, "daher müssen wir die Sicherheit verbessern", erklärt Sinnett. Als erste neue Teilbereiche für die Autonomie von Flugzeugen sieht er den Pushback und das Rollen am Boden.

"Dafür brauchen wir visuelle Sensoren an Bord, ein Kamerasystem sowie die Daten von TCAS und ADS-B",weiß der Boeing-Manager, der davon ausgeht, dass autonomes Rollen schon in ein bis zwei Jahren Wirklichkeit sein könnte.

In den Dienst der Zukunftsforschung hat Boeing seine jährlichen eco-Demonstrator-Flugtestkampagnen gestellt. Nachdem bereits die Typen 737 und 787 als Testflugzeuge genutzt wurden kündigt der Hersteller nun an, dass im Frühjahr 2018 eine Boeing 777 als eco-Demonstrator eingesetzt werde, gefolgt 2019 wieder von einer 787, die dann neben Kabineninnovationen auch autonome Flugführungs-Algorhythmen testen soll.

Boeing denkt an die Zukunft
Boeing denkt an die Zukunft, © Andreas Spaeth

"Es kann aber sein dass sich zeigt dass das nicht machbar ist", so Sinnet. "Man kann sich vorstellen dass es eine Evolution gibt von da, wo wir heute sind, hin zum pilotenlosen Fliegen. Es kann aber auch sein dass Fliegen ohne Piloten schlicht nicht machbar ist."

Nurflügler und Hybridantrieb


Am interessantesten ist es natürlich, Entwürfe für Flugzeuge der Zukunft zu sehen, wie sie sich die oft im Verborgenen tüftelnden Ingenieure von Boeing vorstellen. Und auch hier enttäuschte Mike Sinnett in seiner Präsentation seine Zuhörer in Paris nicht.

Zunächst zeigte er einen alten Bekannten, den Nurflügler, bei Boeing als Blended Wing Boday (BWB) bezeichnet, an dem schon lange geforscht wird als möglichem Flugzeugdesign der Zukunft. Dabei sind Tragflächen und Rumpf zu einem gemeinsamen Flugkörper verschmolzen, der insgesamt Auftrieb erzeugt. "Wir arbeiten weiter daran, forschen derzeit vor allem an Struktur und Flugsteuerung", so Sinnett.

Neu im Zukunftsarsenal von Boeing ist ein eigens als kleineres Hybridflugzeug entwickelter Frachter, möglicherweise autonom zu betreiben.

Boeing denkt an die Zukunft
Boeing denkt an die Zukunft, © Andreas Spaeth

"Der ist ohnehin so hässlich dass ihn kein Pilot wird fliegen wollen", scherzt Mike Sinnett. Auch für den Passagierflug hat Boeing einen Entwurf eines Hybridflugzeugs im Köcher, mit extrem langen, schmalen Tragflächen, rechtwinklig zum Rumpf angebracht und durch Verstrebungen von unten gestützt, was laut Sinnett ganz eigene aerodynamische Herausforderungen schafft.

Und beinahe als Überraschung zauberte der Boeing-Produktentwicklungschef dann noch den Entwurf eines Überschallflugzeugs aus dem Hut. Auch das ist etwas an dem die Luftfahrtforschung seit Jahrzenten herumforscht, ohne aber die wesentlichen Hürden wie Triebwerkslärm, Überschallknall und Wirtschaftlichkeit überwinden zu können.

"Es gibt jetzt Technologie um den Knall zu mindern, das ist sehr aufregende Arbeit, aber auch sehr herausfordernd und schwierig sowohl im Bereich der Umweltverträglichkeit als auch als Geschäftsmodell, weil es einfach sehr viel Sprit kostet schnell zu fliegen", gibt Mike Sinnett zu bedenken. Boeing sieht sich alles an bei den Flugzeuggrößen, vom Geschäftsreisejet bis "irgendwo bei 70 Passagieren", so Mike Sinnett.

Überschall-Verkehrsflugzeuge

Durch das private Überschallprojekt Boom erlebte das Thema Überschall-Passagierjet in Paris neuen Schwung, das Startup aus Denver will bereits bis Ende 2023 seinen ersten 55-Sitzer, schneller als die Concorde, ausliefern, 76 angezahlte Vormerkungen von namhaften Airlines liegen Boom vor.

Boeing denkt an die Zukunft
Boeing denkt an die Zukunft, © Andreas Spaeth

Daher gibt sich auch Mike Sinnett optimistisch: "Es wird in weniger als 20 Jahren ein Überschall-Verkehrsflugzeug geben - aber es kann sein dass es nicht von uns kommt."
© Andreas Spaeth, aero.de | Abb.: Andreas Spaeth | 24.06.2017 10:11

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Beitrag vom 24.06.2017 - 11:32 Uhr
Wirklich Neues hat dieser Blick in der Kristallkugel - in einer Silberkugel sieht man nur sein verzerrtes Spiegelbild - nicht ergeben. Die Visionen der 60er und 70er waren wesentlich fantasievoller!


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