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Braucht Europa eine regionale Ryanair?

Cityjet RJ85
CityJet Avro RJ85 Regionaljet, © Manfred Groihs

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WIEN - Mitteleuropas Regionalluftfahrt verdankt ihre Existenz mutigen Unternehmern wie Graf von Spee (DLT), Hans-Rudolf Wöhrl (Eurowings), Moritz Suter (Crossair) und der Swarovski Familie (Tyrolean). Heute gehören DLT (Cityline), Eurowings, Crossair und Tyrolean allesamt zur Lufthansa, und das nicht nur zur Freude ihrer Kunden.

Zwei Jahrzehnte nach einem fulminanten Boom steht die Regionalluftfahrt vor einer entscheidenden Wende, in ganz Europa. Der Vorstoß der Billigairlines in die Fläche und die Konzentration der Konzerncarrier auf ihre Hubs haben das Regionalgeschäft kräftig in die Zange genommen und inzwischen gefährlich ausgehöhlt. Nicht ohne Zutun der verkehrshungrigen Regionalairports.

Die mit massivem Kapitalaufwand errichtete Infrastruktur leidet nicht an mangelnder Nachfrage, sondern an einem drastisch geschrumpften Angebot. Die Gründe dafür sind vielfältig, in ihrer Konsequenz aber sehr einfach: Es gibt so gut wie keine Regionalairlines mehr. Inflationäre Gebühren und Spritkosten ließen die Sitzkosten auf Höhen steigen, die mit klassischem Regionalgerät bei den Kunden schlicht nicht mehr hereinzuholen sind.

Die Liste der Aussteiger (und Ausfälle) ist nicht nur lang, sondern bis auf die Vorarlberger Intersky, die Berner Skywork und die Tessiner Darwin bereits fast vollständig, und selbst deren Verbleib ist alles andere als sicher. Unabhängige Airlines wie OLT-Express, Cirrus, Air Alps sind längst Geschichte, ebenso mittelständische Konzernpartner wie Contact Air oder Augsburg Airways.

Berechtigt besorgt sind neben den Regionalflughäfen inzwischen auch abgelegene Wirtschaftsstandorte, die um ihre Erreichbarkeit fürchten. Mehrstündige Anfahrten zum nächsten Großflughafen seien weder den Mitarbeitern noch den Kunden zumutbar, vor allem auf Kurzstrecken zu den wichtigsten Metropolregionen, heißt es dort. 

Aber auch für die Konzernairlines und deren Hubs ist der Zugang zu diesen Regionalmärkten alles andere als ausgemacht. Teils zweistellige Verkehrsrückgänge werden in der Fläche unausweichlich zu einer Marktbereinigung führen, mit gravierenden Auswirkungen für die betroffenen Regionen. 

Thüringen (Erfurt-Weimar), Oberfranken (Hof-Plauen), die Mecklenburger Ostseeregion (Rostock-Laage) oder die gar mit einem Neubau beglückte Region Nordhessen (Kassel) werden künftig nicht die einzigen weißen Flecken bleiben. Klagenfurt, Linz, Zweibrücken, Lübeck, ja selbst ehemalige Boomairports wie der Hahn stehen zunehmend am Prüfstand der Ökonomen. Allein die Updates und Instandhaltung der Technik können dort schon eine existentielle Herausforderung darstellen. So braucht der Flughafen Klagenfurt allein 15 Millionen EUR zur Sanierung seiner Runway, die auf absehbare Zeit nicht zu erwirtschaften sind. 

In dem Licht ist der Vorstoß von Flugunternehmer Hans-Rudolf Wöhrl, regionale Zwergairlines (mit nationalen Marktanteilen im Promillebereich) in einer starken, europaweiten Regionalairline zu bündeln, schon fast heroisch. Die irische CityJet, die belgische VLM und die austro-deutsche Intersky können dabei nur ein (gewagter) Anfang sein, über Skaleneffekte regionale Basen aufzubauen, die zielgenau den lokalen Bedarf abdecken, zu wettbewerbsfähigen Kosten, die eben nur über Größe erreichbar sind.

Operativ wäre die neue Verbundairline im Prinzip eine Art Ryanair, die mit (relativ) hochfrequenten Regionalverbindungen erfolgreich an den Hubs der Konzerne vorbeifliegt, direkt und damit billiger. Ob das mit dem abgeschriebenen Gerät einer CityJet (ARJs) oder einer VLM (Fokker 50) gelingt, wird in erster Linie der Kunde beantworten. Größe entsteht freilich nicht über Nacht, zumal die Aussicht auf attraktive Zukäufe, Unternehmen wie Märkte, im Jahr 2014 alles andere als üppig ist.

Üppig vorhanden sind dagegen weiße Flecken in der regionalen Versorgung in ganz Europa. Deren Nachentwicklung wird allerdings etwas kosten, und da sind offensichtlich auch die Standorte gefordert. Immerhin gibt es mit Ryanair & Co bereits Modelle, wie das funktionieren kann. Auch denkbar: Franchise-Basen (Betrieb) mit gemeinsamem Servicezentrum (Einkauf, Vertrieb, Flugabwicklung, Crews & Technik).

© Bob Gedat, aero.at | Abb.: Manfred Groihs | 06.01.2014 11:06

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Beitrag vom 20.01.2014 - 18:20 Uhr
Neue Regionalairline aus Holland
 http://www.joinairlines.com
Beitrag vom 14.01.2014 - 13:44 Uhr
Unternehmer Persönlichkeiten wie Wöhrl sind alles andere als Aktionisten. Ihnen gebührt dennoch Respekt, weil Sie nüchtern analysierend Chancen identifizieren und sie überzeugt nutzen. Sie gehen dabei rein kaufmännisch vor und kalkulieren ihr Risiko genau. Sie können die Industrie zwar nicht umkrempeln, beweisen neben ihrem Sachverstand aber auch den nötigen Mut ihre Unternehmungen zum Erfolg zu führen. Dieser Mut geht jedoch den professionellen Managern großer Airlines ab. Der Geist des Unternehmertums wird durch das Regulativ Aufsichtsrat und Kapitalmarkt erstickt.

Was Brüssel angeht, erwarte ich mir genauso wenig Erkenntnisse wie sie Herr Gerat. Das Kind muß wohl halt erst in den Brunnen fallen.
Beitrag vom 14.01.2014 - 00:28 Uhr
Lieber Avokus, so leid's mir tut, ich muss Ihnen (leider) Recht geben, zumindest großteils. Der Ausblick scheint tatsächlich traurig.

Während die Liberalisierung in den USA völlig neue Verkehrs- und Marktstrukturen bewirkt,´hat, hat sie in Europa die alten, nationalen Pfründe nur noch gefestigt. Ohne den frischen Wind der LCC wären Lufthansa & Co darin wahrscheinlich längst erstickt.. Gesunder Wettbewerb ist eben doch noch was anderes, als das Abstecken geerbter Äcker.

Wöhrl hat verstanden, dass das regionale Geschäft mit der Fläche zunächst erstmal selber genügend Fläche braucht, um sich ordentlich entwickeln zu können. Ich glaube HRW schöpft seinen Optimismus aus der simplen Tatsache, dass die regionalen Standorte gravierend unterversorgt sind und aus Notwendigkeit heraus jetzt auch genügend Initiative entwickeln werden, die auch in Brüssel gehört wird. Intelligente Subventionen für eine funktionierende Infrastruktur sind keine Schande. Bin mir aber nicht sicher, ob das bis jetzt auch in Brüssel verstanden wurde.


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