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Ruanda macht vor, wie ausgefeilte Drohnenlogistik gelingt

KAPSTADT - Drohnen fliegen in Ruanda Blutkonserven und Medikamente binnen Minuten zu oft weit entfernten Patienten. Ein kalifornisches Startup hat dort gemeinsam mit den ruandischen Behörden ein Logistiksystem aufgebaut, das bald auch anderswo Schule machen könnte.

In Deutschland behindern Drohnen zunehmend den Flugverkehr, 158 Störfälle verzeichnete die Deutsche Flugsicherung (DFS) hierzulande 2018, ein massiver Anstieg gegenüber den Vorjahren. Noch 2015 gab es nur 14 gemeldete Fälle.

Zipline-Drohne
Zipline-Drohne, © Zipline International

Drohnen und Verkehrsflugzeuge sind keine guten Nachbarn, vor allem weil oft Laien und Privatleute ohne jede Erfahrung und Kenntnis der geltenden Beschränkungen mit Spielzeugdrohnen in der Nähe von Flughäfen hantieren. Aber es geht auch ganz anders.

In Ruanda in Ostafrika hat das kalifornische Startup Zipline "das größte kommerzielle Logistiksystem mit autonomen Drohnen auf dem Planeten" aufgebaut, wie Keenan Wyrobek, Gründer und Chefingenieur, kürzlich gegenüber aero.de in Kapstadt erklärte.

"Wir haben gerade die Ein-Millionen-Flugkilometer-Marke geschafft mit über 11.000 Flügen, unsere Flugleistung pro Woche entspricht jeweils einer Umrundung der Erde, wir fliegen derzeit täglich bis zu 60 mal mit 16 Drohnen", berichtet Keenan Wyrobek.

Und das in enger Zusammenarbeit mit der ruandischen Flugsicherung im Tower des Hautstadtflughafens Kigali – um so Tausende Menschenleben im Land zu retten.

Zipline ist ein überzeugendes Projekt gelungen, das künftigen autonomen Transport- und Logistiksystemen weltweit als Vorbild dienen könnte. Ruanda, etwas kleiner als Brandenburg, hat sich als Innovationstreiber etabliert, auch Autokonzerne wie Volkswagen erproben hier neue Mobilitätskonzepte.

Die Kalifornier haben in Ruanda seit Oktober 2016 das weltweit erste und bisher einzige landesweite Drohnen-Liefersystem aufgebaut, mit dem vor allem Blutkonserven binnen Minuten ins ganze Land verschickt werden können.

Die Ladung der Zipline-Drohne schwebt an einem Papier-Fallschirm zu Boden
Die Ladung der Zipline-Drohne schwebt an einem Papier-Fallschirm zu Boden, © Zipline International
Elf Millionen Menschen, auch wenn sie in abgelegenen Regionen leben, haben so im Notfall innerhalb weniger Minuten Zugang zu lebenswichtigem Spenderblut oder anderer Notfallmedizin.

Besonders stolz ist Zipline darauf, dass es noch nie einen einzigen Unfall gegeben hat. "Wir haben vorher über 10.000 Flüge auf unserem Testgelände in Kalifornien absolviert und die Drohne erheblich weiterentwickelt", erklärt Wyrobek.

Redundanz wird großgeschrieben bei den Drohnen, die sowohl über Propeller als auch den Antriebsmotor in doppelter Ausfertigung verfügen, außerdem gibt es einen Rettungsfallschirm.

"Wir haben noch nie einen Vogelschlag erlebt, was sonst häufig in Afrika passiert", freut sich Wyrobek, "unsere Drohnen fliegen nur halb so schnell wie eine Cessna und sind so für Vögel berechenbar."

Ende April eröffnet Zipline ein ähnliches System in viel größerem Maßstab im wesentlich ausgedehnteren Ghana in Westafrika, auch in Israel ist die Einführung in Vorbereitung. Der wirkliche Quantensprung aber wird das erste Projekt im Heimatland USA sein.Dort ist bereits ab Juni der Aufbau eines Drohnen-Netzwerks zur medizinischen Versorgung in North Carolina geplant.

Kontrolle der Zipline-Drohnen am Bildschirm
Kontrolle der Zipline-Drohnen am Bildschirm , © Zipline International
Was in weniger dicht besiedelten und von weniger kommerziellem Luftverkehr berührten Ländern in Afrika noch vergleichsweise simpel ist, wird in den USA die Gretchenfrage: Wie integriert man autonom operierende Drohnen über Ballungsräumen in die Luftraumüberwachung und wie garantiert man, dass sie weder Personen am Boden noch andere Luftfahrzeuge gefährden?

Nur wenn diese Fragen überzeugend gelöst werden haben Drohnen als sinnvolle Ergänzung bisheriger Logistik-Ketten in Industrieländern eine Chance. Zipline dient North Carolina als Pilotprojekt, um gemeinsam mit der US-Luftfahrtbehörde FAA praktische Regeln zu erarbeiten und zu validieren. Die FAA hat dafür eigens das Unmanned Aircraft Systems Integration Pilot Program ins Leben gerufen.

Heute lässt sich bereits in Ruanda im Kleinformat besichtigen, wie das funktionieren kann. Es kommt vor allem auf Schnelligkeit an und daher auf möglichst simple Betriebsabläufe.

Kernstück sind die eigens entwickelten Drohnen selbst, die mehr Flugzeugen ähneln als die sonst oft als Drohnen bekannten Quadrokopter. Die jedoch wären zu langsam, verbrauchen zu viel Energie und ihnen fehlt die nötige Reichweite.

Die Zipline-Drohnen dagegen sind 2,25 Meter lang, weisen eine Spannweite von 3,30 Meter auf, wiegen maximal 21 Kilo und können bis zu 1,75 Kilo Nutzlast befördern.

Das Innenleben der Zipline-Drohne
Das Innenleben der Zipline-Drohne, © Zipline International


Das Rumpfskelett besteht aus hochfestem Verbundwerkstoff, die Außenhaut aus leicht austauschbarem Styropor. Höhenruder und Flügelholme sind 3D-gedruckt, die Flügel werden von Hand auf den Rumpf aufgesetzt und per Handy-App und QR-Codes vor dem Start von der Bodenmannschaft auf Funktionstüchtigkeit inspiziert.

Am schwersten sind mit zehn Kilo die separat eingesetzten Lithium-Ionen-Batteriepacks, die gleichzeitig die stets eingeschaltete GPS-Einheit enthalten von der die Drohne Information über Flugziel und Route bezieht.

Die Batterien leisten 1,25 kWh, damit könnte die Drohne bis zu zwei Stunden fliegen, so lange reicht die gespeicherte Energie um einen der beiden Elektromotoren anzutreiben.

Gestartet wird von einer Rampe, auf einem Schlitten beschleunigt ein Elektromotor das Fluggerät binnen 0,3 Sekunden auf die Reisegeschwindigkeit von 101 km/h, maximal sind 128 km/h möglich.

Die Drohnen folgen dem Terrain in jeweils 100 Meter Flughöhe über Grund und können bei jedem Wetter, bei Tag und Nacht sicher betrieben werden in einem Radius von 80 Kilometern vom Ausgangsort.

Zur Landung werden die Drohnen mit einem Seil aufgefangen
Zur Landung werden die Drohnen mit einem Seil aufgefangen, © Zipline International


Am Ziel angekommen klinken sie ihre Nutzlast aus, der rote Karton schwebt an einem Papierfallschirm hängend sanft zu Boden. Eine solche Lieferung kostet in Ruanda derzeit 23 US-Dollar.

Anschließend tritt das Fluggerät den Rückflug an. Die Landung ist spektakulär: Ähnlich wie Kampfjets auf einem Flugzeugträger verfügt die Drohne über einen Haken am Heck. Sie fliegt damit gesteuert durch GPS und Radiosensoren genau in ein gespanntes Kabel hinein, das sie abfängt und sanft zu Boden holt.

In zehn Prozent der Fälle misslingt das beim ersten Versuch, die Drohne setzt dann automatisch zu einem neuen Landeversuch an. Und für den Notfall, darauf hat der ruandische Präsident Paul Kagame bestanden, gibt es einen Knopf der alle Drohnen umgehend zur Basis zurückruft.
© Andreas Spaeth | Abb.: Zipline International | 20.04.2019 08:58

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Beitrag vom 21.04.2019 - 17:29 Uhr
Das ist alles recht beeindruckend, kann aber nur bedingt in anderen Regionen so eingesetzt werden.
Man denke nur an den Wind in Nord-D oder an die Thermik in den Wüstenregionen.
Mich verwundert, dass man in den Tropen, wo es regelmässig kräftig regnet, mit Papierfallschirmen arbeiten kann.
In D kann man notfalls Medikamente bzw. medizinische Ausrüstung mit einem Hubschrauber von Krankenhaus zu Krankenhaus transportieren.
Beitrag vom 21.04.2019 - 08:47 Uhr
Mal sehen, wann es die ersten mit "EMP-Kanonen" ausgerüsteten "Posträuber" gibt.
Beitrag vom 21.04.2019 - 07:32 Uhr
Wirklich sehr beeindruckend, und vor allem sinnvoll (Hilfe für kranke Menschen) und nicht um noch billiger Pakete mit irgendwelchen Schnäppchen von ... zu versenden.


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