Fliegen trotz Finanznot
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Die sieben Leben von South African Airways

South African Airways A350
South African Airways A350, © Andreas Spaeth

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KAPSTADT - South African Airways ist faktisch lange bankrott, München und andere Strecken werden aus dem Flugplan gestrichen. Doch trotz der akuten Finanznot scheint die Airline unkaputtbar. Jetzt trumpft sie mit neuen Airbus A350 in Frankfurt auf. Wie geht das?

"Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie an Bord unseres Airbus A350 auf dem Weg nach Kapstadt", ertönte die Stimme des Kapitäns aus dem Lautsprecher. "Dieses Flugzeug wurde erst vor vier Wochen ausgeliefert und hat bisher gerade 50 Flugstunden absolviert. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug in SAAs erster A350."

Der Pilot konnte überbordenden Stolz über sein neues Fluggerät kaum verbergen. Kurz darauf setzte auch der Purser zu einer ähnlich begeisterten Ansage in der Kabine an, damit auch jeder an Bord die kleine Sensation versteht: South African Airways (SAA) hatte ein brandneues Flugzeug, und nicht nur einen werksfrischen A350, sondern gleich vier, eine Schwestermaschine parkte an diesem Morgen auf dem OR Tambo International Airport von Johannesburg in Sichtweite.

Die ersten werksneuen Flottenzugänge seit langem sind Balsam auf der Seele vieler gebeutelter Mitarbeiter einer der ältesten Fluggesellschaften des Kontinents – SAA fliegt seit 86 Jahren, als ehedem Afrikas größte und bedeutendste Airline. Das war mal.

Seit langem ist SAA faktisch bankrott. Durch Korruption und Missmanagement haben sich Schulden in Höhe von umgerechnet sechs Milliarden Euro angehäuft, eine unfassbare Summe im wirtschaftlichen Kontext Südafrikas.

Der Wert der verbleibenden Aktiva der SAA ist nicht einmal ein Zehntel so viel wert. In den letzten Jahren haben sich die jährlich eingeflogenen Verluste von durchschnittlich umgerechnet 60 Millionen Euro auf 360 Millionen Euro im Jahr versechsfacht.

South African Airways A350
South African Airways A350, © Andreas Spaeth

"SAA stottert nur noch voran, weil sie am Tropf der Steuergelder hängt, von denen sie gerade soviel bekommt dass sie eben so weiterfliegen kann", sagt der südafrikanische Luftfahrtjournalist Guy Leitch.

Insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro sind bei SAA aus dem klammen Staatshaushalt im letzten Jahrzehnt auf diese Weise versickert. Dem stehen akkumulierte Verluste von etwa 1,7 Milliarden Euro in den vergangenen 13 Jahren gegenüber.

Wobei es für die Jahre 2018 und 2019 bisher überhaupt keine verlässlichen Zahlen gibt, weil die Wirtschaftsprüfer nicht wissen, ob sie von der Fortführung des Unternehmens ausgehen können, was sich auf die Bewertung niederschlägt.

Doch Südafrikas Wirtschaft lahmt, der Staat ist klamm und muss um so elementare Dinge kämpfen wie die Aufrechterhaltung der Stromversorgung. Das Elektrizitätsunternehmen Eskom gilt als das schlimmste Beispiel für Misswirtschaft mit ungleich größeren und dramatischeren Auswirkungen für das ganze Land als ein mögliches Ende der SAA, die niemand mehr wirklich braucht.

Niemand, außer der Regierungspartei ANC, denn die große Zahl der Regierungsmitglieder erhält Freiflüge, vor allem in Business Class. Solche Freiflieger machten zuletzt einen guten Teil aller Passagiere aus, die Auslastung beträgt derzeit nur 20 Prozent, berichten südafrikanische Medien.

Da die Zukunft von SAA spätestens seit einem Streik im November als höchst ungewiss gilt, zahlen Reiseversicherungen nicht mehr, falls die Gesellschaft plötzlich ihre Fluggäste nicht mehr befördern kann.

Damals waren die Gewerkschaften mit einer Forderung von illusorischen 8 Prozent Lohnerhöhung in den Ausstand getreten, auch gegen den im Rahmen der überfälligen Restrukturierung angekündigten Abbau von 944 Stellen, fast einem Fünftel des Personals.

Nach dem existenzbedrohlichen Streik, der wenig einbrachte, wurde die SAA im Dezember unter "Business Rescue" gestellt, dem südafrikanischen Äquivalent zum US-amerikanischen Konkursschutzverfahren Chapter 11.

Zwei unabhängige Verwalter müssen nun für SAA bis Ende Februar einen Restrukturierungsplan ausarbeiten, gleichzeitig sollten weitere 242 Millionen Euro zur unmittelbaren Aufrechterhaltung des Flugbetriebs vom Staat fließen. Diese Woche wurde angekündigt, dass SAA ab 29. Februar vier Langstrecken streicht, darunter München, nach Europa verbleiben dann nur die Routen nach Frankfurt und London.

Vier innerafrikanische Routen werden ebenso gestrichen wie nahezu der gesamte Inlandsverkehr mit Ausnahme der Rennstrecke Johannesburg-Kapstadt. Dies wird von den eingesetzten Verwaltern als Sofortmaßnahme beschrieben um Kosten zu sparen. Auch Jobabbaus wurden bereits ebenso angekündigt mit dem endgültigen Plan, genauso wie der Verkauf von Aktiva.

"Schon seit dem Streik fühlen wir uns wie fliegende Zombies", also Untote im Cockpit, erklärt ein SAA-Pilot gegenüber aero.de.

Und diese permanente Unsicherheit spiegelt sich in den Zeitungsschlagzeilen wider, die auch an jenem Januarmorgen in der A350 auf dem Weg nach Kapstadt gelesen werden: "SAA könnte in drei Tagen liquidiert werden weil sich die Finanzierung verzögert", heißt es dort.

Denn das im Dezember zugesicherte Geld ist bis dahin nicht geflossen. Das Ende? Nein, es scheint ähnlich wie bei Alitalia zu sein - auch SAA hat offenbar sieben Leben.

15 Passagiere in der Economy Class

Die Airline fliegt weiter, auch wenn manchmal niemand wirklich weiß, wie und wovon. Ende Januar bekennt sich der ANC dazu, die SAA in restrukturierter Form zu erhalten.

"Die Firma zu schließen würde beweisen, dass die Kritiker Recht haben und der ANC keine Staatsunternehmen führen kann. Es ist ganz schlicht und einfach eine Frage des Stolzes für den ANC, koste es was es wolle", so der Kapstädter Geschäftsmann Robert Breyer in einem Leserbrief.

Ende Januar wurde verkündet, dass die überfälligen 121 Millionen Euro für SAA als fiskalischer Rechentrick nun von der staatlichen Entwicklungsbank kommen, die eigentlich Kleinunternehmen fördern soll, die andere Hälfte frühestens im Februar direkt aus dem Staatshaushalt.

Als SAA im Januar anfangs nur vorübergehende Streckenstreichungen verkündete, unter anderem auf der jetzt endgültig beendeten München-Route, ging ein Aufschrei durch die südafrikanischen Medien. Als sei dies der letzte Sargnagel.

South African Airways Airbus A350-900
South African Airways Airbus A350-900, © Airbus

Dabei ist es dringend geboten, kaum gebuchte Flüge vorübergehend zu streichen, um knappes Geld zu sparen. Auf einem London-Flug wurden zuletzt 15 Passagiere in der Economy Class eines A340-600 von SAA gezählt.

Seit Ende Januar werden die neuen A350 nun sowohl von Johannesburg nach New York-JFK eingesetzt als auch seit Anfang Februar nach Frankfurt, was erhebliche Einsparungen gegenüber den spritdurstigen, vierstrahligen A340-600 bedeutet, die im Schnitt 16 Jahre alt sind.

Da wird es Passagiere kaum stören, dass die kurzfristig von Avolon an SAA verleasten Flugzeuge innen fremde Kabinenprodukte aufweisen, da zwei für Air Mauritius vorgesehen waren (deren Flugzeug als Symbol auch die interaktive Flugkarte weiter zeigt) und zwei andere von Hainan Airlines stammen.

"Versteckte Sprengfallen"

So groß die Freude über die Neuzugänge derzeit ist – sie könnten SAA am Ende das Genick brechen. "In den SAA-Leasingverträgen lauern versteckte Sprengfallen", weiß Guy Leitch.

Er meint damit die fälligen Kosten bei vorzeitiger Beendigung der Leasing-Vereinbarungen, wenn die sogenannte Drittverzugsklausel wirksam wird. Komplexe Materie – aber ein im ungewissen Business Rescue-Verfahren durchaus plausible und bedrohliche Entwicklung.

Fakt ist: 37 von derzeit 47 SAA-Flugzeugen sind geleast. Laut dem Fachmagazin SA Flier liegt allein im Fall der vier A350 die durch die südafrikanische Regierung garantierte Ausfall-Summe bei insgesamt 1,2 Milliarden US-Dollar. Für alle geleasten Jets der SAA-Flotte wären 4,3 Milliarden US-Dollar fällig, plus die knapp zwei Milliarden Dollar Schulden gegenüber Banken.

Wenn dadurch andere ähnliche Kreditbürgschaften der Regierung für weitere Staatsunternehmen ins Wanken geraten, könnte ein gefährlicher Dominoeffekt ins Rollen kommen und das Land in den Staatsbankrott schlittern, so fürchten Ökonomen.

Aber das wird vermutlich nicht passieren, sondern SAA auf wundersame Weise weiter abheben. Auch wenn für einen erfolgreichen Neustart vermutlich weitere Investitionen von über einer Milliarde Euro nötig wären. Siehe auch Alitalia.
© aero.de, Andreas Spaeth | Abb.: South African Airways | 08.02.2020 07:18

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Beitrag vom 08.02.2020 - 12:55 Uhr
Da habe ich jetzt eine Frage, dürfte Lufthansa dort mit der Eurowings expandieren, wenn es SAA nicht mehr gibt, um die SAA Strecken nach Europa aufzufangen?

Also was ich meine ist, dass die LH-Group dann die Slots zu den Konzernhubs bekommt, bevor ein Konkurrent diese bekommt?
Das sind zwei verschieden Schuhe, Verkehsrechte und Slots. Verkehrsrechte ob man die Strecke fliegen darf und der Slot bestimmt das Zeitfenster. Wenn man keine Verkehrsrechte hat nützt der Slot nichts und umgekehrt. Ob EW das dürfte, keine Ahnung wie das Abkommen ist. Ungenutzte Slots werden neu verteilt und kommen dafür zurück in den Slotpool. Jeder, auch die LHG könnte sich darauf bewerben.
Beitrag vom 08.02.2020 - 12:20 Uhr
Da habe ich jetzt eine Frage, dürfte Lufthansa dort mit der Eurowings expandieren, wenn es SAA nicht mehr gibt, um die SAA Strecken nach Europa aufzufangen?

Also was ich meine ist, dass die LH-Group dann die Slots zu den Konzernhubs bekommt, bevor ein Konkurrent diese bekommt?

Lufthansa hat genügend Slots in MUC. Wenn sie nach Südafrika fliegen will, kann sie das jederzeit machen.
Beitrag vom 08.02.2020 - 11:58 Uhr
Da habe ich jetzt eine Frage, dürfte Lufthansa dort mit der Eurowings expandieren, wenn es SAA nicht mehr gibt, um die SAA Strecken nach Europa aufzufangen?

Also was ich meine ist, dass die LH-Group dann die Slots zu den Konzernhubs bekommt, bevor ein Konkurrent diese bekommt?

Soweit mir bekannt: Die Slots werden (müssen) neu vergeben werden


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