Flug JT-610
Älter als 7 Tage

Tod in der Javasee

JAKARTA - Der Kapitän hat achtmal mehr Flugstunden als die 737 MAX 8. Trotz erfahrener Crew und werksneuer Boeing endet Lion-Air-Flug 610 in einer Katastrophe - alle 188 Insassen finden beim Absturz in die Javasee den Tod. Was wir bisher über den schweren Flugunfall in Indonesien wissen.

Die täglichen Flüge mit Lion Air aus Jakarta nach Pangkal Pinang, der größten Stadt der Nachbarinsel Bangka, kosten nicht viel. Am günstigsten ist die Frühmaschine morgens um 6.20 Uhr. Der beste Preis: 393.400 Indonesische Rupiah.

Das hört sich nach viel Geld an, sind umgerechnet aber nicht einmal 23 Euro. Und das für einen Flug von einer Stunde und zehn Minuten über die Javasee.

Thai Lion Air Boeing 737 MAX 9
Thai Lion Air Boeing 737 MAX 9, © Boeing

Auf eben dieser Verbindung sind am Montag 188 Menschen ums Leben gekommen. Alle, die nach Behördenangaben auf Flug JT-610 an Bord waren: 181 Passagiere - unter ihnen vier Kinder und Babies - und sieben Besatzungsmitglieder.

Die Maschine, die Boeing 737 MAX 8 PK-LQP, stürzte kurz nach dem Start ins Meer. Sicht- und Wetterverhältnisse waren gut. Ursache war möglicherweise ein technisches Problem.

Der indische Flugkapitän Bhavye S., ein erfahrener Mann mit 6.000 Flugstunden, und sein Erster Offizier mit 5.000 Flugstunden im Logbuch wollten noch umkehren. Nach mitgeschnittenen Flugdaten stieg die 737 MAX 8 auf rund 1.660 Meter Höhe. Danach protokolliert Flightradar24 "Hinweise auf eine sehr hohe Sinkrate".

An der Unglücksstelle trieb nach Stunden noch ein großer Teppich aus Flugbenzin auf dem Wasser. Dazwischen schwammen größere Wrackteile, außerdem Rettungswesten, Handyhüllen, Ausweise, Führerscheine und verschiedene andere Dokumente. Unter den Todesopfern sind auch mehrere Beamte des indonesischen Finanzministeriums, die übers Wochenende in der Hauptstadt waren.

Lion Air Flug JT610 SAR
JT610, © BASARNAS

Das Wrack der Lion-Air-Maschine liegt nach Angaben der Behörden etwa 35 Meter weiter unten auf dem Grund der Javasee, die an dieser Stelle nicht besonders tief ist. Am Nachmittag (Ortszeit) konnten Taucher die ersten Todesopfer bergen. Hinweise auf Überlebende gibt es nach Angaben der nationalen Such- und Rettungsbehörde keine. Die Erfahrung lehrt, dass nach so vielen Stunden im Meer alle Hoffnung praktisch dahin ist.

Der Absturz bringt die Billigflieger in die Schlagzeilen, von denen es in dieser Ecke Asiens noch mehr gibt als in anderen Teilen der Welt. In Indonesien mit seinen mehr als 250 Millionen Einwohnern ist die 1999 gegründete Lion Air der größte, aber die Konkurrenz aus anderen Ländern wie Air Asia oder Scoot ist auch unterwegs. Billiger als in Asien lässt sich auf der Welt derzeit nirgends fliegen.

Die immer noch steigenden Bevölkerungszahlen, der wachsende Wohlstand, die neuen Spritspar-Modelle der Flugzeugbauer - all das sorgt dafür, dass die Geschäftsaussichten für die Billigflieger trotzdem rosig sind. In Indonesien mit seinen mehr als 17.000 Inseln spart man mit dem Flugzeug zudem enorm Zeit. Der Bedarf an Piloten und neuen Maschinen ist groß. Alle Gesellschaften erklären jedoch, dass an der Sicherheit keinesfalls gespart werde.

Die Unglücksmaschine war gerade einmal zwei Monate alt: Baujahr 2018, seit dem 15. August in Betrieb, erst 800 Flugstunden. Die Boeing 737 MAX 8 ist eine Neuauflage des Mittelstrecken-Klassikers, den die amerikanische Airbus-Konkurrenz seit den 1960er Jahren baut. Sie verbraucht deutlich weniger Kerosin als frühere Modelle.

Die ersten Exemplare der 737 MAX wurden im Mai 2017 ausgeliefert - ausgerechnet an Lion Air.

Teams bergen Wrackteile des Lion Air Flugs JT610
Teams bergen Wrackteile des Lion Air Flugs JT610, © BASARNAS

Der indonesische Billigflieger hatte 2013 schon einmal weltweit Schlagzeilen gemacht, als eine andere seiner Boeings vor Bali im Meer landete und auseinanderbrach. Zum Glück kam von den mehr als 100 Insassen damals niemand ums Leben.

Hinweise auf technischen Defekt

Was jetzt besonders stutzig macht: Die abgestürzte Maschine hatte bereits an diesem Sonntag auf einem Flug von Bali nach Jakarta schon einmal ein technisches Problem. Der Vorstandschef von Lion Air, Edward Sirait, bestätigte dies am Montag. Er verwies aber darauf, dass die Maschine nach gründlicher Untersuchung durch die Technik eine Starterlaubnis bekommen habe. "Alles nach Vorschrift."

Kurz nach dem Abheben am Montag um 6.20 Uhr gab es dann wieder ein Problem. Der Pilot bat die Flugaufsicht um Erlaubnis, kehrt machen zu dürfen - warum genau, das sagten zunächst weder Fluglinie noch die Behörden. "Unser Pilot hat nach Vorschrift gehandelt", betonte Sirait auch dieses Mal. "Als er gesehen hat, dass es ein Problem gibt, hat er darum gebeten, zur Basis zurückkehren zu dürfen. Aber wir wissen, wie es zu Ende ging."
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Lion Air | 29.10.2018 17:06


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