Milliardenverlust
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Lufthansa verschärft Gangart beim Stellenabbau

Lufthansa Airbus A320neo
Lufthansa Airbus A320neo, © Lufthansa

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FRANKFURT - Die Lufthansa rechnet in der Corona-Krise mit einer noch langsameren Erholung des Flugverkehrs und verschärft beim Stellenabbau ihre Gangart. Nach einem erneut milliardenschweren Quartalsverlust droht die Lufthansa ihren Beschäftigten erstmals mit betriebsbedingten Kündigungen.

Bei Vorlage der Halbjahreszahlen zeigte sich Vorstandschef Carsten Spohr am Donnerstag enttäuscht über die weiterhin heftigen Corona-Einschränkungen im Luftverkehr sowie über die schleppenden Verhandlungen zu Sparbeiträgen der Mitarbeiter in Deutschland.

Es sei daher nicht mehr realistisch, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, sagte der Chef der mit neun Milliarden Euro Staatshilfe gestützten Lufthansa.

Der Kurs der Lufthansa-Aktie legte nach den Neuigkeiten zeitweise um rund acht Prozent zu, drehte dann aber in die Verlustzone. Am Nachmittag lag er zuletzt mit 2,14 Prozent im Minus bei 8,022 Euro. Seit dem Jahreswechsel hat die Aktie mehr als die Hälfte an Wert eingebüßt.

Analyst Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein schrieb von einem "ersten Schritt auf einem langen Weg zurück". Die Fluggesellschaft habe im zweiten Quartal etwas besser abgeschnitten als erwartet. Das Aufzehren der Liquidität decke sich mit früher getätigten Aussagen des Managements.

Der Zusammenbruch des Flugverkehrs in der Corona-Pandemie hat dem jüngst vom Dax in den MDax abgestiegenen Konzern im zweiten Quartal einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro eingebrockt - im Vorjahreszeitraum stand noch ein Gewinn von 226 Millionen Euro. Einzig das Rekordergebnis der Frachttochter Lufthansa Cargo, die von der stark gestiegenen Nachfrage nach Frachtflügen profitierte, linderte das tiefrote Zahlenwerk. Zur Jahreshälfte beträgt der Konzernverlust damit schon 3,62 Milliarden Euro (erstes Halbjahr 2019: -116 Mio), was auch für das Gesamtjahr einen deutlichen Milliardenverlust erwarten lässt.

Die Liquidität bezifferte Lufthansa einschließlich Staatshilfe auf 11,8 Milliarden Euro. Dem stand zuletzt ein monatlicher Mittelverlust von 550 Millionen Euro gegenüber. Mit einer positiven Entwicklung des Geldflusses rechnet Lufthansa erst gegen Ende des kommenden Jahres.

Das Unternehmen versuche mit allen Mitteln gegenzusteuern, wie Spohr betonte: Die Kosten sollen bis 2023 um 15 Prozent sinken und die Flotte mindestens 100 Flugzeuge kleiner werden, dabei aber das Gleiche leisten wie vergangenes Jahr. Auch von seinen Dienstleistern wie den Flughäfen verlangt der Lufthansa-Konzern Sparbeiträge, wozu bislang nur der Frankfurter Betreiber Fraport nicht bereit sei. Spohr drohte damit, Flüge bevorzugt an günstigeren Flughäfen zu planen.

Beim Personalabbau sei man aber fast nur im Ausland vorangekommen, sodass die Zahl der Konzernbeschäftigten seit einem Jahr um knapp 8.300 auf 129.400 gesunken sei. In Deutschland, wo 11.000 der 22.000 einzusparenden Stellen verortet sind, sei bisher kaum etwas passiert. "Es gibt keine Airline auf dieser Welt, die ohne Entlassungen auskommt. Ich wäre gerne die einzige gewesen", sagte Spohr.

Verantwortlich für die schleppenden Verhandlungen machte er die Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit (VC), mit denen seit Monaten über alternative Sparmöglichkeiten wie Teilzeit und Ruhestandsregelungen gesprochen wird.

Auch die Mitglieder der Kabinengewerkschaft Ufo haben dem erreichten Eckpunkte-Papier, mit dem 2.600 Entlassungen verhindert werden sollen, noch nicht zugestimmt. "Es geht mir viel zu langsam", kritisierte Spohr. "Selbst mit der Bundesregierung waren wir schneller als mit den Gewerkschaften am Boden und im Cockpit."

Die Gewerkschaften wiesen Spohrs Kritik zurück. Ein Krisenpaket müsse auch die mittelfristige Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern und Schutz vor Ausgründungen bieten, forderte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Sie vertritt viele Mitglieder bei der Wartungstochter Lufthansa Technik, für die der Konzern verschiedene Optionen wie einen Teilbörsengang oder die Einbringung in ein Gemeinschaftsunternehmen prüft.

Die Ufo mahnte von der Lufthansa erneut konkrete Umsetzungspläne für Arbeitszeitverkürzungen, Abfindungen sowie Kurzarbeitergeld an. "Jetzt mit Kündigungen zu drohen, ist unnötig und in der Kabine sogar vertragswidrig", sagte Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies. Ein Sprecher der VC verwies auf die laufenden Verhandlungen. Erst nach Abschluss könne man sagen, ob es vereinzelte Personalüberhänge gebe. Spohr hatte gesagt, dass allein die Lufthansa-Kerngesellschaft 800 Piloten zu viel an Bord hat.

"Auf diese Situation können wir nicht mit den Methoden, Prozessen und Zeithorizonten der Vergangenheit reagieren", betonte der Vorstand in einem Brief an die Mitarbeiter. In den kommenden Wochen solle über die endgültige Stilllegung einzelner Flugzeugtypen und Teilflotten entschieden werden.

Zäsur des globalen Luftverkehrs

Bereits bekannt sind die Schließungspläne für Germanwings und die deutsche Tochter des Joint Ventures mit Turkish Airlines, SunExpress. Bei den Flugzeugtypen stehen besonders die vierstrahligen Großflugzeuge Airbus A380, A340 sowie die Boeing 747 auf dem Prüfstand. Der Konzern hat seine Flugzeugbestellungen bis 2023 auf 80 Kontrakte halbiert.

Im laufenden Jahr kommen 23 Jets hinzu und 2021 nur noch 12. Die Flieger werden zunehmend auf Kredit gekauft beziehungsweise als Sicherheiten verwendet.

"Wir erleben eine Zäsur des globalen Luftverkehrs", sagte Spohr. "Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltenden Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenniveau." Das wäre ein Jahr später als bisher geschätzt. Vor allem auf den Langstreckenverbindungen werde es wegen fehlender Einreiseregelungen keine schnelle Erholung geben. Spohr forderte, dass Passagiere mit negativem Corona-Test ungehindert fliegen können.

Mit den Erstattungen für in der Krise stornierte Tickets ist Lufthansa vorangekommen. Im Juli sei fast eine Milliarde Euro an Kunden ausgezahlt worden. Laut Konzern stehen noch Rückzahlungen von etwas weniger als einer Milliarde Euro an 1,8 Millionen Kunden aus. Dies betreffe fast ausnahmslos jüngere Fälle, die aus der umfassenden Änderung des Sommerflugplans vor einigen Wochen resultieren.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Lufthansa | 06.08.2020 07:34

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Beitrag vom 11.08.2020 - 10:27 Uhr
Will man die Crews jetzt irgendwie die nächsten 3-4 Jahre bezahlen ohne das man sie braucht?

Wie soll das gehen?

Das wird so nicht gehen aber in meinen Augen haben alle GW den Ernst der Lage nicht begriffen. Das Ding wird gegen die Wand gefahren. Die Vereinbarungen vom April hätten nach 2 Monaten auf realistische Werte reduziert werden müssen denn dann war die Lage klar. Sehr löblich ist es ja, alle an Bord halten zu wollen, aber so richtig wollen sie dann auch nicht teilen. 80-90% Aufstockung? Fürs Nichtstun? Wie lange noch? UFO macht jetzt auch wieder Druck wie bei SPON zu lesen war. Empfehlung die (80%) Vereinbarung ab zu lehnen. Vereinbarungen in denen NFF und KA Stellen bereits heute bis 2023 fest vereinbart werden sollen? Umschulungen, Querschulungen und downgrades? Alles Zusatzkosten.

Die Vereinbarungen mit den GW haben wesentlich mehr umfasst, als das, was Sie hier bemängeln. Das wird von der GL durchaus auch so gesehen und sie haben ein Gesamtvolumen festgelegt, dass sowohl von UFO, als auch von der VC erreicht wurde.

Die nicht-monetären Bestandteile sind der Knackpunkt. Kosten die Abschlüsse mehr, als nur den Krisenbeitrag?

Verdi mit der Aussage warum jetzt auf 20% verzichten (statt auf aktuell 10%) wenn dann in 2 Jahren - nach Insolvenz - das die neue Bezugsgröße für das ALG ist?

Das ist schon bitter... ;-( Allerdings wir diese Aussage wohl kaum für sich alleine stehen, oder?!? Ich hoffe es zumindest.... Andererseits beschreibt es das Dilemma sehr plakativ.
Wieso soll man einen Krisenbeitrag liefern, wenn man seinen Job eh verlieren soll? Ob heute oder in einem halben Jahr ist für die meisten AN irrelevant.
Insofern können massive Zugeständnisse nur mit Jobgarantien begleitet werden. Wenn es dann schlimmer läuft, ist eh alles hinfällig...

Da sitzen doch AN im Aufsichtsrat und haben demzufolge Zugriff auf die Daten. Können die diese das nicht verstehen und zweifeln an der Glaubwürdigkeit der GF? Da muss man doch nur die Zahl der PAX Und die Einnahmen daraus in einer Woche mal ins Verhältnis zu Durchschnitt 2019 stellen. Aber wie hat mal eine Moderatorin im TV gesagt, sie sei immer schon mit Mathematik überfordert gewesen - da ging es um einfaches Zählen! Die 4 Grundrechenarten sind ja heute schon offiziell Mathematik.

Also in das Verhältnis zu 2019 setzt doch keiner mehr irgendetwas... Weder GW, noch die Gl...
Man hofft(!) auf eine Erholung und geht von Prognosen aus. Viele Analysten wurden von den besser-als-erwartet,-aber-immer-noch-beschissenen Zahlen positiv überrascht.
Und alle bei LH hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Nur Garantien gibt es dafür nicht.

Und die besagte Moderatorin ist ja nicht ohne Grund ins Fernsehen gewechselt, oder?!? Da kann sie ihre wahren Fähigkeiten doch viel besser vermarkten ;-)
Beitrag vom 11.08.2020 - 09:52 Uhr
Will man die Crews jetzt irgendwie die nächsten 3-4 Jahre bezahlen ohne das man sie braucht?

Wie soll das gehen?

Das wird so nicht gehen aber in meinen Augen haben alle GW den Ernst der Lage nicht begriffen. Das Ding wird gegen die Wand gefahren. Die Vereinbarungen vom April hätten nach 2 Monaten auf realistische Werte reduziert werden müssen denn dann war die Lage klar. Sehr löblich ist es ja, alle an Bord halten zu wollen, aber so richtig wollen sie dann auch nicht teilen. 80-90% Aufstockung? Fürs Nichtstun? Wie lange noch? UFO macht jetzt auch wieder Druck wie bei SPON zu lesen war. Empfehlung die (80%) Vereinbarung ab zu lehnen. Vereinbarungen in denen NFF und KA Stellen bereits heute bis 2023 fest vereinbart werden sollen? Umschulungen, Querschulungen und downgrades? Alles Zusatzkosten.

Verdi mit der Aussage warum jetzt auf 20% verzichten (statt auf aktuell 10%) wenn dann in 2 Jahren - nach Insolvenz - das die neue Bezugsgröße für das ALG ist?

Da sitzen doch AN im Aufsichtsrat und haben demzufolge Zugriff auf die Daten. Können die diese das nicht verstehen und zweifeln an der Glaubwürdigkeit der GF? Da muss man doch nur die Zahl der PAX Und die Einnahmen daraus in einer Woche mal ins Verhältnis zu Durchschnitt 2019 stellen. Aber wie hat mal eine Moderatorin im TV gesagt, sie sei immer schon mit Mathematik überfordert gewesen - da ging es um einfaches Zählen! Die 4 Grundrechenarten sind ja heute schon offiziell Mathematik.
Beitrag vom 11.08.2020 - 08:17 Uhr
"Bei der Lufthansa eskaliert ein Streit zwischen Konzernspitze und Gewerkschaften um Sparbeiträge der Mitarbeiter in der Coronakrise. Selbst einem vorläufigen Kompromiss aus dem Juni droht das Aus."

SPON von heute Nachmittag:

 https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/lufthansa-streit-um-sparbeitraege-des-personals-spitzt-sich-zu-a-77281c1b-7cca-4b70-9b4e-24249c0086e9#

Der August ist nun der 5. Monat mit Kurzarbeit und hohen Aufstockungen und doppelt so hohen Ausgaben wie Einnahmen. Wie lange geht das noch gut?

9 Mrd. geht das gut, bzw. 7 wenn man nur den dt. Part anschaut.

Diese sinnlose Aufstockung ist der Wahnsinn.

Die Frage ist auch wie das Strukturell weiter gehen soll, die Prognosen gehen gerade beim Langstreckenverkehr von einer Erholung (2019 Niveau) irgendwann um 2023 - 2025 aus.
Folglich: Wie lange will man den Mitarbeiter Überhang denn rumschleppen, wenn die Flotte massiv verkleinert wird.
Rechnet man mal alle A346 und B744 raus, die sind alle inaktiv, sowie die 6 A380,
hat man mal eben 17 + 9 + 6 grosse WBs weniger.
Und da sind die A343 noch nicht mal drin, oder die alten A319, A320, A321 die man vlt. stillegt.
Will man die Crews jetzt irgendwie die nächsten 3-4 Jahre bezahlen ohne das man sie braucht?

Wie soll das gehen?


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